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Fotostrecke: 1,50 Dollar am Tag für die Schokoladenindustrie

Foto: Afia Owusu

Kakaohandel Die bittere Seite der Schokolade

Die Supermärkte sind wieder voll mit Schokolade. Aber ob Adventskalender, Engel oder Weihnachtsmänner - der Kakao für die Süßigkeiten wird unter harten Bedingungen angebaut. Eine Aktivistin aus Ghana kämpft gegen das Unwissen an - auch im Überfluss des Luxuskaufhauses KaDeWe.

Berlin - Die üppige Schokoladenabteilung in der Feinkostetage des Berliner Luxuskaufhauses KaDeWe ist für die meisten Besucher überwältigend. Für Afia Owusu ist sie ein Schock. Sprachlos steht die Kakaoexpertin aus Ghana vor den Pralinen, der handgeschöpften Bruchschokolade, den Blechdosen, den Regalen, gefüllt mit meterweise Tafeln aller Größen und Geschmacksrichtungen, von weiß über hellbraun bis tiefschwarz. Für Owusu ist der Anblick bedrückend statt beglückend: "Wir müssen noch viel mehr tun", flüstert sie.

Afia Owusu ist auf Einladung der Organisation Inkota aus Ghana nach Berlin gereist, um im Adventsgeschäft die Kampagne "Make Chocolate Fair!"  zu unterstützen. Owusu setzt sich in Ghana seit fast zwanzig Jahren für die Interessen der verarmten Kakaobauern ein, versucht die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu schützen und wirbt für nachhaltige Anbaumethoden und fairen Handel. "Ich liebe Schokolade", beteuert Owusu mit großen Augen im KaDeWe, "die meisten Kakaobauern aber haben noch nie in ihrem Leben Schokolade probiert, viele wissen gar nicht, was aus den Bohnen hergestellt wird."

Umso verstörender ist auch für sie, die schon viel gereist ist, die Fülle des Angebots im KaDeWe. Bevor sie beginnen kann, über die Arbeitsbedingungen in Ghana zu sprechen, muss sie sich erst die Tränen aus den Augen wischen. Die Situation der Kakaobauern habe sich in den vergangenen Jahren verschlimmert: "In meiner Kindheit waren Kakaobauern wohlhabende Leute", sagt Owusu. Heute gehörten sie mit einem Einkommen von etwa 1,50 Dollar am Tag zu den Ärmsten, fast überall arbeiten auch Kinder auf den Plantagen.

Schuld sind laut Owusu und Inkota auch die Großkonzerne, die den Markt beherrschen: In den achtziger Jahren erhielten die mehr als fünf Millionen Kakaobauern weltweit laut Inkota noch einen Anteil von rund 16 Prozent vom Endpreis einer Tafel Schokolade, heute seien es nur noch 6 Prozent. Den Hauptanbauländern Elfenbeinküste, Ghana, Indonesien und Nigeria stehen fünf Großkonzerne gegenüber, die den Markt für Verarbeitung und Handel mit Kakao dominieren. Sieben weitere Unternehmen, beispielsweise Mars, Nestlé oder Ferrero beherrschen den Großteil des Schokoladenweltmarktes. Der Nettoumsatz der Branche lag im vergangenen Jahr bei 80 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt des Landes Ghana beträgt gerade mal gut 70 Milliarden Dollar.

Der Schokoladenmarkt boomt also, die Branche aber hat ein Problem: Der Kakaonachschub stockt, weil den Bauern der Nachwuchs fehlt: "Die jungen Leute verlassen die Dörfer, weil es dort keine Schulen mehr gibt, keine Ärzte, keine Infrastruktur, nichts", sagt Owusu. Das Durchschnittsalter der Kakaobauern ist auf rund 55 Jahre gestiegen und das in einem Land, in dem die Lebenserwartung bei 65 Jahren liegt. Jetzt sinken die Ernteerträge und "die Schokoladenindustrie wird langsam nervös", sagt Inkota-Campaignerin Evelyn Bahn. Es wäre also der richtige Moment, um höhere Preise zu fordern.

Deutsche sind es gewohnt, Probleme mit Siegeln zu bekämpfen - und dafür auch mehr zu bezahlen. Wäre also flächendeckender Fairtrade-Kakao die Lösung? "Was ist fair?", seufzt Owusu. Ja, die Bauern bekämen ein Quäntchen mehr Geld für ihre Bohnen. "Aber reicht das aus?" Viele entschieden sich gegen eine Zertifizierung, weil sie die Aufnahmegebühr nicht zahlen könnten.

Außerdem konkurrieren drei unterschiedliche Siegel auf dem Markt: Das Siegel der Rainforest Alliance , das vor allem auf den Umweltschutz zielt, das von der Industrie initiierte Siegel UTZ, das vor allem darauf baut, den Bauern dabei zu helfen, ihre Produktivität zu steigern und das offizielle Fairtrade-Siegel , das als einziges Garantiepreise für die teilnehmenden Bauern festlegt. Insgesamt sind derzeit erst 20 Prozent des weltweiten Kakaos zertifiziert und nur ein Bruchteil davon mit dem Fairtrade-Siegel - es verteuert eine Tafel Schokolade in der Herstellung um rund einen Cent. Was der Handel daraus macht, sieht allerdings oft anders aus.

In der Schokoladenabteilung des KaDeWe stößt die Frage nach fair gehandelter Schokolade denn auch auf Unverständnis und Achselzucken, "Haben wir nicht", sagen die Verkäuferinnen, nur eine weiß von einer Marke, auf der das Fairtrade-Siegel prangt. Warum es nicht mehr davon gibt? "Da müssen Sie die Unternehmen fragen."

Tatsächlich gibt es für die siegelbewussten Deutschen auch Weihnachtsmänner, Nikoläuse und Adventskalender aus fair gehandelter Schokolade. Die sind seit Ende November allerdings zum größten Teil ausverkauft .