Santiago_
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Spinoza über die Verteidigung der Denkfreiheit innerhalb eines Staates

"Angenommen, diese Freiheit könne so unterdrückt werden und die Menschen könnten so in Schranken gehalten werden, daß sie ohne Erlaubnis der höchsten Gewalten sich nicht zu rühren wagten, so wird es doch nie so weit kommen, daß sie nur das denken, was jene wollen. Es würde aber notwendig folgen, daß die Menschen tagtäglich anders sprächen, als sie denken; damit würden Treu und Glauben, die doch im Staat vor allem nötig sind, verderben, und es würden verächtliche Heuchelei und Hinterhältigkeit herangezüchtet; daraus erwüchsen Betrug und Verderb aller guten Sitten (...) Kann man sich ein größeres Unglück für einen Staat ausdenken, als wenn ehrbare Männer nur darum, weil sie anders denken und nicht zu heucheln verstehen, wie Verbrecher des Landes verwiesen werden? Was kann verderblicher sein, als wenn Menschen nicht wegen eines Verbrechens oder einer Übeltat, sondern nur weil sie freien Geistes sind, für Feinde erklärt und zum Tode geführt werden, und wenn der Richtplatz, das Schreckensbild für die Bösen, zur schönsten Schaubühne wird, um das erhabenste Beispiel der Standhaftigkeit und Tugend zu bieten?"

>Theologisch- Politischer Traktat<