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Samstag, 7. Mai 2016

Augustinus vs. Intelligent Design Kreationismus

»Oft genug kommt es vor, daß auch ein Nichtchrist ein ganz  sicheres Wissen durch Vernunft und Erfahrung erworben hat, mit dem er etwas über die Erde und den Himmel, über  Lauf und Umlauf, Größe und Abstand der Gestirne, über bestimmte Sonnen- und Mondfinsternisse, über die Umläufe  der Jahre und Zeiten, über die Naturen der Lebewesen, Sträucher, Steine und dergleichen zu sagen hat. 
Nichts ist nun peinlicher, gefährlicher und am schärfsten zu verwerfen, als wenn ein Christ mit Berufung auf die christlichen [biblischen] Schriften zu einem Ungläubigen über diese Dinge Behauptungen  aufstellt, die falsch sind und, wie man sagt, den Himmel auf  den Kopf stellen, so daß der andre kaum sein Lachen zurückhalten kann.
Daß ein solcher Ignorant Spott erntet, ist nicht  das Schlimmste, sondern daß von Draußenstehenden geglaubt wird, unsere Autoren hätten so etwas gedacht. Gerade  sie, um deren Heil wir uns mühen, tragen den größten Schaden, wenn sie unsere Gottesmänner daraufhin als Ungelehrte verachten und zurückweisen. Denn wenn sie einen von uns Christen auf einem Gebiet, das sie genau kennen, bei einem Irrtum ertappen und merken, wie er seinen Unsinn mit unseren Büchern belegen will, wie sollen sie dann jemals diesen Büchern die Auferstehung der Toten, die Hoffnung auf das ewige Leben und das Himmelreich glauben, da sie das für falsch halten müssen, was diese Bücher geschrieben haben über Dinge, die sie selbst erfahren haben und als unzweifelhaft erkennen konnten?
Es ist unbeschreiblich, wie viel Verdruß und Kummer einsichtigen Brüdern durch solche unbesonnene Eiferer bereitet wird, die von Leuten, die nicht durch  die Autorität unserer Bücher gestützt werden, in ihren verkehrten und falschen Ansichten verächtlich zurückgewiesen werden und dann beginnen, das zu verteidigen, was sie in ihrer leichtsinnigsten Verwegenheit offenkundig falsch gesagt haben. Und dann wagen sie es auch noch, um sich zu beweisen, unsere heiligen Bücher anzuführen oder aus dem Gedächtnis alles mögliche daraus vorzubringen, von dem sie  meinen, es nützte ihnen als Bestätigung, und verstehen doch weder, was sie sagen, noch die Dinge, die sie behaupten (I Tim 1, 7).«
(Augustinus, Über den Wortlaut der Genesis I,19,39)

Samstag, 6. Juli 2013

SETI und DNA

Vorweg: Astronomie ist nicht mein Fach, ich schöpfe im Wesentlichen aus meinem Allgemeinwissen.

Auf Facebook machte neulich dieses Bild die Runde. Natürlich geht es um die Frage, inwiefern man die Existenz eines Schöpfers naturwissenschaftlich "beweisen" kann und um die angebliche Ignoranz der Wissenschaftler.

Auf der linken Seite haben wir jemanden der wohl von SETI (wer nicht weiß, was das ist, schaue hier) sein soll und rechts soll wohl ein Biologe dargestellt sein.

Das Bild ist eine ziemlich plumpe Manipulation.

Zunächstmal: Der Versuch, Radiowellen möglicher (!) außerirdischer Zivilisationen aufzufangen, ist hier völlig falsch und irreführend beschrieben.
Worum es bei SETI geht ist, Signale aufzufangen, die nicht natürlchen Ursprungs sind. Was das ist, wissen wir, denn wir Menschen produzieren haufenweise solcher elektromagnetischer Wellen: Alles was wir an kabelloser Datenübertragung tätigen (Fernsehen, Radio, Radar uswf.). Seit Mitte des letzten Jahrhunderts strahlen wir Menschen unsere Daten ins All hinaus. Der Versuch, nun nach solcherlei Signalen zu horschen die von anderen Zivilisationen aufgesendet wurden, das ist SETI. Hier kann man durchaus von "codierten" Signalen sprechen. Signale, die künstlich erzeugt sind um eine Information zu transportieren. Es gibt auch unspezifische, "uncodierte" Radiowellen die künstlich produziert werden, etwa in einer Mikrowelle.
Nun können elektromagnetische Wellen die (durch ihre Wellenlänge und Frequenz) zum Radiobereich gehören auch ganz natürlich entstehen, etwa durch Pulsare (ein schnell rotierender Neutronenstern) und Quasare (ein Galaxienkern). Auch die oft zu lesende "kosmische Hintergrundstrahlung", die als Beleg für die Big Bang-Theorie gilt, ist eine solche Strahlung. Es gibt einen eigenen Wissenschaftszweig, der sich mit sowas befasst, die Radioastronomie.
Was nun SETI versucht (hat) ist nicht mehr und nicht weniger, als in den Radiosignalen, die ständig bei uns auf der Erde von überall her eintreffen, nach Mustern zu suchen die uns aus unserer eigenen Zivilisation bekannt vorkommen, nach Signalen also, die nicht nach den bekannten natürlich entstandenen Mustern gestrickt sind. Pulsare z.B. werden mit der Zeit langsamer, sind aber ansonsten sehr regelmäßig. Wonach gesucht wird, sind Signale, die schwerlich natürlichen ursprungs sind. Was soll das sein? Also doch ein "Code"? Ja, aber: Es geht schlicht um Daten, die von "jemandem" eingegeben wurden. Informationen, die nicht wie das gleichmäßige natürliche Rauschen irgendwelcher Sternennebel oder das regelmäßige Pulsieren wie von Pulsaren klingen... sondern man sucht nach Dingen, wie sie auch wir Menschen mittels Radiowellen ins All schicken. Also v.a. um komplexe mathematische Reihen, denn unsere Informationen, etwa die Daten auf einer CD, bestehen aus purer sehr komplexer Mathematik. Wobei auch "einfachere" Reihen schon ein guter Hinweis auf einen "intelligenten" Ursprung sein können, etwa, wie es in dem Film "Contact" dargestellt wurde, eine Reihe von Primzahlen. Pulsare pulsieren nunmal nicht in Primzahlen.
Es geht hier also, grob gesagt, um eine recht klare Unterscheidung zwischen natürlichen Phänomenen (die Gegenstand der Radioastronomie sind) einerseits, und um die elektromagnetischen "Ausdünstungen" einer möglichen anderen Zivilisation andererseits.


Kommen wir mal zur DNA. Handelt es sich hier um einen "Code"?
Hier liegt wieder eine dezent manipulierende Haltung vor: Natürlich sprechen Forscher auch immer wieder davon, eine Information sei "in der DNA codiert" und meinen damit, dass die DNA gewissermaßen einen Bauplan (den Genotyp) für ein Lebewesen (seinen Phänotyp) "enthält". Aber von dem was man gemeinhin unter "Code" versteht, kann hier kaum die Rede sein.
Ein Code ist ja nichts anderes als eine Sprache. Jede Sprache ist letztlich eine "Verschlüsselung" von Informationen, die nur Eingeweihte aus ihr herauslesen können... beherrsche ich die Sprache nicht, komme ich nicht an die Informationen ran. Die DNA ist aber keine Sprache.
Ich hatte mich dazu bereits hier (klick) geäußert:
»Eine Sprache (z.B. das Englisch Shakespeares) ist schwerlich mit DNA vergleichbar... das Wort "Sofa" z.B. beschreibt eine bestimmte Sorte von Gegenständen, wie auch bestimmte Einzelexemplare. Aber das Wort an sich hat nichts an sich was es mit dem Gegenstand "wirk-lich" verbindet. Das Wort kann beliebig mit anderen Bedeutungen belegt oder ersetzt werden, ohne dass sich irgendetwas ändert: Wenn ich plötzlich anfange die Blume, die Vicco (R.I.P.) in der Hand hält als "Sofa" zu bezeichnen (und umgekehrt) und ich andere dazu bringe, dies auch zu tun, dann würde sich nichts in der Welt ändern, die Verknüpfung zwischen Wort und Gegenstand ist dann auch nicht "mehr" oder "weniger" sinnvoll. Eine menschliche Sprache kann das.
Wenn ich aber an der DNA (und der dortigen Abfolge von "Buchstaben") und also am Genotyp eines Organismus etwas ändere, dann ändert sich die Wirklichkeit! Denn es ist eben jene spezifische Abfolge von Basen die bestimmt, welches Protein am Ende produziert wird... ändere ich die Basen, ändere ich das Protein und seine Funktion und so den Phänotyp des Organismus. Hier sind chemische Prozesse am Werk und also besteht eine reale, physische!, Verknüpfung zwischen dem angeblichen "Wort" (DNA) und dem Gegenstand, dem Protein.
Der vergleich der Wesenheit der DNA mit der von Literatur ist in etwa so Sinnvoll, wie der Vergleich der Wirkweise von Olivenöl beim Braten mit der einer Bärenfalle.«
Die DNA ist kein "Code" in dem Sinn, keine Sprache, wie es uns die Karikatur glaube machen will.
Wie schon häufiger in dieser kleinen Serie (die ich leider - mea culpa - in den letzten 2 Monaten vernachlässigt habe) erwähnt: Wir wissen, wie diese ganz bestimmten, "codierten" Abfolgen von Basen in der DNA auf natürlichem Weg entstehen... wir kennen die Prozesse die dahinter stehen... und wir können es ja selbst nachmachen (Genmanipulation, Klonen etc.) und ganz gezielt damit arbeiten. So ähnlich ist das auch mit elektromagnetischen Wellen: Wir wissen, wie sie in der Natur entstehen und wir produzieren selbst rechlich davon. Deshalb könnne wir auch zwischen natürlich entstandenen und künstlich (von einer "Intelligenz") produzierten unterscheiden.



