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Milizen sollen 90 Emo-Jugendliche gesteinigt haben

Mideast Iraq Emo Killings Mideast Iraq Emo Killings
Junge Iraker, die sich selbst als Emos identifizieren, rauchen in der Stadt Najaf eine Wasserpfeife. Der Rauch verdeckt ihre Gesichter - eine Sicherheitsmaßnahme, da Milizen im Ira...k Jagd auf Emos machen
Quelle: dapd/DAPD
Auffällige Kleidung, Haarschnitt und Musikgeschmack: Die Emo-Kultur wird im Irak als Satanismus gebrandmarkt. Die als homosexuell geltenden Männer sind Hassobjekte von Fanatikern.

Im Irak ist eine brutale Hetzjagd im Gange, die bereits Dutzenden Jugendliche das Leben gekostet haben soll. Opfer der Mordserie sind sogenannte Emos, Jugendliche, die sich aufgrund ihres Kleidungsstils, Haarschnitts und Musikgeschmacks zu Hassobjekten der religiösen Moralpolizei entwickelt haben. Bis zu 90 irakische Jugendliche sollen in den vergangenen Wochen von Schiiten-Milizen gejagt und zu Tode gesteinigt worden sein.

Allein in den vergangenen drei Wochen wurden in der irakischen Hauptstadt Bagdad 14 Jugendliche getötet, melden irakische Medien. Die Leichen der jungen Männer sollen auf Verletzungen hindeuten, die auf Steinigungen zurückzuführen sind.

Milizen steinigen Emos oder stürzen sie von Dächern

Warum kam es zur blutigen Jagd auf die Jugendlichen? Emos (Kurzform für Emotional) tragen häufig enge Röhrenjeans, färben ihre oft schulterlangen Haare und schmücken sich mit Piercings, Halsketten, Ringen und Armbändern.

Ein weiteres Erkennungszeichen sind Totenköpfe und Sterne, die von Emos häufig als Symbole auf Kleidung and Schmuck verwendet werden. Die jungen Männer, die sich der Emo-Kultur verschrieben haben, werden fälschlicherweise pauschal als homosexuell bezeichnet – ein Todesurteil in vielen arabischen Staaten.

Nach Angaben der Hilfsorganisation "Brussels Tribune" wurden seit dem 6. Februar zwischen 90 und 100 jugendliche Iraker im Zuge der Emo-Hetzjagd ermordet. Die meisten Opfer seien gesteinigt worden, andere wurden offenbar – gemäß der traditionellen Strafe für Homosexuelle nach islamischem Recht – von Dächern gestoßen.

Innenministerium brandmarkt Emo-Kultur als "Satanismus"

Fotos der getöteten Jugendlichen kursieren seit Wochen im Internet, unter anderem bei Facebook, und sollen als Abschreckung für andere Jugendliche dienen, die dem Emo-Kult ebenfalls anhängen. "Was am meisten schockiert, ist dass die Opfer so jung sind", sagt Hana al-Bayaty, die für "Brussels Tribune" arbeitet.

Als Täter hinter den Morden werden zwar schiitische Milizen vermutet, so al-Bayaty, entscheidend sei jedoch die heimliche Zustimmung der irakischen Regierung zu den Morden.

Das irakische Innenministerium brandmarkte das Emo-Phänomen vor wenigen Wochen offiziell als "Satanismus" und lieferte damit den religiösen Extremisten eine Art Lizenz zur Verfolgung der Emo-Jugend. Seither jagen schiitische Milizen und Todesschwadronen die Emo-Jugendlichen systematisch und mit äußerster Brutalität.

Schiiten-Miliz gründet Zelle zur Auslöschung

Seit einigen Tagen kursiert ein Schreiben, das angeblich vom irakischen Innenministerium veröffentlicht wurde. Es legt nahe, dass zumindest Teile der irakischen Regierung das Töten der Emo-Jugendlichen gutheißen.

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"Es wurde entschieden, dass eine Zelle gegründet werden soll, um die Auslöschung der sogenannten Homosexuellen sicherzustellen, und diese Zelle wird ihre Aufgabe in den bekannten Gebieten aufnehmen, angefangen im Al-Karrada Distrikt", heißt es darin.

Entstanden sein soll der Text in der "Badr Organisation", einer Schiiten-Miliz, die große Teile der irakischen Polizei und der Armee unterwandert haben soll und berüchtigte Todesschwadronen unterhält. Inzwischen agiert die Badr-Miliz offiziell im Auftrag der Regierung und gilt als fest integrierter Teil der irakischen Sicherheitskräfte.

Das irakische Bildungsministerium soll Medienberichten aus dem Irak zufolge ebenfalls die Jagd auf die Emo-Jugend unterstützen. Angeblich genehmigte die Behörde schon vor Monaten den Beamten der religiösen Moral-Polizei, Schulen und Universitäten aufzusuchen um gezielt Anhänger des Emo-Kults ausfindig zu machen.

Ziel der Maßnahmen sei es, die als gesellschaftsschädigend geltende Jugendkultur zu eliminieren. Todeslisten mit den Namen von irakischen Emos zirkulieren seither in unterschiedlichen Stadtvierteln von Bagdad. Aufgrund dieses Verfolgungsdrucks sollen bereits etliche Jugendliche, darunter auch Frauen, in den Suizid getrieben worden sein.

"Emos sind Idioten (...) Fachleute müssen sie ausrotten"

Iraks religiöse Autoritäten reagierten vor wenigen Tagen auf die Nachricht von der grausamen Tötung der Jugendlichen. Der höchste schiitische Geistliche des Landes, Großayatollah Ali al-Sistani, bezeichnete die Morde als "Akt des Terrorismus" und rief dazu auf, die Hetzjagd zu beenden.

Die radikaleren Elemente des schiitischen Klerus hingegen begrüßen die "Maßnahmen gegen die Emos". Muqtada al-Sadr, ein Hardliner unter den schiitischen Predigern, sagte in einem Interview mit dem irakischen Fernsehsender Al-Sumaria News: "Emos sind Idioten (…) Fachleute müssen sie ausrotten.“

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