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Wenn Jurastudenten sich in der Theologie verirren. Wenn Jurastudenten sich in der Theologie verirren Kürzlich fand ich auf dem Blog „katholon.de“ einen amüsanten Beitrag über meine Person. Zunächst …Mehr
Wenn Jurastudenten sich in der Theologie verirren.

Wenn Jurastudenten sich in der Theologie verirren

Kürzlich fand ich auf dem Blog „katholon.de“ einen amüsanten Beitrag über meine Person. Zunächst stellte der anonyme Verfasser einige Erwägungen darüber an, welche kirchenrechtlichen Strafen ich für meine Untaten auf mich gezogen haben könnte: Zumindest sei ich Schismatiker und damit automatisch exkommuniziert, vermutlich auch noch Häretiker – offenbar weil ich es wage, in puncto Religionsfreiheit dieselbe Meinung zu vertreten wie der Hl. Thomas von Aquin.
Danach wurde mir mit einem messerscharfen Argument bewiesen, daß das Konzil keinen Bruch mit der Tradition darstellen könne: „Wenn das Lehramt hier sagt: hier findet kein Traditionsbruch statt. Ganz einfache Sache eigentlich.“ Daß bei geringfügiger Aktivierung des Verstandes sofort erkannt werden kann, daß „Dignitatis humanae“ genau das lehrt, was von den Päpsten des 19. Jahrhunderts einhellig als Irrtum verurteilt und von Gregor XVI. als Wahnsinn bezeichnet wurde, interessiert den Verfasser nicht. Daß die wichtigsten Verfasser der Konzilserklärung, Yves Congar und Courtney Murray, ebendiesen Bruch mit der Tradition offen zugeben, interessiert ihn noch viel weniger, denn „nur der Papst, und mit ihm die Bischöfe haben das Recht, Texte und Lehrmeinungen zu interpretieren.“ Offenbar haben die dummen Konzilstheologen ihre eigenen Texte nicht richtig verstanden…