Nachtrag: Dass ich es mir "einfach" gemacht habe mit der Frage nach der "Codierung" und diesen Punkt eigentlich umschifft habe, liegt daran, dass es in der Karikatur gar nicht um Codes geht, sondern nur um das Erzwingen einer angeblichen durch Idiologie ausgeblendeten Parallele in diesen beiden Wissenschaftsbereichen, die aber so nicht existiert. Das Wort "codierte Information" ist dort nur ein Mittel zum Zweck, hat aber keinen spezischen Inhalt, der über "da ist etwas, was man unter den Begriff 'Information' fassen könnte" hinausgeht. Wenn der Autor nur von "Information" statt von "codierter..." gesprochen hätte, wäre die Aussage die gleiche, die manipulative Absicht würde aber nicht so reinhaun, denn das Wort "codiert" soll implizieren, dass da JEMAND ist, DER diese Codierung vornimmt, und genau auf diesen kleinen Trick kommt in dieser Karikatur alles an! Bei der Deutung von Radiowellen als Zeichen außerirdischer Intelligenz stimmt das ja auch, bei Genen eben nicht.
Diesen Unterschied zwischen "Designtem" (in dieser Karikatur: "Codiertem") und "nicht Designtem" habe ich hier (klick) bereits ausführlich behandelt. Die Karikatur bietet von der Strategie her also nichts Neues.

Dienstag, 9. April 2013

Zwischenbemerkung: Evolution

Kreationistencomic... no comment.
Auf kath.net wurde heute ein Text von Josef Bordat veröffentlicht (hier), der sehr komprimiert aber höchst sinnvoll vieles von dem zusammenfasst, was ich hier bereits in meiner kleinen Serie zur Evolution erzählte. (Ein Vortrag des selben Autors aus dem Jahr 2009, der das Thema noch etwas grundlegender behandelt, ist hier zu finden.) Mit Freude lese ich auch, dass der Autor in seinem Text auch einige Dinge angesprochen hat, die ich hier noch nicht behandelt habe, die ich aber fest eingeplant und schon mehrmals angekündigt hatte. Darum empfehle ich meinen Lesern hiermit, jenen Text auf kath.net zu lesen, das erleichtert mir mein kommendes Geschreibsel, das dann hoffentlich noch ein paar Ergänzungen liefern kann (naturwissenschaftlich wie theologisch).

Ich hätte mir allerdings vom Autor gewünscht, dass er gleich im selben Abwasch dem Intelligent Design den Marsch bläßt, denn diese Ideologie wabert nach wie vor in den Köpfen vieler Katholiken, und als der philosophische Dünnschiss der sie ist, steht sie offenkundig im krassen Widerspruch zu dem, was anhand von Thomas und de Chardin erläutert wurde. Appropos: Sehr schön finde ich es, dass Teilhard de Chardin in jenem Text recht ausführlich zur Sprache kommt. Dieser Priester und Anthropologe, den auch J. Ratzinger immer sehr geschätzt hat, ist maßgeblich an dieser notwendigen Verständigung zwischen Naturwissenschaft und Glaube beteiligt, auch wenn man manche seiner Schlussfolgerungen durchaus kritisch betrachten kann (Stichwort "Punkt Omega").
Es ist nun schon bald 1,5 Monate her seit ich in dieser Serie etwas schrieb, ich hoffe aber, diese oder nächste Woche einen weiteren Text hier einstellen zu können.

Montag, 25. Februar 2013

Freiheit der Schöpfung

Chaplins Klassiker "Modern Times" von 1936
Die Lektüre dieser beiden Einträge wird für das Folgende vorausgesetzt: Intelligent Design? und Ist es "designt"?


Der Titel ist doppeldeutig.
Zunächst meint er den Schöpfungsakt und also die Freiheit Gottes zu seiner Schöpfung. Denn Gott hat die Welt nicht aus einer Notwendigkeit geschaffen, etwa um sich durch sie seiner selbst gewahr zu werden (Hegel) oder um überhaupt seine Existenz in ein Werden zu überführen (wie in der Prozesstheologie nach Hartshorne). Er hat sie in völliger Freiheit geschaffen... er hätte es auch nicht tun können.

Diese Freiheit Gottes geht sogar so weit, dass er sie, die Freiheit, zu ihrer Erfüllung bringt, indem er schließlich mit seinen Geschöpfen einen Bund eingeht. Vergleichbar mit der Erfüllung der Freiheit des Menschen etwa im unauflöslichen Versprechen der Treue in der Ehe: Ein Akt der Freiheit, der dann aber eine Einschränkung dergestalt bedeutet, dass er die Beliebigkeit ausschaltet. So ähnlich ist es auch mit dem Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. (Daher die bräutlichen Motive bei der Beschreibung dieses Verhältnisses.) Freiheit bestet nicht in der ständgen Verfügbarkeit aller Möglichkeiten, sondern sie verwirklicht sich dann, wenn sie eingesetzt wird, sprich, wenn eine Wahl, eine Entscheidung getroffen wird. Jede Entscheidung ist ein Massenmord an Möglichkeiten.

Und sogar noch grundlegender hat sich Gott (in Freiheit) eine Beschränkung auferlegt: Gott respektiert die Freiheit seiner Geschöpfe. Und damit sind wir nun beim zweiten Sinn des Titels: Die Schöpfung ist frei.

Gott ist kein Diktator der Schöpfung, sondern lässt ihr ihre geschöpfliche Freiheit. Die Schöpfung ist im "freien Werden" begriffen und in diesem hat sie durch das ihr von Gott eingegebene Potential all das hervorgebracht, was wir um uns sehen. Gott ist kein Ingenieur der ständig in seine Schöpfung eingreifen muss. Hätten die Kreationisten recht, wäre die einzige Erklärung für die zahllosen Fossilien die wir finden, dass Gott ständig Fehlschläge erlitt. Er schafft etwas, es stirbt aus, er muss es ersetzen. Wenn Gott direkt hantierend das zustandegebracht hätte, was wir faktisch in den Fossilien finden, dann hat er eine geringere "Erfolgsquote" als jeder Ingenieur.

Gottes Macht und Gewalt ist dann klar ersichtlich, wenn nicht er als Akteur an zahllosen einzelnen Prozessen kausal teilgenommen hat, sondern wenn er das getan hat, was er, aus Liebe, mit uns Menschen sowieso tut: Er lässt die Schöpfung sich selbst entfalten. Er zwingt sie nicht. Er nimmt keinen kausalen Einfluss auf die Entwicklung oder den Ablauf irgendwelcher Prozesse, wieso sollte er auch? Wenn ein unendliches, ewiges, allwissendes und allmächtiges Wesen das Universum geschaffen hat, wie vernünftig wäre es dann, dass er nach der anfänglichen Schöpfung ständig nachjustieren muss, damit das passiert, was er haben will? Zwar hasse ich technische Analogien aber: Eine Maschine funktioniert dann gut, wenn sie funktioniert, ohne dass ständig nachjustiert werden muss!

Wer Gott ständig in das freie Entfalten und Bestehen der Schöpfung eingreifen lässt, spricht ihm seine Allmacht und Allwissenheit nicht nur prinzipiell ab, er unterwirft Gott als Weltschöpfer allen Beschwernissen der irdischen Welt (zeitlicher Ablauf, Kausalität, Räumlichkeit etc.) und macht ihn zudem zu einem despotischen Kontrollfreak, der mehr mit einem Maschinenwärter gemein hat, als mit einem liebenden Gott dessen Schöpfungsmacht alles übersteigt. Gott kann sich freilich, aus Liebe, willentlich diesen Beschwernissen unterwerfen (hat er ja auch getan: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt"), jedoch wird im kreationistischen Denken Gott von diesen unterworfen: Ein Organismus, nehmen wir mal ein Bakterium, gelangt in eine Umgebung, in der es sinnvoll wäre, sich schnell fortbewegen zu können, um nicht gefressen zu werden... also muss der Maschinenwart ran und dem Bakterium ein Flaggelum montieren. (Alternativ: Das Bakterium stirbt aus, weil es kein Flaggelum hat, Gott muss ein neues erschaffen, diesmal mit Flagellum.)

Kreationisten haben, so gesehen, ein äußerst infantiles Gottesbild: nach ihrer Ansicht muss Gott ständig an seiner eigenen Schöpfung rumjustieren und sie beeinflussen, wird also von innergeschöpflichen Prozessen quasi dazu genötigt, immer wieder etwas zu tun, zu ändern, so als müsste er einen übers Ufer getretenen Fluss kanalisieren. Wenn die Schöpfung Gottes den Menschen in seiner Biologie nicht "aus sich selbst" (per Evolution) hervorbringen kann (hat Gott das System also von Anfang an eher mangelhaft geschaffen), muss Gott, da wir wissen, dass Evolution Fakt ist und wir Teil davon sind, also lenkend in das freie werden der Welt eingreifen um am Ende doch noch einen Menschen zu erhalten. Intelligent Design sagt in seiner Essenz nichts weiter aus, als dass Gott den Prozess, den er selbst aus inniger Liebe in seiner Ganzheitlichkeit geschaffen hat, steuern und bedienen muss, da dieser sonst nicht das gewünschte Ergebnis erbringen könnte/würde: z.B. Gezielte Mutationen.

