Felix Staratschek
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Kinderrechte in der Verfassung sind in Wahrheit Rechte für den Staat

Frankfurt am Main, 11.09.2018 Abs.: www.aktion-kig.org
(Verlinkung im Text und Bilder und Bildtexte: Felix Staratschek)

Sehr geehrte/r Felix Staratschek,

bis Ende 2019 hat sich die regierende Koalition von Union und SPD vorgenommen, Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen. Was zunächst ganz nett und sinnvoll klingt, ist in Wahrheit eine Einschränkung der Elternrechte zugunsten des Staates. Um dies zu erläutern, möchte ich Ihnen eine Stellungnahme Prof. Dr. Arnd Uhle zusammenfassen, die am 30. August 2018 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen ist. Professor Uhle ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. Er ist auch Richter des Verfassungsgerichts des Freistaates Sachsen.

Kinder sind Menschen, das ist an sich banal. Aber dann
sind Kinder auch Träger aller Menschenrechte. Wozu
braucht es dann spezielle Kinderrechte im Grundgesetz?

Professor Arnd Uhle spricht sich klar gegen die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung aus.
Seine Begründung: "Kraft der Geltung des Grundgesetzes sind Kinder Kraft ihres Menschseins selbstverständlich Träger der Grundrechte. Das betont seit Jahrzehnten auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung. So hat es bereits vor einem halben Jahrhundert festgehalten, dass ein Kind nach geltendem Verfassungsrecht 'ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit ist' ".

Prof. Uhle erläutert in seinem Aufsatz, dass schon heute der Staat bei elterlichem Versagen und vor allem bei familiärer Gewalt einschreiten kann.

Das natürliche Recht der Eltern auf Erziehung, so wie es in §6 GG festgelegt ist, ist zudem nicht bloß ein Recht, sondern auch eine Verpflichtung. Das Recht der Eltern auf Erziehung ist ein sog. Treuhänderisches Recht, ein dienendes Recht, welches das Wohl des Kindes zum Ziele hat. Die staatliche Gemeinschaft übt ein Wächteramt aus, was sie berechtigt und sogar verpflichtet, im Falle schwerwiegender Beeinträchtigung einzuschreiten.

Das ist der gesetzliche Status Quo heute.

Ändert sich mit der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz nichts an der Rechtslage, so wäre diese eine rein symbolische Maßnahme ohne praktische Konsequenzen. Doch in dieser Hinsicht ist Prof. Uhle skeptisch: "Die Mehrzahl der in jüngerer Zeit diskutierten Vorschläge zeichnen doch die Tendenz aus, das bisherige Verhältnis zwischen Elternverantwortung und staatlichem Wächteramt zu verändern – und zwar zu Lasten des Elternrechts und zugunsten der staatlichen Einflussnahme."

Gegenwärtig ist der Staat ein Wächter, der grundsätzlich davon ausgeht, dass das Kindeswohl im Regelfall bei den Eltern in guten Händen ist. Genau das kann sich aber im Falle einer Grundgesetzänderung ändern. Prof Uhle: "Im Falle der Aufnahme von ausdrücklichen Kinderrechten in das Grundgesetz besteht jedoch die Gefahr, dass sich genau dies ändert. Denn neu positivierte Kinderrechte haben das Potential, unter Berufung auf ihren Schutz, Entscheidungsbefugnisse, die bisher den Eltern vorbehalten sind, zukünftig auf den Staat zu verlagern."

Sollte dies stattfinden, so stünden wir gegenüber einem Paradigmenwechsel im Verhältnis von Elternrecht und staatlichem Wächteramt. Konkrete Auswirkungen könnte die Einführung einer Kindergartenpflicht, die Impfpflicht und weitere Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts der Eltern bei der schulischen Sexualerziehung sein.

Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre in diesen Punkten vor Augen führt, bestünde ein klares Risiko, dass das staatliche Bestimmungsrecht das Elternrecht (noch weiter) zurückdrängen würde. Die Verteidiger von Kinderrechten in der Verfassung argumentieren in der Regel, dies sei nicht die Absicht. Die Absichten der Abgeordneten, die eine Grundgesetzänderung anstreben, sind aber unerheblich.

Prof. Uhle: "Für die Auswirkungen einer Grundgesetzänderung ist nicht die Absicht ihrer Urheber entscheidend, sondern der objektive Sinngehalt der Verfassungsänderung. Und dieser Sinngehalt spräche im Falle der Schaffung eines 'Kindergrundrechts' für eine Änderung der Rechtslage."

So wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) arbeitet,
muss man große Sorge haben, dass Lobbygruppen unter Kinderrechten etwas
ganz anderes verstehen, als viele Eltern. Wer an öffentlichen Bushaltestellen
Sex mit Unbekannten ("Zufallsbekanntschaften") für gut heißt,
wenn man nur Kondome nutzt, der verführt die Kinder, die hier
auf den Bus warten und unterwandert den Versuch vieler Eltern,
den Kindern Werte und Wertschätzung für andere zu vermitteln.

Dies könnte sich in der Rechtsprechung aus Karlsruhe wiederspiegeln, so Prof. Uhle: "Ein veränderter Verfassungstext birgt die Gefahr einer Neuakzentuierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Lasten des Elternrechts. Auch das belegt, dass eine Schmälerung des Elternrechts zu den Risiken und Nebenwirkungen einer Verankerung spezieller Kinderrechte im Grundgesetz zählt."

Für die Aktion "Kinder in Gefahr" steht deshalb fest: Wir lehnen eine (weitere) Einschränkung der Elternrechte (bzw. eine Ausweitung der Befugnisse des Staates über die Kinder) und deshalb die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz ab.

Mit freundlichen Grüßen

Mathias von Gersdorff

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