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Brandstiftung in der Kirche Wahlern

Es riecht auch so, wie es aussieht: Statt über einen Holzboden geht man nach dem Brand in der Kirche Wahlern durch eine Schicht aus Russ und Asche. (Adrian Moser)

Würdig und strahlend weiss vor dem blauen Winterhimmel steht die Kirche Wahlern auf ihrem Hügel nördlich von Schwarzenburg. Das Tor zum Kirchhof steht offen, es ist sehr ruhig an diesem Sonntagmittag. Den Besuchern bietet sich jene wunderbare Rundsicht von den Alpen bis zum Jura, welche das rund 1000 Jahre alte Gotteshaus zur beliebten Heiratskirche gemacht hat.

Von aussen her ist wenig vom Brand zu sehen, den ein oder mehrere unbekannte Täter in der Nacht auf Samstag hier gelegt haben: Am Samstag, kurz vor acht Uhr morgens, bemerkte die Sigristin, dass die ganze Kirche voll Rauch stand. Die Feuerwehr Wahlern-Albligen habe den Brand rasch unter Kontrolle bringen können, teilte die Kantonspolizei Bern mit. Wer sich der Kirchentüre nähert, nimmt beissenden Rauchgeruch wahr. Unter dem etwa vier Meter hohen Vordach prangt ein runder Russ- und Kohlefleck; hier hat die Täterschaft gemäss Kantonspolizei den ersten Versuch unternommen, Feuer zu legen, «was jedoch nicht gelang», wie die Polizei schreibt. An der Kirchentüre hängt ein Blatt Papier: Wegen des Brandes finde «der Gottesdienst vom 24. Januar im Chäppeli in Schwarzenburg statt», ist hier zu lesen.

300 Jahre alte Kanzel verbrannt

Erst im Innern der Kirche zeigt sich das ganze Mass der Verwüstung: Der Eingangsbereich ist schwarz von Russ; der Prospekteständer aus Plastik ist angesengt, teilweise auch geschmolzen – der zweite Versuch der Täter hat hier stattgefunden. Auf dem mit schwarzgrauem Staub überzogenen Tisch links neben der Türe sind helle Flecken zu sehen – hier lagen während des Brands offenbar ein paar Blätter, die unterdessen entfernt worden sind. Die Wände des Kirchenschiffs sind scheckig grau, hier und da hat das Löschwasser helle Spuren hinterlassen. Alles ist russig: Bei jedem Schritt hinterlässt man einen Abdruck. Auf den Kirchenbänken liegt ein grauschwarzer Belag. Russig sind die kleinen, wohl von Unterweisungskindern angefertigten Büchlein an der Wand, russig sind auch die Bilder der niedlichen Täuflinge rechts unter der Empore. Die 300 Jahre alte Kanzel, wo die Täterschaft ihr drittes Feuer gelegt hat, fehlt komplett – von ihrer früheren Existenz zeugen einzig noch ein paar hölzerne Stufen, einige Kohlestücke an der Wand sowie schwarze Brandspuren, die bis unter die Decke reichen. Obwohl alle Fenster offenstehen, stinkt es penetrant nach Rauch.

Ostern in der Aula

«Vermutlich haben wir sogar noch Glück im Unglück gehabt», sagt Ruedi Flückiger, Gemeidepräsident von Wahlern, der, ebenso wie Kirchgemeindepräsident Gerhard Remund, am Sonntag auf dem Schadenplatz steht. «In der Nacht auf Samstag waren alle Fenster der Kirche geschlossen, sodass sich kein grosser Zug entwickeln und das Feuer nicht auf den Dachstuhl übergreifen konnte. Sonst wäre die Kirche vielleicht komplett abgebrannt.»

Doch auch so ist der Schaden beträchtlich: Allein die Reparaturen dürften auf mehrere Hunderttausend Franken zu stehen kommen. So muss etwa die Orgel, deren Gehäuse aus dem Jahr 1758 das älteste im Kanton Bern ist, komplett auseinandergenommen, auf mögliche Schäden untersucht und natürlich auch gründlich geputzt werden.

«Wir werden die Kirche während vieler Monate nicht benutzen können», sagt Remund. Die normalen Gottesdienste würden in dieser Zeit im Chäppeli, dem andern Gotteshaus der Gemeinde, stattfinden. Schwieriger wird es für die Hochzeitsgesellschaften: Insbesondere im Frühling und Sommer wird die Kirche Wahlern fleissig für Eheschliessungen gebucht. «Wir werden versuchen, den Brautleuten Alternativen anzubieten», sagt Ruedi Flückiger, «etwa die Kirchen in Albligen oder Rüschegg. Und unsere Pfarrer werden mitreisen.» Eine Alternative braucht die Kirchgemeinde auch für ihre eigenen grösseren Anlässe, da das Chäppeli deutlich kleiner ist als die beschädigte Kirche: «Etwa für die Osterpredigt oder die Konfirmationen möchten wir unsere neue, grosse Aula reservieren.»

Offene Kirche ist infrage gestellt

Die Wahlerer Verantwortlichen müssen sich aber nicht nur über ganz praktische Fragen den Kopf zerbrechen, sondern auch über grundsätzliche: Bisher ist Wahlern eine auch im Wortsinn «offene Kirche» – sowohl tagsüber als auch in der Nacht kann sie besucht werden. «Das ist schon seit vielen Jahren so», sagt Remund. Zwar hätte die Kirche vor einiger Zeit vorübergehend geschlossen werden müssen, weil eine Gruppe von Leuten angefangen hatte, auf dem Vorplatz Feste zu feiern. Doch seither stehe das Haus wieder offen. Und offenbar wird das Angebot rege genutzt: «Abends sitzen manchmal bis zu zehn Personen hier, schreiben etwas oder unterhalten sich», sagt Remund, «und am frühen Morgen kommen gerne die ,Hündeler vorbei.» Von Zeit zu Zeit komme es gar vor, dass Leute in der Kirche übernachteten. Dieses Konzept der offenen Kirche ist nach der Brandstiftung infrage gestellt. «Wir müssen jetzt schauen, wie wir weiterfahren wollen», sagt Gemeindepräsident Ruedi Flückiger.

Bis gestern Abend sind nach Auskunft der Kantonspolizei keine Hinweise auf die mögliche Täterschaft eingegangen. «Es kann nicht sein, dass solche Gebäude und Kulturgüter Ziel von Kriminellen sind und wir um sie bangen müssen. Wir bitten die Bevölkerung dringend, allfällige Beobachtungen sofort der Polizei in Schwarzenburg (031 368 75 01) zu melden», schreibt Ruedi Flückiger deshalb auf der Homepage der Gemeinde.