Es ist eine kalte Logik der Funktionalität und Mechanisierung und ihre Vertreter unterwerfen Gott einer naturalistischen Notwendigkeit! Dafür fällt mir nur ein Wort ein: erbärmlich! Was für ein erbärmlicher Gott, dass er seine Schöpfung zwingen und mechanisch-physisch (kausal) manipulieren muss, um seinen Willen zu bekommen.

Die Vertreter dieser Ansicht preferieren es, einen Euphemismus wie "Anleitung" zu gebrauchen, Gott "leite" die Schöpfung an oder hege sie wie einen Garten. Das ist eigentlich ein Kategorienfehler: Der Garten wurde nicht vom Gärtner mit ewigem vorauswissen geschaffen, sondern aus bestehendem "komponiert". Wäre Gott also gar kein Schöpfer, sondern nur Sachwalter? Hat er die Schöpfung also vorgefunden und geht nurmehr damit um? Ist er also gar kein Schöpfer? Außerdem kann ein Garten sich auch ohne menschliches Eingreifen entwickeln und viel Schönes hervorbringen (ich empfehle einen Besuch im Wald). ID spricht diesem Garten aber gänzlich die Fähigkeit ab, aus sich heraus, in seiner eigenen Freiheit im Werden, irgendetwas sinnvolles hervorzubringen.

Und es ändert an der Sache wenig: Wenn der Mensch das einzige Geschöpf ist, das "Schöpfungspartner" Gottes ist, d.h. dieses sich Gott hingeben kann, sich seiner überhaupt, als einziges Geschöpf, bewusst ist, dann kann Gott auch nur diesen "an die Hand nehmen", nämlich dann, wenn dieser Mensch dazu sein "Ja" gibt. Der Mensch hat gegenüber Gott eine "Größe" die ihn von der gesamten Schöpfung abhebt und in relative Nähe zu Gott stellt (vgl. Ps 8,6). Nur darum ist er würdig, mit Gott einen Bund zu schließen. Gott nimmt sein Geschöpf Mensch nur dann an die Hand und führt/leitet es (vgl. Bündnisschluss), wenn dieses es auch zulässt und einwilligt (Willensfreiheit). Die Natur (alles davon, was nicht Mensch ist), kann sich aber nicht bewusst für Gott entscheiden, somit wird Gott sie auch nicht in ihrer freien Entscheidung an die Hand nehmen. Ein "Anleiten" der restlichen Schöpfung wäre kein liebender Akt in gegenseitigem Einvernehmen, sondern Zwang: Manipulation. Es wäre eine "Bedienen" der Schöpfung. Die Welt als Kasperletheater. Oder: Gott als störrisches Kind, das solange manipuliert bis es seinen Willen hat.

Damit ist freilich nicht Gottes schöpferisches Wirken bloß auf das allursächliche erste Aufglimmen beschränkt. Ich bestreite nicht eine creatio continua, also das fortwährende schöpferische Handeln Gottes an seiner Schöpfung und überhaupt die Tatsache, dass er sie zur Gänze im Dasein hält. Dem widerspricht ja schon die Bibel, die vom ersten bis zum letzten Buch immer wieder von "(Neu)Schöpfung" spricht. Es soll damit lediglich ausgesagt werden, dass Gottes Schöpferwirken nicht im Manipulieren einzelner Aspekte und Details der Natur zu finden ist (z.B. das Basteln eines Flagellums... das dann schlimme Krankheitserreger befähigt, uns Menschen zu quälen). Was die Kreationisten behaupten und wogegen ich mich wende, ist ein ständiges kausales Eingreifen Gottes in Naturprozesse! Wenn dem so wäre, hätten diejenigen die sich mit der Theodizee befassen ein ernstes Problem: Wenn Gott die ganze Zeit lenkend und konkret formend und gestaltend in allerlei Prozesse eingreift (wir das merkwürdigerweise aber nicht sehen und überprüfen können): Warum gestaltet er dann lauter Bakterien, Pilze, Viren und Parasiten bzw. lässt sie sich frei entfalten? Ganz zu schweigen von Naturkatastrophen, die ja auch großen Einfluss auf die Entwicklung des Lebens haben (siehe Massenaussterben etc.). Was ist mit genetischen Defekten die unsägliches Leid verursachen, wenn doch Gott ständig an der DNA von allerlei Lebewesen rumbastelt? Wenn Gott kontinuierlich die Physis manipuliert, warum lässt er dann so viel Schreckliches zu? Oder ist er hier sogar der eigentliche Akteur?

Greift Gott hingegen nicht ständig manipulierend ein, ist die Existenz solcher Wirklichkeitsaspekte völlig plausibel, denn sie gehören zum Weltganzen dazu. Beispiel Erdbeben: Sie sind Teil jener geologischen Prozesse, die Leben auf der Erde überhaupt erst ermöglichen (Stichworte sind z.B.: Plattentektonik und Kohlenstoffkreislauf) und ohne sie gäbe es ein ökologisches Chaos (und vermutlich ein ähnliches Schicksal des Planeten, wie es der Mars vor Urzeiten erlebt hat). In der Natur gibt es kein Gut und Böse: Die Explosion eines Sterns vernichtet alles Leben in einem großen Umkreis... doch gäbe es nie Sternenexplosionen, gäbe es nie Elemente jenseits von Eisen (siehe PSE), da diese bei solchen Explosionen gebildet werden. Unser Sonnenssystem besteht "in zweiter Generatiuon": Weil ein Stern explodierte und sich aus der entstandenen Gaswolke ein neuer Stern und die Planeten bildeten, gibt es uns! Lange Rede, kurzer Sinn: Dinge die wir als schädlich oder gar tödlich empfinden und erfahren, gehören ebenso zum Lauf der Welt.

Wirkt Gott also nicht in der (geologischen, biologischen etc.) Welt?
Doch, natürlich! Aber nicht in einem kausalen Sinne, wie es Kreationisten aller Couleur (inkl. ID) behaupten!


»Groß bist du, o Herr, und deines Lobes ist kein Ende; groß ist die Fülle deiner Kraft, und deine Weisheit ist unermesslich. Und loben will dich der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung; der Mensch, der sich unter der Last der Sterblichkeit beugt, dem Zeugnis seiner Sünde, einem Zeugnis, dass du den Hoffärtigen widerstehest; und doch will dich loben der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung. Du schaffest, dass er mit Freuden dich preise, denn zu deinem Eigentum erschufst du uns, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir.« (Augustinus, Confessiones)

Sonntag, 10. Februar 2013

Spezifizierte Komplexität

Es ist wieder an der Zeit für etwas Kreationistenbashing und Aufklärung!

Nach der "nichtreduzierbaren Komplexität" (siehe hier und hier) ist die "spezifizierte Komplexität" das zweite große Argument von Intelligent Design-Vertretern. Es stammt von William Dembski, einem der führenden ID Vertreter (übrigens kein Biologe, sondern Mathematiker).
Dembski behauptet, in der Natur gäbe es zahlreiche Beispiele von, wie er es nennt, "spezifisch komplexer Information". Was ist das? Ein bekanntes Beispiel: Der Buchstabe A ist spezifisch, aber er ist nicht unbedingt komplex. Die Buchstabenfolge "ajykqzt" ist komplex, aber nicht unbedingt spezifisch. Ein Stück von Shakespeare jedoch, ist sowohl komplex als auch spezifisch. Er nennt dies dann "complex specified information", kurz "CSI" (nicht zu verwechseln mit jener Fernsehserie, die nur mit der Kombination von Willam Petersen und Jorja Fox gut war). Diese CSI ist laut Dembski an Anzeichen für "Design", denn er sagt, nur eine Intelligenz, könne ein Shakespearestück schreiben.

Der wichtigste Ansatzpunkt ist für Dembski natürlich die DNA: Eine spezifische Abfolge von vier Basen die komplementär gepaart sind. Man kann sie sich als Buchstaben vorstellen. Gene entsprächen dann Wörtern, die der Zelle sagen, welche Proteine sie herstellen soll (an dieser Stelle sei nochmal angemerkt, dass Dembski Mathematiker ist, kein Biologe). Die menschliche DNA besitzt 3 Milliarden Basenpaare und trägt etwa 25.000 Gene, ist also Komplex. Dass Menschen immer Menschen zu Welt bringen und nicht etwa Schimpansen oder Katzen, ist laut Dembski ein Indiz dafür, dass sie spezifisch ist. Dass es CSI in der Natur gibt, ist laut Dembski ein Beleg für Design, denn eine Intelligenz sei nötig, um CSI hervorzubringen.

Dieses Argument, kann man testen.

Wenn Dembski recht hat, dann wäre es unmöglich, dass ein neues Gen mit neuer Information im Genom eines Organismus auftaucht, es sei denn, ein "Designer" ist daran beteiligt, der dieses Gen "schreibt".