Ich habe es lange überlegt, ob ich es tun soll: eine Streitschrift schreiben. Und zwar adressiert an einen Menschen, den ich durchaus kenne, und einen Menschen, der Theologie probiert. Gemeint ist Anton Löhmer. Sein Aufsatz (auf pius.info) zeichnete sich ja noch durch wohl überlegte Worte und durchaus logischen Scharfsinn aus, während seine Blogbeiträge auf seinem eigenen Blog letztlich nur noch Pamphlete sind. Nun gut, die wirklich katholischen Blogger schlagen zurück (vor mir war’s Elsa). Ich muss festhalten, dass sich hier Herr Löhmer, in seinem Aufsatz “Die Hermeneutik der Kontinuität: denkbar in puncto Ökumene, unmöglich in puncto Religionsfreiheit” einige Irrtümer über das Vaticanum II verbreitet, die ich so nicht stehen lassen kann.
Ich gratuliere dem Verfasser zu seinem Schritt: Die Veröffentlichung eines anonymen Beitrags auf einem anonymen Blog beweist großen Mut.
Konzilsdokumente muss man auch im Zusammenhang lesen. Hier jetzt: Nostra aetateund Dignitatis humanae. Ersteres die Erklärung zum Verhältnis zur nichtchristlichen Religion, zweitere die Erklärung über die Religionsfreiheit. Doch zunächst einmal ein paar formale Aspekte, die wir, wie ich meine, nicht außen vor lassen sollten.
Nur der Papst, und mit ihm die Bischöfe haben das Recht, Texte und Lehrmeinungen zu interpretieren. Selbst ein Priester spricht immer nur im Namen seines Bischofs (und ist dazu beauftragt). Auch die Definitionshoheit steht nur dem Lehramt (ordentlich und außerordentlich) zu. Das ist wichtig, da die Autorität eines Konzilstextes nicht erklärt werden muss, er hat sie per se. Kurzum: wenn das Lehramt hier sagt: hier findet kein Traditionsbruch statt, dann findet hier kein Traditionsbruch statt. Ganz einfache Sache eigentlich.
„Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ – dieses Argument erscheint auf den ersten Blick einfach nur peinlich, aber ihm liegt ein grundlegender Irrtum zugrunde. Viele „neokonservative“ Katholiken glauben nämlich, eine Lehre sei deshalb wahr, weil sie vom Lehramt verkündet wird. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Eine Lehre wird vom Lehramt verkündet, weil sie wahr ist. Der Papst ist kein Leviathan, kein „Big Brother“ nach dem Vorbild von Thomas Hobbes und George Orwell, der die Wahrheit souverän produziert und dabei weder an die Gesetze der Logik oder die Offenbarung oder die Tradition gebunden ist, sondern Wächter ewiger Wahrheiten. Das Lehramt hat vielmehr die Aufgabe und durch den Beistand des Hl. Geistes eine besondere Befähigung, die Wahrheit zu erkennen und zu formulieren, aber sofern wir uns nicht auf der Ebene eines Dogmas bewegen, kann das Lehramt bekanntlich auch einem Irrtum unterliegen, was in der Kirchengeschichte leider immer wieder geschehen ist. Wenn das Konzilsdokument sagt, es gäbe keinen Traditionsbruch, der Traditionsbruch aber offensichtlich ist (was auch Papst Benedikt XVI. nicht ernsthaft leugnet, der bei Dignitatis humanae nicht von einer „Hermeneutik der Kontinuität“, sondern von einer „Hermeneutik der Reform“ spricht), dann liegt das Konzilsdokument eben falsch. Ganz einfache Sache eigentlich.
Nun zu etwas, das damit zusammen hängt. Herr Löhmer nämlich, fällt ein Urteil, und hält das Seine auch für bindend, wie es der Duktus seiner Texte vermuten lässt. Er gesteht auch selbst ein, offen gegen das Lehramt zu sein – zumindest im Bereich Religionsfreiheit. Das erinnert mich an Luther (“Ich stehe hier und kann nicht anders.”).
Er geht im Endeffekt genauso vor wie “wir sind Kirche”. Ganz das Paradigma: Das passt nicht in mein Schema, und deswegen ist es falsch.
Das Problem bei Luther oder „Wir sind Kirche“ besteht nicht darin, daß sie lehramtliche Aussagen kritisch hinterfragen. Solange es sich dabei nicht um Dogmen handelt und daher die Möglichkeit eines Irrtums besteht, ist es durchaus legitim zu hinterfragen. Die Kirche fordert keinen blinden Kadavergehorsam und verbietet es ihren Gläubigen keineswegs, den Verstand zu benutzen: Schon allein die dogmatische Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils, daß die Existenz Gottes mit der reinen Vernunft erkannt werden kann, beweist die Hochachtung des Katholizismus vor den Gesetzen der Logik, die uns auch ohne Offenbarung und Autorität des Lehramts zu sicherer Wahrheitserkenntnis befähigen.
Das Problem bei Luther oder „Wir sind Kirche“ besteht vielmehr darin, daß sie der katholischen Lehre ihre eigenen Lehren und Ideologien entgegenstellen, deren Fehlerhaftigkeit ohne Mühe nachgewiesen kann. Ich habe kein eigenes Schema und erst recht beanspruche ich keine eigene „Autorität“, sondern arbeite nur mit den Gesetzen der Logik und stelle der Autorität des Konzils die Autorität der überlieferten Lehre gegenüber.

