Sonia Chrisye
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WO GOETHE IRRTE - Der radikale Einzeltäter

VON GASTAUTOR Matthias Mattusek
So, 26. März 2017 in Roland Tichys Einblick

www.tichyseinblick.de/…/der-radikale-ei…


Wie sagte Steinmeier? „Mut ist das Lebenselixier der Demokratie?“

Wie wäre es mit Ehrlichkeit und Vernunft? Für „ein bißchen Frieden“, wie unsere Nicole sang, die sicher heute im Saarland auch zur Wahl geht. Meint Matthias Matussek.

Wieder einer, der durchknallt, wieder ein Einzeltäter, diesmal in London auf der Brücke zum Parlamentsgebäude, im Herzen der Welt-Stadt, wie man da immer sagt. Der Terror nimmt atemberaubende Wendungen, aber er bleibt Terror, weshalb dieses Neusprech der politischen Kaste, an das wir uns so gewöhnt haben, umso absurder wirkt.

„Mut ist das Lebenselixier der Demokratie“, sagte der frischvereidigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, drei Tage vor dem Anschlag in London.
Ehrlich gesagt, ich würde einfach gerne überleben, ohne mutig zu sein.

„So wie Angst der Antrieb zu Diktatur und Autokratie ist“, fuhr Steinmeier fort im anschwellenden Applaus im Reichstag, womit er den Sultan am Bosporus ins Visier nahm. Die Mehrheit der Leitartikler war am nächsten Tag einhellig begeistert und aus dem Häuschen über dieser Schönsprech-Phrase, dieses Neusprech-Sedativum.

Allerdings: Angst ist menschlich, und sie ist allgegenwärtig in Zeiten des Terrors, ganz unabhängig von der Regierungsform, weshalb wir uns an Flughäfen stundenlang zu Sicherheitskontrollen anstellen. Angst ist normal. Es gibt sie in Berlin genauso wie in London, aber auch in der Türkei, die mit dem Terrorismus auf Tagesbasis kämpft, wenn sie nicht gerade mit Kriegen gegen Terroristen in Syrien und im Irak beschäftigt ist.

Der Spiegel hob London auf seinen neuen Titel und eine Geschichte ihres Korrespondenten aus dem Stehsatz, die offenbar schon älter war und die sich deshalb mehrheitlich mit den schädlichen Auswirkungen des Brexits beschäftigt, der die Stadt „dreckig und brutal“ werden lasse.

Da die Briten diesen fiesen Reflex offenlegten, möglichst nicht mehr so viele Migranten aus den islamischen Ländern ins Land zu lassen. Weil sie sich denken, dass sie in diesem „Clash of Civilizations“ – Huntington hatte recht – den kürzeren ziehen werden, weil sie mehr zu verlieren haben.

Ich habe den Terror in London 2005 als Korrespondent erlebt, gleich zweimal. Die erste Bombe detonierte im U-Bahn-System, die zweite 14 Tage später in einem Doppeldeckerbus, verheerend, Dutzende von Toten.

Der zweite Anschlag fand an dem Tag statt, an dem die Queen im Garten des Buckingham Palace die Reihen der verdienten Mitglieder der Commonwealth-Familie abschritt, höflich und stoisch wie immer, obwohl über den Köpfen das Schrappen der Polizei-Helikopter zu hören war, die nach weiteren Terroristen suchten und das Gelände sicherten.

Sicher, auch ich war beeindruckt vom Stoizismus der Queen und dem ihrer Gäste. Die U-Bahn-Bomber übrigens konnten dank der verbreiteten Überwachungskameras bald dingfest gemacht werden, sie stammten aus Leeds und waren Kinder muslimischer Einwanderer, denen ihre Religion die Rechtfertigung für ihren mörderischen Wutausbruch in die Hand gedrückt hatte.

Christopher Hitchens beschrieb diesen psycho-religiösen Überdruck-Cocktail islamischer Modernisierungsverlierer – weltweit Fortschritte außer in den islamischen Ländern – als Mischung aus „Selbstverachtung, Selbstmitleid, Selbstgerechtigkeit“.
Warum bestraft Allah, der Allmächtige, ausgerechnet seine Gläubigen mit dieser offensichtlichen politischen und technologischen und kulturellen Rückschrittlichkeit? Sind wir nicht fromm genug, haben sie sich womöglich gefragt?