Eine kleine Geschichte: 1975 haben Forscher nahe einer Nylonfabrik in Japan eine Bakterienspezies entdeckt, die Nylon verdauen kann (und zwar eines der Gattung der Flavobakterien). Das Interessante daran: Nylon ist ein Kunststoff und wurde erst vor ca. 70 Jahren erfunden und existierte vorher schlichtweg nicht. Es ist zudem völlig synthetisch und eigentlich unverdaulich für Bakterien. Irgendwo zwischen der Entwicklung von Nylon und der Entdeckung des Bakteriums, muss also ein Bakterienstamm mutiert sein und die sogenannte "Nylonase", mit der sie das Nylon verdauen, entwickelt haben. 

Einige Wissenschaftler wollten dies im Labor mal mit anderen Bakterien (Pseudomonas aeruginosa) ausprobieren und setzten diese in eine Nylonhaltige Umgebung. Sie entwickelten nach einiger Zeit ebenfalls die Fähigkeit, Nylon zu verdauen, verwendete dafür jedoch ganz andere Enzyme (sprich: die Mutationen geschahen an ganz anderen orten im Genom). Und so kann jetzt auch dieses P. aeruginosa Nylon verdauen.

Es gibt nun drei Möglichkeiten, wieso dieses Bakterium das kann:
1. Die Information, Nylon zu verdauen, war schon immer in dem Bakterium enthalten (also vom Designer zu Beginn "eingeschrieben").
2. Der Designer gab dem Bakterium diese Fähigkeit, als es in eine nylonhaltigen Umgebung kam (die Forscher hätten dann also den Designer dazu gebracht, hier einzugreifen).

3. Die Nylonase hat sich auf natürliche Weise per Mutation entwickelt und, weil es einen Vorteil (in einer nylonhaltigen Umgebung) darstellte, war ediese Eigenschaft erfolgreich und wurde weitervererbt: Evolution.

Welche dieser Möglichkeiten die „vernünftigere“ ist, sieht man sofort. Spielen wir doch mal die beiden anderen durch: Wäre das Nylonasegen schon immer im Genom gewesen, müsste man sich fragen, was diese Bakterienspezies die 3,5 Milliarden Jahre getan hat, in denen es noch kein Nylon gab. Die Antwort wäre vermutlich die folgende: Verhungern. Zumindest wäre es aber eine nutzlose, energieverschwendende Eigenschaft gewesen, ständig Enzyme zu produzieren, die zu nichts zu gebrauchen sind... [Achja: Ist jemandem der irrsinnige Fehler dieser Möglichkeit aufgefallen? Hier wird impliziert, dass es diese spezielle Bakterienspezies seit Beginn der Welt gab... etwas wovon wir wissen, dass es nicht möglich ist...] Übrigens taugt diese Möglichkeit zu nichts, denn das ganze Experiment lief ja unter kontrollierten Bedingungen ab... die Forscher haben ja noch die  Ursprungspopulation der Bakterien und können nachschauen...: die haben diese Eigenschaft definitiv nicht!


Hätte der Designer dem Bakterium diese Fähigkeit erst später verliehen, müssten wir uns fragen, wieso er irgendeinem Bakterium das (mal zufällig, mal von Forschern platziert) in eine nylonhaltige Umgebung kommt, plötzlich diese Fähigkeit gibt... und auf welche Weise er dies tut. Der Gegenstand der Frage wäre nun der Designer selbst, über den wir aber leider keinerlei Aussagen machen können... Auch diese Möglichkeit ist aber zu nichts nutze, denn die Forscher haben regelmäßig Stichproben genommen und sie WISSEN, dass diese Eigenschaft über viele viele Generationen hinweig durch zufällige Mutationen entstand und nach und nach verbessert wurde. Die Mutationen geschahen ja nicht "gezielt", sondern, ihrer Natur gemäß, zufällig... Ist der Zufall also nur der Künstlername des "Designers"? Aber wozu braucht es dann überhaupt noch diese Idee von einem "Designer"?

Übrigns: das Nylonaseenzym arbeitet nicht so effektiv wie das Vorgängerenzym, aus dem es sich vermutlich entwickelt hat (da es aber in der nylonhaltigen Umgebung dennoch einen Vorteil bedeutet, war es erfolgreich), also wurde es, wenn designt, ziemlich unintelligent designt...

Was bleibt? Naja: Das was die Forscher beobachtet haben...: Evolution in Aktion!


Übrigens ist Dembskis Vergleich der DNA mit Shakespeare ziemlicher Nonsens: Eine Sprache (z.B. das Englisch Shakespeares) ist schwerlich mit DNA vergleichbar... das Wort "Sofa" z.B. beschreibt eine bestimmte Sorte von Gegenständen, wie auch bestimmte Einzelexemplare (s.Bild). Aber das Wort an sich hat nichts an sich was es mit dem Gegenstand "wirk-lich" verbindet. Das Wort kann beliebig mit anderen Bedeutungen belegt oder ersetzt werden, ohne dass sich irgendetwas ändert: Wenn ich plötzlich anfange die Blume, die Vicco (R.I.P.) in der Hand hält als "Sofa" zu bezeichnen (und umgekehrt) und ich andere dazu bringe, dies auch zu tun, dann würde sich nichts in der Welt ändern, die Verknüpfung zwischen Wort und Gegenstand ist dann auch nicht "mehr" oder "weniger" sinnvoll. Eine menschliche Sprache kann das.
Wenn ich aber an der DNA (und der dortigen Abfolge von "Buchstaben") und also am Genotyp eines Organismus etwas ändere, dann ändert sich die Wirklichkeit! Denn es ist eben jene spezifische Abfolge von Basen die bestimmt, welches Protein am Ende produziert wird... ändere ich die Basen, ändere ich das Protein und seine Funktion und so den Phänotyp des Organismus. Hier sind chemische Prozesse am Werk und also besteht eine reale, physische!, Verknüpfung zwischen dem angeblichen "Wort" (DNA) und dem Gegenstand, dem Protein.
Der vergleich der Wesenheit der DNA mit der von Literatur ist in etwa so Sinnvoll, wie der Vergleich der Wirkweise von Olivenöl beim Braten mit der einer Bärenfalle.

Samstag, 29. Dezember 2012

Ist es "designt"?

Marc Chagall - Der Spaziergang (1917)
Beim letzten Mal habe ich in dieser kleinen Serie gezeigt, dass Intelligent Design nichts anderes ist als handelsüblicher Kreationismus, da die Behauptungen die gleichen sind, nur weniger offensichtlich: Hier wie dort wird eine creatio ex nihilo einzelner Naturelemente behauptet, welche naturwissenschaftlich widerlegt ist, da wir wissen wie "nichtreduzierbar komplexe" Systeme entstehen und wir für die vorgeblichen Beispiele solcher Komplexität (weniger "komplexe") funktionierende Vorgänger- und Subsysteme in der Natur finden. Nichtreduzierbare Komplexität, die in der (tatsächlich wissenschaftlichen) Biologie ein System in seinem gegenwärtigen Zustand beschreibt und keine Aussagen über seine Entstehung beinhaltet, gehört überdies sogar zu den Vorhersagen einer Evolutionstheorie der natürlichen Auslese.
Nachdem nun also ID als naturwissenshaftlicher Nonsens entlarvt ist, möchte ich mich diesmal mit den philosophischen Schwierigkeiten des Konzepts befassen.


Die zentrale Aussage, die ein Verfechter des Intelliegnt Design über das Objekt seiner Untersuchungen trifft lautet: Es sieht "designt" aus. (Also wurde es design. Von einem Designer.)
Diese Aussage ist in höchstem maße bedenklich.
Warum ist es so falsch zu sagen, etwas sehe „intelligent designt“ aus und daraus zu folgern, dass es auch intelligent designt wurde? 
Weil dem die Annahme zugrunde liegt, ein intelligentes Etwas müsse es designt haben! Das was bewiesen werden soll, muss für das Argument bereits vorrausgesetzt werden; die Schlussfolgerung wird an den Anfang der Überlegung gestellt!
 

Beispiel: 
Kreationisten sagen: "If there is a creation, there has to be a creator!"
ID Vertreter sagen: "If there is design, there has to be a designer!" Fällt was auf (abgesehen davon, dass "design" und "creation" beliebig austauschbar sind)?

Wie stelle ich eine Frage an ein Phänomen, das ich mittels Naturwissenschaft ergründen will?

Wenn die Prämisse lautet: "Hier haben wir eine Schöpfung", ist die Frage "Wo kommt sie her?" umgehend beantwortet: "...von einem Schöpfer".
Wenn die Prämisse lautet: "Hier haben wir Design", ist die Frage "Wo kommt es her?" auch umgehend beantwortet: "...von einem Designer".
Wenn die Prämisse lautet: "Hier haben wir einen echten Chagall", ist die Frage "Wo kommt er her?" wiederum umgehend beantwortet: "...von Marc Chagall".


Dies ist keine wissenschaftlich Fragestellung, weil das Gesuchte bereits in der Prämisse steckt. Schöpfung ist per Definition etwas Geschöpftes (Geschaffenes), Design ist per Definition etwas Designtes und Chagalls Ölgemälde sind per Definition von Marc Chagall gemalt.