Kirchenrechtlich hat das fatale Folgen.
In Betracht kommen wunderschöne Canones: 1373 : [...] aut subditos ad inoboedientiam in eos [Sedem Apostolicam vel Ordinarium] provocat, interdicto vel aliis iustis poenis puniatur. Bedingung: publice
Wer öffentlich gegen den Papst oder den Ordinarius zu Ungehorsam aufruft, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden. Aber Herr Löhmer geht ja weiter.
Can. 751: Dicitur haeresis, pertinax, post receptum baptismum, alicuius veritatis fide divina et catholica credendae denegatio, aut de eadem pertinax dubitatio; apostasia fidei christianae ex tot repudiatio; schisma, subiectionis Summo Pontifici aut communionis cum Ecclesia membris eidem subditis decretatio.
(Häresie nennt man die nach Empfang der Taufe erfolgte beharrliche Leugnung einer kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glaubenden Wahrheit oder einen beharrlichen Zweifel an einer solchen Glaubenswahrheit; Apostasie nennt man die Ablehnung des christlichen Glaubens im ganzen; Schisma nennt man die Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche.)

Offensichtlich ist Herr Löhmer ein Schismatiker, und ruft zum Schisma auf. Hier greift can. 1364: Exkommunikation als Tatstrafe, latae sentiae, ohne Feststellung. Das ist traurig, aber wahr. Auch Häresie wäre denkbar. Letztendlich kann man aber immerhin rechtlich begründet sagen: das, was Herr Löhmer schreibt, ist nicht katholisch. Das finde ich doch schonmal befreiend.
Ich gebe lediglich den Hl. Thomas von Aquin und die vorkonziliare Lehre der Päpste wieder. Wenn meine Schriften nicht katholisch sind, befinde ich mich wenigstens in guter Gesellschaft.
Nun aber zu den Hypothesen des werten Herrn.
Ich stimme Herrn Löhmers Ausführungen zum Ökumenismus in weiten Teilen zu, halte den Text aber für recht eindeutig. Ich möchte mich zu seinen Thesen bezüglich “Dignitatis Humanae” (DH) äußern. Löhmer reißt gewisse Teile aus dem Zusammenhang. DH 1 sagt:
„In gleicher Weise bekennt sich das Konzil dazu, daß diese Pflichten die Menschen in ihrem Gewissen berühren und binden, und anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt. Da nun die religiöse Freiheit, welche die Menschen zur Erfüllung der pflichtgemäßen Gottesverehrung beanspruchen, sich auf die Freiheit von Zwang in der staatlichen Gesellschaft bezieht, läßt sie die überlieferte katholische Lehre von der moralischen Pflicht der Menschen und der Gesellschaften gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche Christi unangetastet. Bei der Behandlung dieser Religionsfreiheit beabsichtigt das Heilige Konzil, zugleich die Lehre der neueren Päpste über die unverletzlichen Rechte der menschlichen Person wie auch ihre Lehre von der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft weiterzuführen.“
Das Konzil beabsichtigt also nicht, eine neue Lehre zu errichten.
Tut es aber der Sache nach, auch wenn das Gegenteil beteuert wird. Die Gründe habe ich nun oft genug dargelegt und können ausführlich nachgelesen werden in „Vier Blöcke gegen die Religionsfreiheit“.
„Es geschieht also ein Unrecht gegen die menschliche Person und gegen die Ordnungselbst, in die die Menschen von Gott hineingestellt sind, wenn jemandem die freie Verwirklichung der Religion in der Gesellschaft verweigert wird, vorausgesetzt, daß die gerechte öffentliche Ordnung gewahrt bleibt.
Hinzu kommt, daß die religiösen Akte, womit sich der Mensch privat und öffentlich aufgrund einer geistigen Entscheidung auf Gott hinordnet, ihrem Wesen nach die irdische und zeitliche Ordnung übersteigen. Demnach muß die staatliche Gewalt, deren Wesenszweck in der Sorge für das zeitliche Gemeinwohl besteht, das religiöse Leben der Bürger nur anerkennen und begünstigen, sie würde aber, wie hier betont werden muß, ihre Grenzen überschreiten, wenn sie so weit ginge, religiöse Akte zu bestimmen oder zu verhindern. …