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Kirchentag in Dresden: „Vitaminbonbon für Wutbürger“
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Evangelischer Kirchentag in Dresden
dpa Gläubige beim Evangelischen Kirchentag in Dresden
  • FOCUS-Magazin-Korrespondent (Berlin)

Die Grünen begeben sich auf den Marsch durch kirchliche Institutionen: Ein grünes Netzwerk umspannt das evangelische Treffen an der Elbe.

In den 80er-Jahren begaben sich die Grünen auf ihren langen Marsch durch die weltlichen Institutionen. Überall witterten sie „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren!“ So lautete der revolutionäre Slogan der 68er-Generation. Gemeint waren nicht nur die Roben der Richter, sondern auch die schwarzen Röcke der Kirchenvorstände.

Getreu dem christlichen Motto „Liebe deine Feinde“ erobern Grüne jetzt auch Milieus, die sie aus früherer sozialistischer Sicht einst kritisiert und bekämpft hatten.

Der evangelische Kirchentag in Dresden ist ein beredtes Beispiel für den grünen Pilgerpfad durch kirchliche Institutionen. Nach Analyse zahlreicher Beobachter ist er fest in grüner Hand. Dass dort die grüne Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, in ihrer Funktion als Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands in allen Medien strahlt, liegt noch in der Natur der Sache. Aber schon ihr kirchliches Amt setzt Zeichen, die auch weit ins politische Spektrum strahlen.

Grünes Netz weitet sich aus


Denn ein regelrechtes grünes Netzwerk spannt sich über den Dresdner Kirchentag. Ein „Vitaminbonbon für Wutbürger“ solle der Kirchentag sein, schwärmt dessen Generalsekretärin Ellen Ueberschär. Kein Wunder, auch die Managerin des Kirchentages gehört zum grünen Kreis. Seit 2002 ist die Theologin Mitglied der Grünen-Akademie der Böll-Stiftung – einer grünen politischen Stiftung. Gleichzeitig leitet der frühere sächsische Landesgeschäftsführer der Grünen, Hubertus Grass, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kirchentages. Selbst der seit 2004 in Sachsen amtierende evangelische Landesbischof Jochen Bohl zählte quasi als Gastgeber zum grünen Urgestein. Seine frühere Theologiestudenten-Wohngemeinschaft „Grüne Zelle“ in Wanne-Mitte in Herne lobt ihn noch heute im Internet unter dem Motto: „Einer von uns, aus dem was wurde.“ Immerhin war Bohl 1993 noch stellvertretender Landessprecher der saarländischen Grünen.

Inzwischen sieht ein Liberaler bei der Kirche nun Liberalität und Ausgewogenheit den Bach hinunter gehen. „Die evangelische Kirche arbeitet inzwischen fast wie eine Partei“, kritisiert Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow und schiebt nach: „Wir wissen jetzt bei so vielen grünen Parteifunktionären im Kirchengewand auch warum.“ Selbst im Kirchensprengel wird das Ergrünen mit Argwohn beobachtet. „Die Grünen sind nicht nur in Baden-Württemberg und Bremen auf dem Vormarsch, sondern auch auf dem Kirchentag in Dresden“, hat der sächsische Superintendent Arno Liebers aus Leisnig festgestellt. Der frühere DDR-Bürgerrechtler Arnold Vaatz geht mit seiner evangelischen Kirche noch strenger ins Gericht. „Der Kirchentag ist fast eine rein grüne Veranstaltung“, urteilt Vaatz, der heute als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag wirkt. Vaatz konstatiert sogar einen Linksruck: „Meinungen, die dem rot-grünen Milieu fremd sind, werden in der evangelischen Kirche immer mehr stigmatisiert.“ Andersdenkende hätten es schwer.

Grünes Stelldichein auf den Podien

Evangelischer Kirchentag in Dresden
dpa Logo des Kirchentages in Dresden

In der Tat ist auffällig, wie viele Veranstaltungen des aktuellen Kirchentages vom Wutbürger bis zum Anti-Atom-Kämpfer sich mit grünen Themen beschäftigen. So mutiert der Kirchentag zum grünen Stelldichein. Unter anderem reisen Fraktionschefin Renate Künast, ihre Stellvertreterin Bärbel Höhn und Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck aus der Bundeshauptstadt an die Elbe. Hinzu kommen zahlreiche Funktionäre aus Ländern und Kommunen. Beispielsweise bei Foren wie „Wir sind das Volk“, da diskutiert man munter über die Frage: „Was lehrt uns Stuttgart 21?“ Es verwundert nicht, wenn dabei Bauskeptiker wie der Dresdner Brückengegner Thomas Rosenlöcher, Renate Künast und Attac-Anhänger Heiner Geißler als CDU-Feigenblatt untereinander kommunizieren. Oder bei „‚Ich mache mit!’ – Gelungene Beteiligung“ zeigen Benedikt Schirge von der Brandenburger „Bürgerinitiative gegen das Bombodrom“ oder Jens Hoffsommer vom Kinder- und Jungendprojekt „ponte“ – rein zufällig Fraktionssprecher der Grünen im Dresdner Stadtrat – wie demonstrieren für die richtige Sache geht. Auch hier ist die Unausgewogenheit der Gäste offensichtlich.

Es mag zudem ein Zufall sein, dass sich die sächsische Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau zu Ostern öffentlichkeitswirksam in der Dresdner Frauenkirche taufen ließ. Die gegenüber politischen Gegnern scharfzüngige und nicht gerade zimperliche Grünen-Politikerin Hermenau hätte wohl im Tauf-Falle eines FDP-Politikers die Formulierung „rechtzeitig vor dem Dresdner Kirchentag“ verwendet. Für sich selbst begründet die 46-Jährige die Taufe mit mehreren familiären Schicksalsschlägen und damit, dass dieses religiöse Bekenntnis in den letzten fünf Jahren in ihr gereift sei.

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