Manchmal verschärfen diese Leute die Falschheit ihrer "Forschung" noch, indem sie ganz konkret fragen "Who created/designed it?". Offensichtlicher kann man eine Schlussfolgerung garnicht in die Frage packen: hier wird als Verursachendes sogar eine Personalität vorrausgesetzt, etwas das kein Naturwissenschaftler je tun würde, sucht er doch nach natürlichen Ursachen (für natürliche Phänomene)! Solch eine Fragestellung schränkt nämlich automatisch das Feld der möglichen Antworten dramatisch ein: es bleibt faktisch nur eine Antwort übrig... "God did it!"

Der Naturwissenschaftler fragt indes so: "Hier haben wir etwas: wie kam es dazu, was ist der Grund dafür?" Jetzt kann das Forschen losgehen. Diese Frage enthält keinerlei fragwürdige Prämissen und nimmt keine mögliche Schlussfolgerung vorweg.
 

Es sei angemerkt, dass die Aussage "es sieht designt aus" nicht das eigentliche Problem ist, denn das denken die meisten Biologen bei vielen Dingen auch. Jedoch wird dieses Attribut von Naturwissenschaftlern erst nach dem Frageprozess gegebenenfalls angewendet, um zu verdeutlichen wie gut beispielsweise die Füße des Kamels an das Laufen auf lockerem Sandboden angepasst sind (sie sind sehr breit, nach dem selben Prinzip wie Schneeschuhe). Diese Konstatierung, hier läge "ein ausgefeiltes Design (der Evolution)" vor, ist aber eher ein Ausdruck von Bewunderung gegenüber dem aktuellen (gut angepassten, funktionalen oder schönen) Zustand und keine Aussage über die Entstehung. Die Frage ist zudem, was damit gemeint ist: heißt das, etwas ist gut geeignet für seine Funktion, etwa die Hände zum greifen? Die meisten Biologen sprechen eben auch von "Design", und sie meinen eines "von unten": ein natürlicher Prozess (der zuvor erforscht wurde) der eine Anpassung an die jeweiligen Notwendigkeiten in der Weise einer Entwicklung bewirkt, namentlich: Evolution. Ist der Prozess erforscht der dafür verantwortlich ist, wird zuweilen das Attribut "Design" angewendet; nicht vorher! Somit fällt auch ein möglicher "Designer" aus dem Feld, denn der Entstehungsprozess wurde, wie gesagt, vorher erforscht.

Der Fehler der Kreationisten ist, das "Angepasstsein" biologischer Strukturen (was, wie schon oft wiederholt, eine Naturnotwendigkeit alles Lebendigen ist) zu anthropomorphisieren: Sie sagen, dass wir Menschen ja ständig Gegenstände (z.B. Werkzeuge) "intelligent designen" um bestimmte Zwecke zu erfüllen, somit muss das "Design" in der Natur gleichfalls von einer Intelligenz entworfen/ausgeführt worden sein. 

Hier kommt Ockhams Rasiermesser zum Zuge: was ist plausibler: dass ein natürlicher Prozess der Veränderung und Selektion, dessen Funktionsweise wir beobachten, verstehen und testen können und dessen Kenntnis uns bereits viele Vorhersagen machen lässt um so beispielsweise Krankheiten zu behandeln, durch graduelle Anpassung an konkrete Bedingungen und Anforderungen eine hohe Funktionalität von bestimmtes Strukturen hervorbringt; oder, dass eine nicht näher bekannte, per Definition nicht ergründbare (weil übernatürliche) "Intelligenz" auf eine nicht bekannte Art und Weise auf unbekannter Ebene irgendwie in die natürlichen Prozesse eingreift um irgendetwas zu tun (und dies zu wiederholen, sobald sich die Umweltbedingungen und Anforderungen ändern; was sie de facto ständig tun)? Die Behauptung der Kreationisten ist, mit einem Wort, außergewöhnlich. Außergewöhnliche Behauptungen benötigen nun aber auch außergewöhnliche Belege... diese fehlen jedoch völlig.

Dass wir Menschen Werkzeuge für bestimmte Funktionen "designen", wissen wir, weil wir diesen Vorgang beobachten und sogar selbst erlernen können! Eine Intelligenz, die mächtig genug ist, ein ganzes Universum zu erschaffen, haben wir bisher noch nicht bei ihrem Tun beobachtet und wir haben auch keine Möglichkeit, dieses Handwerk zu erlernen.
Oder anders: Es wird oft mit einem simplen suggestiven Trick versucht, leute für die Idee des ID zu gewinnen: Wenn du ein Auto siehst oder eine Uhr am Strand findest oder ein Gemälde im Wald hängen siehst, dann denkst du doch auch nicht, dass es "natürlich entstanden" ist, sondern du weißt instinktiv, dass hier ein Designer (in dem fall ein Mensch) am Werk war. Nun schau dir mal dieses komplexe Flagellum an!
Und an sich ist diese Aussage richtig. Wir wissen, dass Autos, Uhren und Gemälde von einer "Intelligenz", einem Handwerker oder Maler hergestellt werden, weil, nochmal, wir diese Prozesse beobachten können und wir sogar selbst Autos, Uhren und Gemälde herstellen können!
Von diesem offensichtlichen Faktum abgesehen, fehlen allen diesen Beispielen jedoch auch alle Eigenschaften, die es biologischen Organismen erlauben, sich im Laufe der Zeit zu entwickeln: Weder Autos, noch Uhren, noch Gemälde sind lebendig. Sie haben keine Gene die Veränderungen unterliegen, sie reproduzieren sich nicht und rekombinieren nicht ihr Erbmaterial... in einem Wort: Sie erfahren keine Evolution. Hier liegt ein fundamenatler Kategorienfehler vor.


Was ist eigentlich "Design"?
Nun wird ja oft die "nichtreduzierbare Komplexität" als "Designargument" vorgebracht. Warum eigentlich? Warum sollen ausgerechnet diese komplexen Strukturen an Hinweis auf "intelligentes Design" sein?
Denkt man das mal durch, fällt etwas erstaunliches auf: Komplexität ist eigentlich gar kein Indiz für Design. Im Gegenteil: große Komplexität ist oftmals gerade kein Ziel von Design. Eine gute Maschine ist die, die möglichst wenige komplexe (störanfällige!) Mechanismen enthält, die also möglichst simpel einen Zweck erfüllen kann. Sind also vielleicht gerade die weniger komplexen Strukturen ein Anzeichen für Design? Wieso nicht? Jeder kennt doch die "Designermöbel" die so unglaublich schlicht und klinisch daherkommen. Ist ein Hocker nur ein einfacher weißer Würfel, nennt man das Design.
Was ist Design?
Alles kann Design sein! Jede Struktur, sei sie simpel oder komplex oder irgendwas dazwischen, kann Design sein... Warum sollte irgendetwas kein Design sein? Hat der Designer nur bestimmte Strukturen bis zu einem vorher festgelegten Komplexitätsgrad "designt" und die übrigen nicht? Woher kommen diese dann? Welcher Grad an Komplexität ist die Grenze? Warum? Ist alles Design? Ist nichts Design?
Tatsächlich ist die Behauptung von intelligentem Design eine Antwort auf alles und nichts. Von allem ließe sich behaupten, dass es designt sei... und jedesmal ist der erklärende Gehalt exakt 0 (ausgeschrieben: Null).
Das gesamte Konzept von "Intelligent Design" erklärt nichts. Nada. Zip. Zero. Zilch. Rien. Nothing.

"Design" ist eine Projektion. Es ist eine "Wertung", ein Urteil, ein Gefühl, ein Eindruck.
Unser Gehirn verfügt über Fähigkeiten zur Mustererkennung. Darum suchen wir Menschen instinktiv nach Mustern und Zusammenhängen in der Natur. Das ist sehr wichtig um z.B. bei der Jagd zu wissen, wie die Beute reagiert, um unsere Artgenossen zu erkennen oder um zu Wissen, wie man ein Tier am besten erlegen und zerteilen kann. Wir suchen Muster in der Welt um in ihr zurecht zu kommen; jedoch ist nicht jedes Muster tatsächlich objektiv vorhanden, geschweige denn "absichtlich platziert". In manchen Phänomenen finden wir Muster, in manchen nicht (z.B. weil es zu komplex ist). Ein gutes Beispiel sind die Sterne: was wir als Sternbilder kennen, existiert nicht... es sind Sterne die, von der Erde aus betrachtet!, mit viel Phantasie als Eckpunkte für Kreaturen und Gegenstände imaginiert werden... mit zufällig platzierten Punkten auf einem Blatt Papier kann man das gleiche Spielchen machen.

Einem Phänomen oder einer Struktur "Design" zuzusprechen ist ein Urteil. Es ist aber ein Urteil das immer von Subjekten kommt und immer subjektiv bleiben muss. In seiner "Kritik der Urteilskraft" befasst sich Immanuel Kant im Grunde genau mit diesem Problem und er erteilt den Intelligent Design-Vertretern eine schallende Absage: Alleine schon das Urteil, etwas sei zweckmäßig (z.B. das Auge) ist nicht objektiv. Es ist vielmehr ein subjektives Urteil, das keinerlei Anspruich auf Obejtktivität besitzt. Die Aussage, etwas sei "designt", ist noch weit abgehobener und hat demnach nichts mit der Wirklichkeit zutun (denn, siehe oben: was ist Design? Woran erkennt man es?), sondern ist nur ein subjektives Urteil, bestenfalls ein Ergebnis von Mustererkennung.

