Nicky41
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Das Kreuz in der Kunst - Die Kreuzesdarstellung im Wandel der Zeit

Man kann sich im Altertum kein schmachvolleres Ende vorstellen als den Tod am Kreuz. An einen zu glauben, der zum Kreuzestod verurteilt worden ist, an einen zu glauben, dessen Leben am Kreuz endete, war unvorstellbar. Die Juden konnten in einem gescheiterten Propheten nicht den von Gott verheißenen Messias erkennen. Griechen und Römer waren zwar von der Menschenliebe Jesu fasziniert, aber ihnen sagte eher die Philosophie eines Epikur mit ihrer Daseinsfreude zu oder der geheimnisvolle Kult des Mithras.

Die Christen haben das Kreuz nicht verschwiegen. Sie bekannten sich zum Gekreuzigten. , denn sie wussten, dass sie durch das Kreuz erlöst sind, dass das Kreuz ihnen den Himmel geöffnet hat. Trotzdem sind es andere Zeichen, die sie auf ihre Gräber zeichnen. Es ist vor allem der Fisch. Er ist das Geheimzeichen der frühen Kirche.

Die Anfangsbuchstaben des Bekenntnisses: Jesus Christus Sohn Gottes Erlöser – ICHTHYS – ergeben im Griechischen das Wort „Fisch“. Der Fisch war gleichzeitig ein Symbol des Todes wie der Auferstehung, denn drei Tage war der Prophet Jona im Fisch, ehe er an Land gespien wurde.

Die älteste Kreuzesdarstellung ist eine Spottzeichnung, auf der ein Kreuz mit einem Esel zu sehen ist. „Alexamenos betet seinen Gott an“ - was für ein Esel muss der Christ sein, wenn er an einen Gott glaubt, der am Kreuz starb….

Erst als Kaiser Konstantin im Zeichen des Kreuzes den entscheidenden Sieg an der Milvischen Brücke von Rom errang und Kaiserin Helena auf Golgotha die erste Kreuzesbasilika erbauen ließ, trat das Kreuz auch in der Kunst aus dem Hintergrund.

Allerdings sehen wir jahrhundertelang den Gekreuzigten als den Sieger über Sünde und Satan, über Leid und Tod. Das Kreuz zeigt einen triumphierenden Christus, deshalb trägt er eine Krone, und nicht die Dornenkrone. Er ist Christus der König. Das Kreuz ist sein Thron. Vom Kreuz aus umfängt er die Welt. Vom Kreuz aus regiert er die Welt. Das Kreuz ist nicht mehr Schandpfahl, sondern Ehrenzeichen.

Lassen frühe Kreuzesdarstellungen nahezu den Schmerz vergessen, der Jesus ausrufen ließ: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, so tritt uns am Ende der Romantik der Mensch Jesus entgegen, der die Dornenkrone trägt und alle Zeichen des Schmerzes erkennen lässt. Die Kreuze dieser Zeit weisen häufig eine Besonderheit auf. Man kann die Brust des Gekreuzigten öffnen. Hier wurde das Allerheiligste aufbewahrt. Man kann sich keinen schöneren Tabernakel vorstellen als diesen Christus, der damit zum Quell der Gnade geworden ist.

Als der römische Hauptmann die Seite Jesu mit der Lanze durchstieß, flossen Blut und Wasser heraus. Die Kirche sieht hier den Ursprung der Sakramente. Wird in der späten Romantik das Leiden noch eher stilisiert, so bemüht sich die Gotik den ganzen Schmerz sehr wirklichkeitsnah darzustellen. Man sieht den Heiland in seiner furchtbaren Todesnot. Der Schmerz prägt das Gesicht. Die Augen sind fast geschlossen, die Lippen leicht geöffnet. Ein Mann der Schmerzen.

Der Barock ist die Zeit der Lebensfreude, aber auch des sehr bewussten Denkens an den Tod. Der Blick auf das Kreuz und den Gekreuzigten soll inmitten aller Lebensfreude daran erinnern, dass der Heiland unsere Sünden getragen und gesühnt hat. Besonders häufig findet man eine Darstellung, bei der Putten in Kelchen das Blut Jesu auffangen, das aus seinen Wunden hervorquillt. Es ist das Blut, das vergossen ist zur Vergebung der Sünden.

Diesen Gedanken hat der evangelische Pfarrer und Dichter Paul Gerhardt in die Worte gefaßt:

Nichts, nichts kann mich verdammen,
nichts nimmt mir meinen Mut;
die Höll und ihre Flammen
löscht meines Heilands Blut.
Kein Urteil mich erschrecket,
kein Unheil mich betrübt,
weil mich mit Flügeln decket
mein Heiland, der mich liebt.

Der Leib Christi und sein heiliges Blut sind dem Christen in der heiligen Kommunion zur Speise und zum Trank gegeben. In jeder heiligen Messe geschieht das Wunder aller Wunder: Christus schenkt sich denen, die an ihn glauben und aus seiner Liebe leben wollen.

Moderne Kreuzesdarstellungen versuchen von den alten Meistern zu lernen und in unsere Zeit zu übersetzen. Manche Künstler scheuen sich, den toten Heiland zu gestalten und begnügen sich mit einem einfachen Kreuz ohne Christus, andere gehen Wege der Symbolik, und schließlich gibt es sehr drastische Plastiken, bei denen die Kirchenbesucher geradezu erschrecken.

Man wird dies als einen sehr ehrlichen Weg bezeichnen müssen. Jedenfalls kann man nicht vom Kreuzesbild der Moderne sprechen wie vom Kreuz der Romantik, der Gotik oder des Barock.

(Das Kreuz – Zeichen Christi, L.Gschwind)