Der Ausweg ist der grandios vergrößerte Selbstmord und mit dem Versprechen auf einen Märtyrerlohn im Paradies, der besten aller Welten. Rund um die Finsbury-Park-Moschee des Radikal-Predigers mit der Eisenhand, Abu Hamza, habe ich Teenager aus Algerien und Tunesien mit den neusten Nike-Schuhen erlebt, sie trugen Osama-bin-Laden-T-Shirts und hassten den Westen, in dem sie aufwuchsen.
Jeder dieser Teenager kann jeden Moment explodieren, dachte ich mir damals, wenn er in die Hände der moslemischen Gehirnwäscher in den überall aus dem Boden sprießenden Moscheen gerät, die die Lizenz zum Töten gemeinsam mit dem Koran liefern.

Und klar senkt sich bei uns dieser Schatten ins Herz, diese Ohnmacht, die kriechende Angst.

Und obwohl es diese Angst gibt, ist die Demokratie in England nie in Frage gestellt worden. Und Mutige gibt es auch unter Diktator Erdogan und trotzdem stehen sie im Lager der Befürworter für ausgedehnte präsidiale Vollmachten im bevorstehenden Referendum.

Es ist diese neue Art des Terrors, die Angst macht, die der plötzlich erwachten, vom mörderischen Irrsinns-Virus gepackten „radikalen Verlierer“ (Enzensberger), der messerschwingenden Einzeltäter, die auch bei uns mit Messer und der Axt in der U-Bahn plötzlich um sich schlagen.

Diese Form des Terrors ist in Jerusalem ausgebrochen, und hat sich verbreitet, die Täter kamen aus dem Gaza Streifen oder der Westbank. Ich habe das vor zwei Jahren erlebt. Da mussten die sieben Stadttore plötzlich geschlossen werden, weil wieder einer mit dem Messer unterwegs war.

Wenn es Menschen gibt, die Mut haben, dachte ich mir damals, dann sind es die Israelis, die in Jerusalem leben.

„Im Herzen des Islams“, schrieb der britische Katholik Chesterton rund hundert Jahre vor dem Anschlag auf das World Trade Center und den Messerläufern von heute „ist eine Leere, die wieder und immer wieder neu durch die ständige Wiederholung jener Revolution gefüllt werden muss, die ihn hervorgebracht hat.“

Und er fuhr fort: „Es gibt keine Sakramente. Das einzige, was geschehen kann, ist eine Art von Apokalypse, einzig wie das Ende der Welt. Daraus folgt, daß man nichts anderes tun kann, als immer neu diese Apokalypse herbeiführen zu wollen, damit die Welt vergeht, wieder und wieder.“

So sah er damals die Sache, und so erleben sie heute viele im Westen. Man sollte offen darüber reden dürfen, auch in unserem Land der Neusprech-Verordnungen: es ist ein Problem der Religionen und der Kulturen, die auf sie gegründet sind. Goethe hat sich in seinem „West-Östlichen Divan“ gründlich geirrt: „Wer sich selbst und andere kennt/ wird auch hier erkennen/ Orient und Okzident/ sind nicht mehr zu trennen.“

Sie sind getrennter denn je.

Und die Aufrufe dazu, getrennt zu bleiben, mehren sich und werden gewalttätiger. Je mehr die Muslime im Bannkreis der Koran-Religion stehen, desto gewaltbereiter sind sie. Das ist das Ergebnis einer breit angelegten Befragung des Kriminologen Christian Pfeiffer:

Danach sind 23,5 Prozent der 14- bis 16jährigen Muslime „sehr religiös“ und zugleich „sehr gewaltbereit“. Eine Studie von 2012 im Auftrag des deutschen Innenministeriums bestätigt diesen Befund: Jeder vierte Muslim im Alter von 14 bis 32 Jahren gilt als streng religiös mit starker Abneigung gegen westliche Werte.

An mehr als zwei Dutzend Koranstellen ruft der Islam-Prophet zu Kampf, Krieg und Tötung der Ungläubigen auf. Die koranischen Schwertverse lauten z. B.:
• Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah glauben.
• Tötet sie, wo immer ihr sie findet.
• Greift sie an, belagert sie und lauert ihnen auf an allen Wegen.