Subjektive Urteile mögen im Nachhinein zum Ausdruck gebracht werden (s.o.), aber sie helfen nicht bei der naturwissenschaftlichen Erforschung und sie können erst recht nicht als Prämisse fungieren.

Samstag, 24. November 2012

Intelligentes Design?

Lang lang ist's her. Weiter gehts mit dieser kleinen Serie über Evolution und Kreationismus. Beim letzten Mal (hier) habe ich versucht zu zeigen, dass Intelligent Design (ID) sozusagen "genetisch" nichts anderes ist als Kreationismus. Diesmal will ich das konkret beweisen.

Das Steckenpferd von Intelligent Design ist die so genannte "nichtreduzierbare Komplexität" (NK). Die Definition für NK vom Schöpfer des Konzepts (zumindest sieht er sich selbst als dieser), Michael Behe, lautet: »A single system which is composed of several interacting parts that contribute to the basic function, and where the removal of any one of the parts causes the system to effectively cease functioning.« (Behe, Darwins Black Box, 1996a, 9) Behe ist ein durchaus verdienter Biologe der viele (nicht ID relevante) peer-reviewte Veröffentlichungen vorzuweisen hat. Hier geriet er aber auf Abwege. Nicht ohne Grund hat es nie eine ID relevante Arbeit das peer-review überlebt.
Anyway: Ein nichtreduzierbar komplexes System ist also ein System, das, so Behe, nicht durch graduelle Entwicklung zustande gekommen sein kann, weil alle Teile notwendig sind, damit es eine Funktion erfüllt. Dies, so Behe, sei ein Hinweis auf „intelligentes Design“.

Dieses Konzept hat, im Gegensatz zu nahezu allen anderen kreationistischen Argumenten, einen Vorteil: es kann getestet werden. Ganz besonders stolz ist Behe übrigens über das bakterielle Flagellum.
Hier ist eine Video mit einer sehr guten Widerlegung des Arguments, worin gezeigt wird, wie und dass nk Systeme durch Evolution entstehen und dass wir viele "reduzierte" Varianten vieler als nichtreduzierbar komplex bezeichneter Systeme in der Natur finden, womit das Argument restlos widerlegt ist.
Ein Beispiel das im Video nicht vorkommt, ist die Blutgerinnung: Behe beschreibt an einer Stelle die Blutgerinnung, wie sie bei uns funktioniert mit den verschiedenen beteiligten Faktoren der Reaktionskaskade und konstatiert dann: »... none of the cascade proteins are used for anything except controlling the formation of a clot. Yet in the absence of any of the components, blood does not clot, and the system fails.« (Behe 84-86)
Und er hat recht: Wenn in dieser Kaskade bei uns ein Faktor "fehlen" würde, würde es nicht funktionieren. Schade nur für Herrn Behe, dass dem Delphin ein bestimmter Faktor (XII) fehlt, sein Blut aber dennoch gerinnt. Es gibt außerdem noch andere Beispiele für fehlende "Teile" bei der Blutgerinnung anderer Tiere.


Die Sache ist die: "nichtreduzierbar komplex“ bezeichnet ein System in seinem gegenwärtigen Zustand, nicht dessen Entstehung! Es sagt überhaupt nichts über die Entstehung aus. Genau hier liegt Behes fataler Fehler (siehe Video). 
Dass man bei manchen System keine Teile entfernen kann, ohne die (gegenwärtige) Funktion zu gefährden ist eigentlich trivial und bedeutet nicht, dass sich das System nicht durch natürlich Prozesse hätten entwickeln können. Nach dieser Logik wäre Brückenbau unmöglich, weil durch das Entfernen einer Stütze die Brücke einstürzt.
Für jede Struktur, die von Intelligent Design Vertretern als „nichtreduzierbar komplex“ und darum als Indiz für "Design" vorgebracht wurde, haben Wissenschaftler plausible, Fakten gestützte Szenarien vorgelegt, wie es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit entwickelt hat. Bei den meisten, wie etwa beim Auge, finden wir sogar zahlreiche "reduzierte" Vorstufen noch heute quietschfidel in der Natur. 
Man kann sogar sagen, dass im Grunde genommen die meisten Systeme in der belebten Natur "nichtreduzierbar komplex" sind: Viele Tiere besitzen eine Leber. Nimmt man diese Leber heraus, stirbt das Tier. Es gibt aber zahlreiche einfachere Lebensformen die keine Leber besitzen (Seeigel, Ringelwürmer u.v.m.). Es gab also eine Zeit, in der sich Lebern entwickelt haben und jetzt sind sie unverzichtbar geworden; die Tiere mit Leber sind mit dieser also gewissermaßen „nichtreduzierbar komplex“ ausgestattet. Das gleiche trifft auf unzählige Zusammenhänge in lebenden Organismen zu, ja sogar auf ganze Ökosysteme!


Jetzt kommt noch etwas sehr Interessantes: Bereits vor über 90 Jahren, also fast noch in der Frühzeit der Evolutionsbiologie, hat der Biologe Hermann Muller geschrieben, nichtreduzierbar komplexe Systeme seien eine Konsequenz der Evolution und sind zu erwarten, wenn Evolution tatsächlich stattfindet. 
Er schreibt in einem Aufsatz von 1918: »Being thus finally woven, as it were, into the most intimate fabric of the organism, the once novel character can no longer be withdrawn with impunity, and may have become vitally necessary.« (Auf dieser Website wird erklärt, wie es geht. Es ist ein Zweischritt: Füge ein Teil hinzu und mach es unentbehrlich; fertig ist ein "nichtreduzierbar komplexes System"... es ist wirklich so einfach!)
Muller beschreibt es so:  »Most present-day animals are the result of a long process of evolution, in which at least thousands of mutations must have taken place. Each new mutant [...] must have derived its survival value from the effect which is produced upon the 'reacting system' that had been brought into being by the many previously formed factors in cooperation; thus a complicated machine was gradually built up whose effective working was dependent upon the interlocking action of very numerous different elementary parts or factors and many of the characters and factors which, when new, were originally merely an asset finally became necessary becouse other necessary characters and factors had subsequently become changed so as to be dependent on the former. It must result in consequence, that a dropping out of, or even a slight change in any one of these parts is very likely to disturb fatally the whole machinery.« (Quelle)
Nichtreduzierbare Komplexität (Muller nennt es "Interlocking Complexity" und beschreibt es damit sehr viel genauer) wird von der Evolutionstheorie (bereits in ihren frühen Jahren) postuliert. Findet man solche Systeme wie das Immunsystem oder das Flagellum, ist das ein Beleg für Evolution, nicht dagegen!
Mullers Thesen wurden seither von der Molekularbiologie und Genetik (die es damals noch kaum oder garnicht gab) voll bestätigt.


Jetzt muss ich bezüglich der nichtreduzierbaren Komplexität als Theologe noch Folgendes erwähnen:
Da sich Intelligent Design Vertreter mit ihrer NK so krampfhaft an ihr Flagellum klammern, stehen sie einem ernsthaften theologischen Problem gegenüber: Wenn Gott das Flagellum ganz konkret und speziell für seine Funktion "designt" hat, ist Gott somit auch direkt für zahlreiche schlimme Krankheiten verantwortlich. Es stellt sich die Frage nach seiner Motivation, so ein Flagellum zu "designen", und ob das wirklich ein Grund wäre, um dann an einen "wohlwollenden und liebenden Gott" zu glauben. In meiner Wahrnehmung wäre das nicht gerade ein Akt der Liebe, dass Gott so vielen Bakterien das Überleben z.B. in unserem Körper dadurch ermöglicht, dass er ihnen Flagella gibt. 
Was ich meine: In der westlichen Welt sind Typhus und Cholera vielleicht nicht mehr so aktuell, anderswo aber doch. Nun sind dummerweise Sowohl Salmonellen (Salmonella enterica Serovar typhi) als auch die Choleraerreger Vibrio Cholerae begeißelte Bakterien. Wie danke ich dem "lieben Gott" dafür? Weitere mit Liebe designte Bakterien wären dann beispielsweise die nicht selten tödlichen Clostridien, die z.B. für Gasbrand (eine Art innerer Vergiftung), Botulismus (Lebensmittelvergiftung) und Tetanus verantwortlich sind... oder Listerien, die für ein ganze Reihe liebender Zuwendungen verantwortlich sind (Enzündungen von Knochen, Herzklappen, Horn- Binde und Hirnhaut, Gelenken etc. und ist zuweilen auch für Fehlgeburten verantwortlich). Diese Aufzählung könnte man beliebig fortführen. Alle diese kleinen Kerlchen sind gerade darum so effektiv, weil sie über Geißen (Flagella) verfügen. Na Prosit liebe Intelligent Design Vertreter, dieser "Designer" meint es echt gut mit uns!


Kommen wir aber mal wieder auf den Teppich: Meine Intention war ja nicht, NK zu widerlegen (das hat schon vor Jahren Michael Behe selbst getan: hier; sehr lesenswert! -  was die Intelligent Design Vertreter, und auch Behe selbst, aber nicht davon abhält, es weiter als "Argument" zu verwenden...). Was ich eigentlich hier tun wollte war: zu beweisen, dass Intelligent Design Kreationismus ist. Nundenn, Vorhang auf: 


Das Argument war doch Folgendes: "Das Flagellum kann sich nicht graduell entwickelt haben, denn es ist so komplex. Darum muss es 'designt' worden sein". Ok. Was impliziert diese Behauptung? Es impliziert Kreationismus in seiner schönsten Blüte!

