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Christchurch Attentäter interessierte sich für rechtsextreme Soldaten in der Bundeswehr

"Typisch für eine aggressive neurechte Subkultur": Der Attentäter von Christchurch teilte Artikel über rechtsextreme Soldaten - und war vom norwegischen Massenmörder Anders Breivik inspiriert.

Er bezeichnete sich in seinem Manifest selbst als "Rassisten", "Ethnonationalisten" und "Ökofaschisten", vor Gericht machte er eine bei Rechtsextremen beliebte Geste: Brenton Harrison Tarrant, der Attentäter von Christchurch, macht aus seiner Gesinnung keinen Hehl.

Mit der Planung seiner Tat begann er nach einer Europareise im Jahr 2017, wie sein Bekennerschreiben nahelegt. Während dieses Aufenthalts soll er Gruppen der extremen Rechten getroffen haben, schreibt der britische "Independent" .

Weniger als zehn Minuten vor seiner Tat sendete Tarrant eine Kopie seines Manifests per E-Mail an mehr als 70 Empfänger - unter anderem an das Büro der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Arderns. Das bestätigte ein Sprecher dem "New Zealand Herald" . "Die Mail enthielt seine Gründe, es zu tun. Er hat nicht gesagt, das ist, was ich jetzt tun werde", sagte er. "Es gab keine Möglichkeit, es aufzuhalten."

Auch auf seinem inzwischen gelöschten Facebook-Profil verlinkte Tarrant vielfach auf Artikel mit Europabezug, so etwa ein Stück der "Deutschen Welle" über rechtsextreme Soldaten in der deutschen Bundeswehr. Der 28-Jährige selbst verstand sich offenbar als "Europäer" - obwohl er aus der australischen Kleinstadt Grafton in New South Wales stammt. So schrieb er laut "Washington Post"  unter anderem: "Meine Identität ist europäisch und, am wichtigsten, mein Blut ist europäisch."

Ein Narrativ, das zu der rechtsextremen, rassistischen Abstammungsideologie passt.

Der Terrorismusforscher Peter Neumann, der am Londoner King's College seit vielen Jahren zu Extremismus und Radikalisierung arbeitet, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Tarrant habe sich bei seinem Anschlag auf die "Ideologie traditioneller Neonazis" bezogen. "Zugleich aber spricht er etwa vom 'großen Austausch'", sagte der Professor. "Das ist eine populäre rassistische These der Neuen Rechten, die damit einen 'Kulturkampf' propagiert."

"Ideologie-Mix zusammengesammelt"

Außerdem postete Tarrant nicht nur ideologische Texte oder Verweise, sondern veröffentlichte ein Sammelsurium an scheinbar unsinnigen, kruden und widersprüchlichen Videos und Parolen. Genau dies sei "typisch für eine aggressive neurechte Subkultur im Internet, die sich überall ihren Ideologie-Mix zusammensammelt".

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Terroranschläge auf Muslime: Neuseeland in Trauer vereint

Foto: DPA

Inspiriert wurde Tarrant für seine Tat eigenen Angaben zufolge unter anderem von den rechtsextremen Massenmördern Dylan Roof und insbesondere Anders Breivik. Der Norweger Breivik hatte 2011 bei Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen getötet, die meisten von ihnen Jugendliche.

Es habe einen "kurzen Kontakt" mit Breivik gegeben, behauptete der Christchurch-Attentäter. Ob das allerdings zutrifft, ist zumindest zweifelhaft. Sein Mandant habe nur "sehr begrenzten Kontakt mit der Außenwelt", sagte Breiviks Anwalt Øivein Storrvik der norwegischen Zeitung "VG"  . Es sei sehr unwahrscheinlich, dass es einen Kontakt mit Tarrant gegeben habe.

In dem Video, das Tarrant selbst von der Tat drehte, sind mit Namen beschriftete Waffen und Magazine zu sehen. Sie gehören unter anderem zu historischen Kriegsherren und Schlachten in Europa gegen die Araber oder die Osmanen. Zu lesen ist etwa der Name des venezianischen Offiziers Marcantonio Bragadin.

In Aufnahmen aus dem Auto Tarrants ist zudem ein serbisch-nationalistisches Kampflied zu hören. Das bestätigte der bosnische Botschafter in Neuseeland, Mirza Hajric. Das Lied "Karadzic, führe deine Serben" kursiert im Internet seit einigen Jahren im Zusammenhang mit einem anti-muslimischen Meme. Angaben der bulgarischen Justiz zufolge war Tarrant 2016 und 2018 unter anderen in Serbien, Bosnien-Herzegowina und Bulgarien gewesen.

Offiziell des Mordes beschuldigt

Unter den auf den Waffen abgebildeten Namen finden sich auch Attentäter der jüngsten Geschichte, etwa Alexandre Bissonette, der 2017 in einer Moschee der kanadischen Stadt Quebec sechs Menschen erschoss.

Nicht in diese Reihe passt der Name Ebba Åkerlund. Das Mädchen starb 2017 bei dem Terroranschlag mit einem Lkw in Stockholm. Seine Mutter distanzierte sich von der Instrumentalisierung: Die Tat in Neuseeland widerspreche allem, für das ihre Tochter stand, sagte Jeannete Åkerlund dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender STV.

Ebba sei den Menschen zugewandt gewesen, sagte ihre Mutter. "Sie strahlte Liebe aus, keinen Hass." Sie leide mit allen Familien, die von dem Anschlag auf die Moscheen betroffen seien. "Ich verurteile jede Form von Gewalt."

Augenzeugen schildern die Ereignisse:

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Bei dem Anschlag in der neuseeländischen Stadt Christchurch sind am Freitag mindestens 49 Menschen getötet worden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Verletzte. Tarrant wurde mittlerweile einem Richter vorgeführt und offiziell des Mordes beschuldigt.

bbr/dpa/AFP