Sonia Chrisye
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DAS AUS FÜR JAMEIKA

FDP verlässt Sondierungs-Gespräche „Es ist besser nicht zu regieren als falsch zu regieren": So begründet Lindner das Jamaika-Aus

Christian Lindner, Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei (FDP), äußert sich zum Scheitern der Jamaika-Sondierungen von CDU, CSU, FDP und Grünen vor der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin.

Die FDP hat die Jamaika-Verhandlungen abgebrochen. "Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren", sagte FDP-Chef Christian Lindner am Sonntagabend nach stundenlangen Verhandlungen in Berlin. Union, FDP und Grünen hätten trotz wochenlanger Gespräche "keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis" entwickelt.

Das Lindner-Statement im Wortlaut:

"Ja meine Damen und Herren,

wir haben Stunden, Tage und Wochen miteinander gerungen, und heute am Tag länger als wir uns ursprünglich vorgenommen haben. Wir haben als Freie Demokraten in den letzten Wochen zahlreiche Angebote zum Kompromiss unterbreitet, unter anderem zu Beginn in der Steuerpolitik, in der Europapolitik, in Fragen der Einwanderung, in der Bildungspolitik. Denn wir wissen, dass Politik vom Ausgleich lebt. Und mit knapp elf Prozent kann man nicht den Kurs einer ganzen Republik diktieren.

Unsere Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zeigen wir ja übrigens auch in Regierungsbeteiligungen in den Ländern mit Union, mit SPD und mit den Grünen.

Nach Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor. Und dort, wo es Übereinkünfte gibt, sind diese Übereinkünfte erkauft mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen. Wir haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU und CSU und FDP überbrückbar gewesen wären. Da ist wieder auch eine neue politische Nähe, auch menschliche Nähe, gewachsen. Aber am heutigen Tag wurde keine Bewegung, keine neue Bewegung, keine weitere Bewegung, erreicht, sondern es wurden Rückschritte gemacht, weil auch erzielte Kompromisslinien noch einmal in Frage gestellt worden sind.

Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten. Eine Vertrauensbasis und eine gemeinsam geteilte Idee, sie wären aber die Voraussetzung für stabiles Regieren.

Wir wissen nicht, was in den nächsten Jahren auf Deutschland in Europa und der Welt zukommt. Aber wenn dann vier Partner schon nicht in der Lage sind, bei dem Absehbaren einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, nach so langer Zeit und so intensivem Ringen, ist das keine Voraussetzung, dafür, dass auch auf das Unvorhersehbare angemessen reagiert werden kann. Wir werfen ausdrücklich niemandem vor, keinem unserer drei Gesprächspartner, dass er für seine Prinzipien einsteht. Wir tun es aber auch für unsere Prinzipien und unsere Haltung.

Unser Einsatz für die Freiheit des Einzelnen in einer dynamischen Gesellschaft, die auf sich vertraut, die war nicht hinreichend repräsentiert in diesem Papier. Und wir haben heute an diesem entscheidenden Tag nicht den Eindruck gewonnen, obwohl allen die Dramatik der Situation bewusst war, dass dieser Geist grundlegend veränderbar gewesen wäre.

Die Freien Demokraten sind für Trendwenden gewählt worden. Und wer dieses Dokument ansieht, sieht: Es war nicht zu ambitioniert, es war nichts unrealistisch, sondern maßvoll. Wir sind für die Trendwenden gewählt worden, aber sie waren nicht erreichbar, nicht in der Bildungspolitik, nicht bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, nicht bei der Flexibilisierung unserer Gesellschaft, nicht bei der Stärkung der Marktwirtschaft und bis zur Stunde auch nicht bei einer geordneten Einwanderungspolitik.

Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten, viele der diskutierten Maßnahmen halten wir sogar für schädlich. Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und all das wofür wir Jahre gearbeitet haben. Wir werden unsere Wählerinnen und Wähler nicht im Stich lassen, indem wir eine Politik mittragen, von der wir im Kern nicht überzeugt sind. Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen."

www.t-online.de/…/newsblog-zu-jam…

Gut eine Stunde nach dem Abbruch der Jamaika-Gespräche durch die FDP hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihr Bedauern über die Entscheidung geäußert. Hier ihre knapp fünfminütige Erklärung im Wortlaut:

"Meine Damen und Herren,

es ist ja schon der frühe Morgen, und ich möchte mich als erstes Mal bei unseren Gastgebern hier in der baden-württembergischen Landesvertretung bedanken, die an einem wirklich, ich würde fast sagen historischen Tag uns Gastfreundschaft gewährt haben. Hinter uns liegen vier Wochen intensivster Verhandlungen, und ich glaube, ich kann für CDU und CSU sagen, dass wir nichts unversucht gelassen haben, um doch eine Lösung zu finden.

Wir haben dabei vieles erlebt, sehr unterschiedliche Kulturen von Verhandlungsstilen, und bei den Grünen durchaus bei allen Sympathien manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, bei der FDP sehr entschieden, aber wir glauben, dass wir auf einem Pfad waren, auf dem wir hätten eine Einigung erreichen können. Natürlich mit Abstrichen, das beinhaltet eine Koalition, bei der Partner sich finden sollen, die sehr sehr große Wege zu gehen haben, und deshalb bedaure ich es auch, bei allem Respekt für die FDP, dass wir keine gemeinsame Lösung finden konnten.