Folgendes: Wenn es sich nicht graduell entwickeln konnte (weil es angeblich erst funktioniert, wenn es "komplett" ist), bedeutet das doch logischerweise auch, dass es nicht graduell "designt" worden sein kann. Logisch. 
Das heißt aber: Es muss also auf einen Schlag "gemacht" (geschaffen?) worden sein. Ok. Was passiert, wenn ich einem Bakterium das kein Flagellum besitzt, so mir nichts, dir nichts, einen Flagellummotor in die Membran pflanze und eine Geißel dranhänge? Richtig: Garnichts. Ein Flagellum ist, wie etwa der Arm beim Menschen, Teil des Organismus und ist folglich auf vielerlei Weise in diesen integriert und v.a. auch in dessen DNA "beschrieben" (sonst würde es ja nicht weiter vererbt!). Zudem muss so ein Flagellum physiologisch in die Funktion des ganzen Organismus eingebunden werden damit das Bakterium auch wirklich damit umgehen und leben kann (Verankerung, Energieversorgung, Steuerung etc.). Würde man einem Menschen einen zusätzlichen Arm an die Hüfte nähen, hätte das ungefähr den selben Effekt.
Der ganze Organismus müsste also nolens volens umgestaltet werden. Da wäre es wirklich einfacher, gleich den gesamten Organismus fix und fertig aus dem Nichts zu erschaffen. 
Letztlich ist es egal, ob man Gott (pardon: den "intelligenten Designer") nun das komplette Bakterium (oder einen anderen komplexen Organismus, z.B. den Menschen) fix und fertig aus dem Nichts ins Dasein rufen lässt (-> Kreationismus), oder Teile davon: beide Male behauptet man ein magisches Eingreifen und ein "Aus-dem-Nichts-ins-Dasein-ploppen" einer überaus komplexen Struktur (die immer den ganzen Organismus und sein Erbmaterial betrifft!). "Nichtreduzierbare Komplexität" bezeichnet also nichts anderes als "Kreationismus im kleinen Maßstab".
Q.E.D.

(Die Evolutionstheorie sagt uns hingegen, dass all diese Strukturen sich sukzessiv in den Organismen entwickelt haben. Darum sind sie eingebunden, funktionieren und nutzen ihnen. So einfach ist das.)

Montag, 15. Oktober 2012

Intelligent Design ist Kreationismus

Intelligent Design Vertreter beharren darauf, keinen Kreationismus (siehe dort) zu vertreten und zudem keineswegs theistische Implikationen zu verbreiten. Es sei reiner Zufall, dass nahezu alle ID Vertreter Christen sind.
Es gibt angeblich ein "gemäßigtes" Intelligent Design, welches vorgibt, zur Wissenschaft einen Beitrag leisten zu wollen, indem es erklärt, es gäbe zunehmend Hinweise in der Naturwissenschaft, dass all diese Komplexität ein Zeichen für eine dahinter stehende Intelligenz sei, die entweder die Evolution steuere, oder sonstwie Naturprozesse beeinflusst. Was es mit diesen Ideen auf sich hat, wird nächstes Mal Thema sein.
Gehen wir nun erstmal dem Ursprung von Intelligent Design chronologisch nach.

Man kann die führenden Intelligent Design Vertreter durch die Zeit hindurch verfolgen, denn sie haben eine interessante Namensgeschichte hinter sich: Bis 1987 nannten sie sich allesamt "Creationists". In diesem Jahr verloren sie einen Prozess vor Gericht, in dem es um das Unterrichten von Kreationismus an Schulen ging. Für kurze Zeit nannten sie sich dann "design proponents". Ab 1988, bis zu einem berühmt gewordenen Prozess in Dover im US Bundesstaat Pennsylavnia 2005 nannten sich die selben Leute „Intelligent Design proponents“. Wiederum die selben Leute verstehen sich seit 2005 (seit der zuständige Richter urteilte, dass Intelligent Design "Kreationismus unter anderem Namen" sei) "teach the controversy proponents". Zu dem Prozess von 2005 siehe hier.

Dieser Werdegang lässt sich am schönsten an der Entwicklungsgeschichte eines Lehrbuches nachzeichnen: "Of Pandas and People" (das zuweilen unterschiedliche Namen trug), dem Aushängeschild der Kreationisten das auch beim Gerichtsprozess in Dover als wichtiger Beweis diente.


Also immer schön der Reihe nach:
Anfang 1987 hieß das Buch noch "Biology and Origins" und vertrat ausdrücklich "Creationism". In diesem Jahr wurde es in "Of Pandas and People" umbenannt, war aber Inhaltlich noch das gleiche Buch. Nachdem im Jahr 1987 ein Gericht urteilte, dass Kreationismus nicht im naturwissenschaftlichen Unterricht an öffentlichen Schulen unterrichtet werden dürfe, da er religiöser Natur sei, stand in dem ansonsten inhaltsgleichen Buch in einer neuen Version (immernoch 1987) plötzlich anstelle des Wortes "Creation..." nun überall der Begriff "Intelligent Design..." (denn "Intelligent Design" zu unterrichten war ja nicht verboten worden... toller Trick!). Genau hier taucht der Begriff des "Intelligent Design" zum ersten Mal auf!

Es wurde also einfach ein Begriff durch einen anderen Ertsetzt, das Buch war aber Inhaltsgleich. Das lässt mittels eines Textauszugs aus den verschiedenen Ausgaben des Buches "Of Pandas and People" sehr schön zeigen:
»Creation means that the various forms of life began abruptly through the agency of an intelligent creator with their distinctive features already intact–fish with fins and scales, birds with feathers, beaks, and wings, etc.« (Biology and Creation 1986, FTE 3015, p. 2-10)
»Creation means that various forms of life began abruptly through the agency of an intelligent Creator with their distinctive features already intact–fish with fins and scales, birds with feathers, beaks, and wings, etc.« (Biology and Origins 1987, FTE 3235, p. 2-13)

»Creation means that various forms of life began abruptly through the agency of an intelligent Creator with their distinctive features already intact–fish with fins and scales, birds with feathers, beaks, and wings, etc.« (Of Pandas and People 1987, creationist version, FTE 4996-4997, pp. 2-14, 2-15)
 

»Intelligent design means that various forms of life began abruptly through an intelligent agency, with their distinctive features already intact–fish with fins and scales, birds with feathers, beaks, and wings, etc.« (Of Pandas and People 1987, intelligent design version, FTE 4667, p. 2-15)
 

»Intelligent design means that various forms of life began abruptly through an intelligent agency, with their distinctive features already intact – fish with fins and scales, birds with feathers, beaks, and wings, etc.« (Of Pandas and People 1989, 1st edition, published, pp. 99-100)

Man beachte das Jahr 1987, in dem "Creationism" als religiös abgeurteilt und das Unterrichten desselben somit für verfassungswidrig erklärt wurde.
Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass die aus den obigen Zitaten ersichtliche Position im Angesicht zoologischer, paläontologischer, genetischer, physiologischer, embryologischer, mikrobiologischer und weiterer Erkenntnisse ganz gewaltiger Irrsinn ist... Aber das ist der Ursprungspunkt von "Intelligent Design"!


Man sollte übrigens nicht meinen, nur weil es in den USA Debatten gab ob der Einführung von ID in die Lehrpläne von Schulen, dass es eine wissenschaftliche Initiative dazu gegeben hätte: Im Gegensatz zu Europa, wo die Lehrpläne von Wissenschaftlern (also Experten) zentral erstellt werden, werden in den USA die Lehrpläne traditionell in "school districts" auch von der Politik stark mitbestimmt. Das ist auch der Grund, weshalb die Lehrpläne in den USA von school district zu school district große Unterschiede aufweisen und weshalb nach dem berühmten "Monkey Trial" 1925 die Evolutionstheorie nichtmehr an Schulen gelehrt werden durfte und ganz Europa sich nur darüber wunderte. Erst 1958, als die Russen Sputnik ins All geschossen hatten, änderte sich das, da man merkte, dass man naturwissenschaftlich nicht auf der Höhe der Zeit war.
Wann immer solche Vorstöße getan wurden, Kreationismus/ID in die Lehrpläne zu bringen, handelte es sich um rein politische Aktionen. Es gab nie eine wissenschaftliche Basis dafür und es gibt sie bis heute nicht.
 

Es ist daher interessant, anzumerken, dass diese "Intelligent Design Bewegung" ("ID movement") überhaupt so heißt, denn eine "Bewegung" ist semantisch eher politisch zu deuten. Es gab nie eine "Evolution Bewegung", eine "Relativitätstheorie Bewegung", eine "Elektromagentismus Bewegung" oder eine "Die-Erde-kreist-um-die-Sonne Bewegung". Warum nicht? Weil es in der Wissenschaft keine "Bewegungen" gibt; die findet sich eher im politischen Sektor. Wissenschaft funktioniert durch Forschung ("science is a verb"). Die Validität und damit auch die Beachtungswürdigkeit einer Hypothese wird anhand ihrer Fähigkeit die Fakten zu erklären erwiesen, nicht durch "Meinungsmache". Das faszinierende dabei ist, dass die ID Vertreter tatsächlich selber ihren Schwerpunkt im Bereich Meinungsbildung und politischer Einflussnahme setzen, statt im Bereich Forschung.