Mohammed verspricht den islamischen Kämpfern „das Paradies, sofern sie auf dem Wege Allahs kämpfen und töten oder getötet werden“ (Sure 9,111).

Der Westen, Goethes Okzident, hat seine christlichen Wurzeln vergessen. Er hat gelernt, sich dieser zu schämen und nennt es Aufklärung. Selbst seine Kirchenführer verstecken furchtsam das Kreuz. Ja, er hat sich einem neuen Glauben verschrieben, dem an die totale Gegenwärtigkeit und ist flach wie eine Pfütze.

Goethes Orient dagegen ist religiös erhitzt und glüht. Islamische Jugendliche verachten den Westen in seiner Bindungslosigkeit, während sie gleichzeitig dieser global ausstrahlenden Konsumgesellschaft, dieser Aureole aus Tinneff, den Fetischen der Moderne verfallen sind.

Kein Flüchtling taucht hier ohne Handy auf. Ich traf einen Teenager in einem der Flüchtlingslager, der rümpfte die Nase über second-hand-Klamotten, die nicht mehr angesagte Mode sind.

Entwurzelung auf beiden Seiten. Doch während der Westen keine Verlustschmerzen spürt, ist er auf der „orientalischen“ Seite groß. Familie spielt hier eine Rolle, der Clan, die Sippe, die Religion, das, was Botho Strauß das „Sittengesetz“ nennt. Eine unglaubliche innere Spannung.

Das erklärt die Abschottung in den westlichen Metropolen, die Parallelgesellschaften, die Ablehnung von Integration.

Was am Reißbrett der paneuropäischen, besonders der deutschen Demokratie- und Demographie-Visionäre klar aufgeht, ist im Alltag ein Desaster. Den Blick weit in die Ferne gerichtet, übersehen sie die explosiven Gemengelagen vor Augen.

Die Briten haben mit ihrem Brexit Konsequenzen daraus gezogen, auch wenn deutsche Korrespondenten den Dreck und die Kleinkariertheit kommen sehen. Die Träumer der deutschen Politik dagegen weigern sich dagegen aufzuwachen. Ja, immer noch sträubt sich unsere Kanzlerin, Grenzen zu ziehen und zu schützen, doch ohne Grenzen kann kein Mensch, kein Kollektiv, keine Nation überleben. Sicher, der Warenverkehr wünscht sich nichts lieber als Grenzenosigkeit, aber dessen Profiteure sind eine sehr sehr schmale Oberschicht.

Unter einem Europa-Bürokraten wie Martin Schulz würde sich diese Träumerei, die in ihrem Hauptbestandteil aus feierlichen Phrasen des demokratischen Neusprech besteht, verschärfen und damit die gesellschaftlichen Zerreißproben.

Man nennt die Flüchtlinge – die Geflüchteten, wie die politisch korrekte Terminologie vorschreibt – in Brüsseler Strategiepapieren längst „Neuansiedler“. Sie sind „Menschenmaterial“, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Bindungen sie gerissen werden, eine kaltblütige, in Wahrheit nicht humanitäre, sondern rein wirtschaftliche Motivlage.

Mit wieviel Millionen aus Afrika und dem Nahen Osten rechnet das Kanzleramt in den kommenden Jahren? Mit dreizehn oder fünfzehn oder dreißig Millionen? Da ist ein neuer Attraktions-Kolonialismus an der Arbeit, mit viel Kirchentagsrhetorik zugekleistert, und noch mehr Lügen der eigenen Bevölkerung gegenüber.

Solange das Problem der Identität nicht ernstgenommen wird, der eigenen und der fremden, werden weitere „Einzelne“ durch die Gegend laufen, und sich und andere in die Luft jagen.

Die politische Herrschaftskaste mit „royalen Vollzeitgehältern und immun gegen jede Kritik“, wie Dirk Schümer in der „Welt“ kommentierte, schein nichts zu merken.

Wie sagte Steinmeier? „Mut ist das Lebenselixier der Demokratie?“ Wie wäre es mit Ehrlichkeit und Vernunft? Für „ein bißchen Frieden“, wie unsere Nicole sang, die sicher heute im Saarland auch zur Wahl geht.

Von Matthias Matussek.