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Wegfall des Zölibats und Frauen als Priester fällig

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Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm
Pfarrer Bernd Mönkebüscher leitet seit 2007 den Pastoralverbund Hamm-Mitte-Osten mit seinen rund 14 500 Mitgliedern. Der 47-Jährige versteht Kirche als „Kundschafter des Neuen“. So hat er die Bänke aus der Agneskirche entfernen lassen und die „Moonlightmass“ etabliert. Die Messe mit meditativem Charakter findet wieder morgen, Sonntag, um 21 Uhr in der Agneskirche statt. Wer Interesse an dem ganz neuen Angebot „Gottesdienst zu Hause“ hat, kann sich im Pfarrbüro unter Telefon 49 15 401 melden. © Rother

HAMM - Erst die Pille danach, jetzt die Papst-Wahl: Das mediale Interesse an der Katholischen Kirche ist groß, doch die Zahl ihrer Mitglieder wird hierzulande immer kleiner. Wir sprachen mit Bernd Mönkebüscher, Pfarrer und Leiter des Pastoralverbundes Hamm-Mitte-Osten, über die Notwendigkeit für Veränderungen in der Kirche.

In Ihrem Pastoralverbund wird es nach Ostern ein für Hamm ganz neues Angebot geben: Ein Priester kommt zur Eucharistiefeier nach Hause. Wie kam es zu der Idee der Messe im Wohn- oder Esszimmer, im Gartenhaus oder Partykeller?

Mönkebüscher: Wir haben im Pastoralteam überlegt, wie wir das gottesdienstliche Angebot bei uns nochmals erweitern können und Menschen eine besondere Erfahrung der Eucharistiefeier ermöglichen können. Im Grunde knüpfen wir damit an die Situation an, wie Christentum und Eucharistiefeier sich entwickelt haben. Christen trafen sich nämlich in den Wohnungen, um Eucharistie zu feiern.

Wie wird das ablaufen? Was dürfen die Gastgeber von Ihnen erwarten und welche Erwartungen haben Sie an die Veranstaltung?

Mönkebüscher: Der Gastgeber hat die Aufgabe, für den Rahmen zu sorgen. Er überlegt sich, wen er dabei haben möchte. Es ist ja keine öffentliche Feier wie in der Kirche. Er lädt gegebenenfalls Gäste ein, gestaltet den Raum für die Feier. Optimal wäre es, wenn alle am Tisch sitzen, das ist aber

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kein Muss. Er kann sich Lieder, Musik und Fürbitten aussuchen. Der Priester, der ins Haus kommt, bringt nur die nötigen Dinge für die Eucharistiefeier mit, also Brot und Wein. Wir erhoffen uns, dass dadurch Menschen eine nähere Form der Eucharistiefeier kennenlernen. Zu Hause ist eine Verbindung zum direkten Lebensraum des Gastgebers gegeben und so eine intensivere Erfahrung und ein persönlicher Bezug zur Eucharistiefeier möglich.

Gehen Sie jetzt zu den Menschen, weil weniger zu Ihnen, also in die Kirche, kommen? Hoffen Sie, dadurch neue Menschen zu erreichen?

Mönkebüscher: Das wird sich zeigen. Neue Menschen zu erreichen, ist immer gut. Ich glaube nicht, dass das Angebot uns die Kirchenräume mehr füllen wird. Aber ich glaube, dass es eine Bereicherung ist. Wir brauchen im gottesdienstlichen Leben eine möglichst große Vielfalt. Das betrifft sowohl die Inhalte als auch die Orte. Gewohntes und immer Gleiches haben wir mehr als genug. Wir brauchen viel mehr Ungewohntes.

Sie gehen offensichtlich gerne neue Wege. So haben Sie in der Agneskirche die Kirchenbänke entfernen lassen. Was steckt hinter diesem Projekt?