Was ich damit meine: ich meine die sogenannte "Wedge Strategy", wie sie im sogenannten "Wedge Document" (wedge: engl. "Keil") expliziert wird (Link). Es handelt sich dabei um ein ehemals internes Dokument des "Discovery Institutes" (dem auch der vormals erwähnte Jonathan Wells angehört), dem zentralen Knotenpunkt und die Geldquelle der Intelligent Design Bewegung, welches 1999 im Internet auftauchte. Dieses Dokument gelangte vor einigen Jahren ins Internet und es offenbart die wahre Absicht, die hinter dem angeblich so seriösen Intelligent Design steht und zeigt somit aus erster Hand, dass die ganze Aktion mit Wissenschaft absolut garnichts zutun hat. Es hat übrigens ein paar Jahre gedauert, aber mittlerweile hat das Institut zugegeben, dass sie die Urheber des Dokuments sind. Es war auch kaum glaubhaft zu leugnen, befanden sich Teile des Dokuments doch bereits lange Zeit öffentlich zugänglich auf ihrer Website.


Es werden in dem Dokument drei Phasen beschrieben, die letztlich nur ein Ziel haben: eine Umgestaltung der modernen westlichen Kultur. Ob man mit diesen Zielen übereinstimmt oder nicht (wir Katholiken wissen z.B. zu gut, was es bedeutet, an einer "Zivilisation der Liebe" mitzuarbeiten), die Krux ist, dass hier offenbar wird, dass Intelligent Design nichts mit Wissenschaft zutun hat, sondern eine rein politisch-religöse Initiative ist und dass jeder Anschein von Wissenschaftlichkeit eben nur dies ist: ein Schein.


Phase I: Research, Writing and Publication
Phase II: Publicity and Opinion-making
Phase III: Cultural Confrontation and Renewal

Phase I scheint bisher wenig erfolgreich zu verlaufen, denn es wurde bislang keinerlei Forschung betrieben und keine wissenschaftlichen Abhandlungen in relevanten Journalen veröffentlicht.
Phase II zeigt wohin es gehen soll: Meinungsmache. Es geht nicht um freies Denken oder Eigenverantwortlichkeit (die von den Kreationisten ständig unter dem Schlagwort "teach the controversy" geheuchelt wird).
Phase III zeigt den Größenwahn und das wahre Gesicht von Intelligent Design: es geht nicht um naturwissenschaftliche Forschung, Dialog oder Teilnahme an einer Förderung der Humanität und des Miteinanders, es geht um Konfrontation und Revolution.
In Großer Zuversicht verkündet das Dokument: "Discovery Institute's Center for the Renewal of Science and Culture seeks nothing less than the overthrow of materialism and its cultural legacies". 

Das ist das Zeil von Intelliegnt Design, wie es seine führenden Vertreter erdacht haben.


Seit 2002 können wir den Discovery Institute fellow William Dembski bezüglich der Zukunft der „Wedge Strategy“ wiefolgt zitieren: »the wedge metaphor has outlived its usefulness. Indeed, with ID critics like Barbara Forrest and Paul Gross writing books like Evolution and the Wedge of Intelligent Design: The Trojan Horse Strategy, the wedge metaphor has even become a liability. To be sure, our critics will attempt to keep throwing the wedge metaphor (and especially the notorious wedge document) in our face. But the wedge needs to be seen as a propaedeutic — as an anticipation of and preparation for a positive, design-theoretic research program that invigorates science and renews culture.« (Der Titel des Papiers entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Becoming a Disciplined Science: Prospects, Pitfalls, and Reality Check for ID. Klick.)

Die Arroganz und Absurdität der ganzen Angelegenheit wird besonders darin offenbar, wenn er sagt »We are producing scientific articles. The question is whether or not peer-reviewed journals that are Darwinian in perspective would accept them under any circumstances«. (Quelle
Es ist zum Lachen: Diese Leute schaffen es nicht, ihre Artikel durch das peer-review zu bekommen. Das Institut gibt darum eigene "Wissenschaftsjournale" heraus. Das Ganze ist so abstrus: Weil sie keine ihrer sogenannten wissenschaftlichen Artikel in den angeblich auf Darwinismus gepolten wissenschaftlichen Magazinen unterbringen können, errichten sie selber ein Journal, das als Voraussetzung für eine Veröffentlichung die Schlussfolgerung festsetzt (quasi als Prämisse): Intelligent Design ist korrekt. (Dass das mit den "auf Darwinismus gepolten" Journalen eine der Realität widersprechende Verschwörungstheorie ist, habe ich ja schon behandelt.)

Aber nochmal zurück zur Frage nach dem Wesen von Intelligent Design:
Welche "wissenschaftliche Theorie" benötigte jemals "Apologetics Seminars" oder "Opinion-Maker Conferences" (siehe WEDGE-Document)?
Welcher Wissenschaftler hat jemals Programme ins Leben gerufen "to cultivate and convince influential individuals in print and broadcast media, as well as think tank leaders, scientists and academics, congressional staff, talk show hosts, college and seminary presidents and faculty, future talent and potential academic allies" (ebd)? 

Ich habe bereits Beispiele (z.B. hier) von herausragenden Wissenschaftlern vorgebracht, die ihre (durchaus revolutionierenden) Ideen mit viel harter Forschungsarbeit und unter dem Druck der wissenschaftlichen Gemeinde so weit erarbeitet haben (und belegen konnten!), dass sie schließlich die verdiente Anerkennung erhielten. In der gesamten Geschichte der Wissenschaft geschah nie ein Fortschritt mit so absurden, größenwahnsinnigen, despotischen Methoden, wie es das "Discovery Institute" in diesem seinem Manifest proklamiert.
Auch wenn die ID Vertreter das gerne vergessen wollen, de facto gibt es das alles bis heute.
Einige der wichtigsten und langjährigen "fellows" des "Discovery Institutes", die auch Erwähnung in dem Dokument finden, sind Michael Behe, William Dembski, Jonathan Wells, Stephen C. Meyer, John G. West, Phillip Johnson, Bruce Chapman und Steven J. Buri. Diese Leute sind bekannt dafür, dass sie Lügen, Fakten falsch darstellen und nicht davor zurückschrecken, zu Betrügen wo es nur geht. Sie gehören auch zu denen, die z.B. die Existenz von Übergangsfossilien und die Ergebnisse der modernen Genetik ganz einfach leugnen.


Ein letzter, mir besonders wichtiger Punkt in dem Dokument, ist die explizite und apodiktisch formulierte Unterscheidung zwischen den Ergebnissen der modernen Naturwissenschaft und dem Glauben an einen Schöpfer. Es ist eine falsche Dichotomie die in letzter Folge einen beiderseitigen Fundamentalismus zum Ziel hat, nämlich den, dass man entweder an Gott glaubt, oder eine andere Meinung vertritt, als die in dem Dokument dargelegte (indem man etwa Evolution akzeptiert).
Dieser politische Aktivismus der sich als "Wissenschaft" tarnt und Polarisierung als Mittel zum Zweck begreift ist mit ein Grund für die Entstehung des modernen fundamentalistischen Atheismus, der im Wesentlichen die gleichen Taktiken anwendet und die gleiche philosophische und theologische Unbildung propagiert. Richard Dawkins schrieb seinen "Gotteswahn" als direkte Antwort darauf.
 

Mag sein, dass viele Vertreter des Intelligent Design und sogar einzelne Angehörige des "Discovery Institutes" heute dieses Dokument nicht mehr als Maßstab nehmen; es bleibt dennoch Fakt, dass die eigentliche Intention von Intelligent Design absolut garnichts mit Naturwissenschaft zutun hat, sondern eine rein politische, meinungsbildende Strömung ist, mit dem Ziel die Gesellschaft zu verändern, auf Kosten zentraler wissenschaftlicher Errungenschaften der letzten 200 Jahre.
Im Urteil von 2005, das das Unterrichten von "Intelligent Design" verbot, heißt es, nachdem zahlreiche ID-Vertreter angehört wurden und ebenso zahlreiche Wissenschaftler: "ID cannot uncouple itself from its creationist, and thus religious, antecedents" (Quelle) Und:  "The overwhelming evidence at trial established that ID is a religious view, a mere re-labeling of creationism, and not a scientific theory." (Quelle)
Was im Grunde nichts anderes ist, als was jede wissenschaftliche Institution auf dem Planeten schon vorher wusste: Bis heute kommen von Seiten des Intelligent Design keinerlei wissenschaftliche Ergebnisse und es ist nach wie vor weitestgehend den Strategien verhaftet, die ich schon teilweise beschrieb. Es bleibt Teil dessen, was man unter "Kreationismus" summieren kann.
Positiv ist, dass es seit 2007, v.a. seit President Bush (ein Kreationist) aus dem Amt ist, ziemlich ruhig geworden ist um diese Leute...  sie siechen vor sich hin.

Beim nächsten Mal will ich mir konkrete "Argumente" von ID  bzw. Kreationismus vornehmen, um ihren Zusammenhang (bzw. ihre Identität) noch deutlicher aufzuzeigen.