Die alte Frau und der Lagerkommandant - Gustav Heinemann
Eine alte lettische Frau nahm sich 1945 deutscher Soldaten an, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten waren; sooft es ging, ließ sie ihnen ein Stück Brot zukommen. Dabei wurde sie eines Tages erwischt. Sie wurde vor den sowjetischen Lagerchef zitiert. Der fuhr sie schroff an: "Hast du nicht gelesen, dass es strengstens verboten ist, den Kriegesgefangenen Lebensmittel zu geben?"
Die alte Frau nickte gelassen, ehe sie antwortete:
"Herr Lagerkommandant, ich habe nicht irgendwelche Lebensmittel gegeben; ich habe Brot gereicht!"
Das sei ja schließlich einerlei, fauchte der Mächtige zurück.
"Sag, hast du gewusst, dass es verboten ist, ja oder nein?"
Die alte Frau überlegte einen Moment, ehe sie antwortete, dabei dem Lagerchef direkt in die Augen blickend:
"Ich habe gelesen, dass angeschrieben steht, es sei verboten. Aber man darf nicht verbieten, unglücklichen Menschen zu helfen!"
Der Russe, jetzt gefährlich leise, fragte zurück: "Heißt das, dass du ihnen auch weiterhin Brot geben wirst?"
Die alte Frau sah ihm erneut in die Augen: "Genosse Direktor, hören Sie mir bitte mal gut zu. Als die Deutschen hier in Lettland die Herren waren, brachten sie russische Kriegsgefangene hierher zur Arbeit; die litten große Not, und ich habe ihnen Brot gegeben. Dann brachten sie Juden hierher; die hatten auch großen Hunger, und ich habe ihnen Brot gegeben. Jetzt sind die Deutschen die Unglücklichen und leiden Hunger, und ich gebe ihnen Brot. Und wenn Sie, Genosse Direktor, eines Tages das Unglück haben sollten, Gefangener zu werden und Hunger zu leiden, dann werde ich auch Ihnen Brot reichen!"
Die alte Frau ließ den Lagerchef stehen, drehte sich um und ging. Der Russe unternahm nichts gegen sie....
(Weihanchtsansprache 1971)
Die alte Frau nickte gelassen, ehe sie antwortete:
"Herr Lagerkommandant, ich habe nicht irgendwelche Lebensmittel gegeben; ich habe Brot gereicht!"
Das sei ja schließlich einerlei, fauchte der Mächtige zurück.
"Sag, hast du gewusst, dass es verboten ist, ja oder nein?"
Die alte Frau überlegte einen Moment, ehe sie antwortete, dabei dem Lagerchef direkt in die Augen blickend:
"Ich habe gelesen, dass angeschrieben steht, es sei verboten. Aber man darf nicht verbieten, unglücklichen Menschen zu helfen!"
Der Russe, jetzt gefährlich leise, fragte zurück: "Heißt das, dass du ihnen auch weiterhin Brot geben wirst?"
Die alte Frau sah ihm erneut in die Augen: "Genosse Direktor, hören Sie mir bitte mal gut zu. Als die Deutschen hier in Lettland die Herren waren, brachten sie russische Kriegsgefangene hierher zur Arbeit; die litten große Not, und ich habe ihnen Brot gegeben. Dann brachten sie Juden hierher; die hatten auch großen Hunger, und ich habe ihnen Brot gegeben. Jetzt sind die Deutschen die Unglücklichen und leiden Hunger, und ich gebe ihnen Brot. Und wenn Sie, Genosse Direktor, eines Tages das Unglück haben sollten, Gefangener zu werden und Hunger zu leiden, dann werde ich auch Ihnen Brot reichen!"
Die alte Frau ließ den Lagerchef stehen, drehte sich um und ging. Der Russe unternahm nichts gegen sie....
(Weihanchtsansprache 1971)