Mönkebüscher: Wir versuchen im Pastoralverbund viele verschiedene Angebote und Räume vorzuhalten: die Messe zu Hause am Tisch oder die Moonlightmass an jedem ersten Sonntag im Monat, um zwei Beispiele zu nennen. Nicht nur wir, auch die Nachbarpastoralverbünde in Hamm. Die Kirchenbänke sind das letzte, was in die Kirchen Einzug gehalten hat – sowohl historisch, sie kamen im Mittelalter auf, als auch umgangssprachlich,

Bernd Mönkebüscher: „Die Aufgaben des Papstes kann ein Mensch allein nicht leisten.“
Bernd Mönkebüscher: „Die Aufgaben des Papstes kann ein Mensch allein nicht leisten.“ © Rother

weil darin eine Versuchung liegt, sich doch sehr festzusetzen. Das Christentum ist aber eine Wegreligion, die von der Bewegung lebt. Das versuchen wir auch in einem Kirchenraum übrigens mit Unterstützung des Erzbistums abzubilden. Menschen müssen sich einen neuen Platz suchen, haben nicht mehr ihren alten Stammplatz. Man feiert in einem großen Kreis zusammen und sitzt nicht hintereinander wie in einem Bus. Es gibt dafür eine lose Bestuhlung. Man nimmt die Gesichter der mitfeiernden Menschen wahr. In ihnen ist derselbe Christus wie im Sakrament. Eine Stadt wie Hamm verträgt die unterschiedlichsten Gottesdienstorte und braucht sie.

Welche Reaktionen haben Sie bislang auf die leer geräumte Kirche bekommen?

Mönkebüscher: Die Reaktionen sind so unterschiedlich wie die Menschen. Es gibt Menschen, die sehr dankbar sind, die sagen, dass sie so konzentriert noch nie Gottesdienst gefeiert haben; es gibt Menschen, die dieses neue Kirchenraumerlebnis schätzen. Menschen, die jahrelang keine Kirche mehr betreten haben, schauen hinein. Es gibt Menschen, die das nicht verstehen und denen es egal ist, ob das jetzt so oder so ist. Und es gibt Menschen, die sich vermutlich aus Gewohnheitsgründen darauf nicht einlassen können beziehungsweise eine Meinung haben, ohne überhaupt in dieser Form einen Gottesdienst mitgefeiert zu haben. So hält sich bis heute das Gerücht, man müsse die ganze Zeit stehen oder hätte Weihnachten auf Strohballen gesessen. Übrigens eine gute Idee…

Ihre Aktionen und Angebote passen so gar nicht zu dem Image der Katholischen Kirche, die als konservativ, rückwärtsgewandt und weltfremd gilt. Sind Sie gerade deshalb so aktiv, um dieses Image zu ändern?

Mönkebüscher: Viele haben derzeit dieses Gefühl, es gibt ein negatives Image, für das oftmals „die Amtskirche“ verantwortlich gemacht wird und das in den Zeitungen steht. Wir nehmen als Pastoralteam bei vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei vielen Christen Traurigkeit über dieses Image und Ohnmacht wahr, weil sie bemüht sind, vielfältige Wege zu gehen. Sie sind engagiert und wollen der Kirche ein menschliches Gesicht geben, kommen aber gegen diese Grundstimmung nur schwer an. Leider erhält diese Grundstimmung neue Nahrung, und daran sind nicht die „bösen Medien“ schuld, sondern tatsächlich Missstände und Fragwürdigkeiten.

Welche Kritik an der Katholischen Kirche ist gerechtfertigt? Was muss sich ändern?

Mönkebüscher: Es ist der Wunsch nach mehr Gewicht für die Ortskirchen gerechtfertigt. Die einzelnen Bischofskonferenzen und Bistümer brauchen mehr Entscheidungsfreiheit. Die Bistümer hier sind anders als in Afrika. Viele vermissen Menschlichkeit in der Kirche. Das macht sich fest am Umgang mit Minderheiten, beispielsweise mit Menschen, die geschieden wiederverheiratet sind. Kirche muss hier stärker einladend und nicht ausschließend oder ausgrenzend wirken. Das gilt auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen. Ich habe das Gefühl, dass hier von der Kirche schnell ausgrenzende Worte gefunden werden. Menschen müssen von Kirche sagen können: „Da kann ich hingehen, ohne mich verstecken zu müssen.“ Kirche muss sich stärker darauf einstellen, dass die Gesellschaft differenzierter, die Menschen individueller werden. Diese Herausforderung betrifft jeden Getauften. Ich muss auch bei mir Veränderungen zulassen. Einen verändernden Papst fordern ist das eine, neue Wege in den Kirchen vor Ort mitzugehen das andere. Ein gewisses Denunziantentum ist in den letzten Jahren gewachsen. Ich sehe darin keinen christlichen Zug.