Wir hatten aus unserer Perspektive der Union sehr vieles erreicht in diesen Verhandlungen, was die Stabilität des Landes gestärkt hätte, sowohl die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung, bei den schweren Fragen der Erwartungen der Grünen an die Leistungen im Blick auf den Klimaschutz, aber vor allen Dingen auch was soziale Fragen anbelangt, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen.

Wir haben interessanterweise die erste Einigung über die Landwirtschaftspolitik erzielt, das wäre und ist, weil es bleibt, ja auch ein interessanter Bestandteil, was vielleicht auch versöhnend auf unsere Gesellschaft hätte wirken können, und jetzt müssen wir trotzdem mit den Tatsachen umgehen. Tatsache heißt, dass wir keine Sondierungsgespräche erfolgreich abschließen konnten. Das bedeutet, dass ich morgen den Bundespräsidenten kontaktieren werde, ihn natürlich informieren werde über den Stand der Dinge, und dass wir dann schauen müssen, wie sich die Dinge weiter entwickeln.

Wir, CDU und CSU gemeinsam, ich sage das ausdrücklich, werden Verantwortung für dieses Land auch in schwierigen Stunden übernehmen und auch weiter sehr verantwortungsvoll handeln. Denn die Menschen in Deutschland haben sich heute mehrheitlich gewünscht, dass wir zusammenfinden. Und denen fühlen wir uns verpflichtet. Und wir werden dazu beitragen, mit unseren Kräften, die wir haben, zum Zusammenhalt dieses Landes auch einen Beitrag zu leisten.

Natürlich war ein ganz zentrales Thema das Thema der Migration, der Zuwanderung, hier gab es nicht die großen Unterschiede mit der FDP, aber hier so unsere Einschätzung hätten wir auch eine Lösung mit den Grünen finden können. Und wir wissen, dass wir dieses Land zusammenführen müssen und so werden wir in den nächsten Wochen in einem Weg, den wir nicht genau beschreiben können, natürlich unser verantwortliches Handeln auch weiter fortsetzen.

Es ist ein Tag mindestens des tiefen Nachdenkens, wie es weitergeht in Deutschland. Aber ich will Ihnen sagen, ich als Bundeskanzlerin, als geschäftsführende Bundeskanzlerin, werde alles tun, das dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird."
von Martin Küper am 20.11.2017 um 02:13:37


Innenministerium liefert Berechnungen Jamaika-Streitpunkt Familiennachzug: So unterschiedlich fallen die Prognosen aus

Über kein anderes Thema sind sich die Jamaika-Sondierer so uneins wie den Familiennachzug für Flüchtlinge. Nun liegen endlich Zahlen vor. Sie zeigen, dass das Innenministerium von fast doppelt so vielen Nachzüglern ausgeht wie die Grünen.

Es ist der wohl entscheidende Knackpunkt der Jamaika-Verhandlungen: Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz. Bei kaum einem anderen Thema fällt Union, FDP und Grünen eine Einigung so schwer. Während die Grünen den Familiennachzug ab 2018 wieder ermöglichen wollen, lehnen die anderen Partner dies ab.

Die Debatte wird dadurch erschwert, dass mit so vielen unterschiedlichen Zahlen agiert wird. Innenminister Thomas de Maizière hatte vor der Wahl von einer „gewaltigen Zahl“ gesprochen. Die „Welt am Sonntag“ berichtet nun, dass sein Ministerium für die Verhandlungen eine Berechnung vorgelegt habe. Demnach würden 2018 rund 120.000 Visa für den Familiennachzug ausgestellt. Der Grund: Mehr schaffen die Mitarbeiter der deutschen Botschaften und Konsulate nicht.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht von niedrigeren Zahlen aus. In einer Studie errechnete das Institut, dass im Jahr zwischen 50.000 und 60.000 Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland kommen würden. Damit liegen die Experten näher an den Grünen. Die Partei hat laut der „WamS“ die Zahl 70.000 in die Verhandlungen eingebracht. So viele Syrer und Iraker hätten bisher einen Termin beantragt, um einen Antrag zu stellen.Ein Wechsel ruiniert zwei Shows: Warum Vox und ProSieben einen Fehler gemacht haben
Sonia Chrisye
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Regierungsbildung:

Neue Vorstöße - wohin?

Wie der neue Vorstoß zur Regierungsbildung zeigt, ist es in Germany trotz vieler demokratischer Errungenschaften noch immer viel zu einfach, unpopuläre Politik zu machen.

von Ramiro Fulano

Das Ergebnis der Bundestagswahl im September 2017 ist möglicherweise vieles gewesen, eins aber ganz sicher nicht: ein Votum für den Status Quo. 54% aller Wählerinnen und Wähler stimmten für Mitte-Rechts-Parteien, 42% für Linke. Die GroKo verlor fast 18%. Und dieses Resultat soll nun auf Wunsch des Bundespräsidenten (SPD) in einen Regierungsauftrag für noch mal vier Jahre mehr desgleichen zurechtgelogen werden.

Quelle und Weiterlesen ➡H I E R :-)
3 weitere Kommentare von Sonia Chrisye
Sonia Chrisye
10. FDP: Merkel hat nur grüne Forderungen erfüllt
www.tichyseinblick.de/…/fdp-merkel-hat-…