Kardinal Meisner beklagte eine Katholikenphobie, Erzbischof Müller sprach von einer „Pogromstimmung“ gegenüber der Katholischen Kirche. Erleben Sie das auch so?

Monkebüscher: Ich finde diese Worte völlig daneben, kann die Wortwahl nicht nachvollziehen. Manchen ehrenamtlichen Mitarbeitern und auch mir geht es manchmal so, dass wir froh sind, nicht auf Kirche angesprochen zu werden, weil man manches nicht verteidigen kann. Die Geschichte mit den Kölner Krankenhäusern und der Pille danach kann man nicht rechtfertigen. Das ist – harmlos ausgedrückt – mehr als schief gelaufen. Das darf einfach nicht passieren und ist ein Beispiel dafür, dass Kirche die eigene Haltung überdenken muss. Leider erscheint Kirche mehr reagierend als agierend. Der Eindruck ist: Auf Druck werden Änderungen vorgenommen – nicht aus Überzeugung.

Papst Benedikt ist zurückgetreten. Die Kirchenzeitung im Erzbistum Paderborn würdigte ihn als einen großen Papst. Gut, dass dieser Papst weg ist, meinte dagegen die „taz“. Wie lautet Ihr Kommentar zum Pontifikat Benedikts?

Mönkebüscher: Ich kann die Amtszeit nicht beurteilen oder bewerten. Ich hätte mir gewünscht, dass er deutlichere Signale des Aufbruchs gesetzt hätte. Man hat das Gefühl gehabt, dass eine gewisse Rückwärtsgewandtheit zugenommen hat. Ich mache das fest beispielsweise am Umgang mit der Pius-Bruderschaft, aber auch an Kleidungsstücken des Papstes, wo man sich fragte: Sowas gibt es noch? Ich höre Menschen in den Gemeinden, die an diesen Äußerlichkeiten vieles festmachen. Die können nicht nachvollziehen, warum man in roten Schuhen rumlaufen muss. Ich verstehe das auch nicht, das passt nicht mehr in die heutige Zeit. Stark ist sein Schritt, sich mit dem Rücktritt zu den Grenzen zu bekennen.

Nun wird ein neuer Papst gesucht. Die einen möchten gerne einen Reformer, die anderen einen Bewahrer. Was wünschen Sie sich vom neuen Papst?

Mönkebüscher: Bewahrt worden ist genug. Wir müssen als Kirche kein Museum füllen, wir sind Kundschafter des Neuen. Ich habe gelesen, dass sich die asiatische Kirche eine prophetische und barmherzige Stimme wünscht. Das finde ich eine schöne Formulierung. Der neue Papst sollte politisches Gewicht haben, um die christliche Botschaft zu repräsentieren. Darin steckt ja auch Revolutionäres, wie: Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Niedrige, Benachteiligte, Ausgegrenzte brauchen eine Stimme. Weiter wünsche ich mir eine größere Offenheit und Dialogbereitschaft gegenüber Menschen, die sich mit Kirche schwer tun. Weitere ökumenische Annäherungen sind überfällig. Die Aufgaben des Papstes kann ein Mensch allein nicht leisten. Das kann er nur leisten, wenn er möglichst viel abgibt und vor Ort Entscheidungskompetenzen einräumt. Nicht alles muss über seinen Schreibtisch gehen. Mir fällt ein Wort von einem alten katholischen Dogmatiker, Gottfried Bachl, ein: „Seltsam, sagt mein Hausverstand, der Geist bewohnt so Frau und Mann, doch Mannsorakel sagt allein, wer wie und was so darf“…

Sollte der neue Papst Frauen zum Priesteramt zulassen?

Mönkebüscher: Ich verstehe die Argumentation dagegen, nämlich dass Jesus sich nur Männer für den Apostelkreis gesucht hat, nicht. Wenn man das konsequent weiterdenkt, dann dürfen auch nur Handwerker und Fischer Priester werden. Die Frage gehört nochmal auf den Tisch, ebenso wie die Frage nach dem Zölibat. Die Aufhebung der verpflichtenden Verbindung von Priesterweihe und Zölibat oder die Zulassung von Frauen zu den Weihesakramenten werden nicht die Kirchenräume wieder massiv füllen, aber sie wären aus meiner Sicht fällig. Und zwar nicht aus der Not des Priestermangels heraus, sondern aus Gründen der Gleichberegung und Berufung.

Das Interview führte WA-Redakteur Alexander Schäfer.

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