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Ausland Europa-Offensive

Steve Bannon – der Gescheiterte

Ressortleiter Außenpolitik
Gefiel sich in der Rolle des Phantoms, das die Eliten des Kontinents beunruhigt: Steve Bannon Gefiel sich in der Rolle des Phantoms, das die Eliten des Kontinents beunruhigt: Steve Bannon
Gefiel sich in der Rolle des Phantoms, das die Eliten des Kontinents beunruhigt: Steve Bannon
Quelle: AFP/JOEL SAGET
Tumps Ex-Chefberater wollte am Aufbau einer neuen Generation von Rechtspopulisten in Europa arbeiten. Das Wahlergebnis war aus seiner Sicht eher bescheiden. Und jenseits markiger Worte aus dem Weißen Haus kommt der Angriff des Trumpismus auf Europa nicht voran.

Mächtig ragt der Klosterbau aus dem Wald hervor. Seit 1204 steht die Benediktiner-Kartause Trisulti auf dem Plateau rund einhundert Kilometer östlich von Rom. Mönche gibt es hier nicht mehr, ihnen ging jüngst das Geld für den Unterhalt aus. Der wuchtige Gebäudekomplex mit der Kirche in der Mitte sollte deshalb eine neue Pilgerstätte werden, ein Heiligtum der neuen Rechten. Donald Trumps ehemaliger Chefberater Steve Bannon hatte geplant, hier seine Akademie für Rechtspopulisten gründen. Aber das könnte nun scheitern.

Italiens Kulturministerium ermittelt wegen Verletzung vertraglicher Verpflichtungen. Die von Bannon als „Gladiatorenschule für Kulturkämpfer“ verherrlichte Schule wird womöglich niemals öffnen. Hinter dem Vorgehen der italienischen Regierung steckt auch ein innenpolitischer Machtkampf. Aber zugleich erscheint das drohende Aus der Pläne von Steve Bannon wie ein Symbol für das Scheitern des Amerikaners in Europa, für das Scheitern des Trumpismus in auf dem Alten Kontinent.

Donald Trump kommt in dieser Woche nach Europa – und schickte nun zusammen mit seinem Sicherheitsberater John Bolton markige Worte voraus. Trump lobte in einem Interview mit der britischen Boulevardzeitung „Sun“ den Brexit-Hardliner Boris Johnson. „Ich kenne die verschiedenen Akteure. Aber ich denke, Boris würde einen sehr guten Job machen. Ich glaube, er würde ausgezeichnet sein“, sagte Trump. Boris Johnson war einer der Architekten des Brexit. In der vergangenen Woche entschied ein Gericht, dass er sich vor der Justiz verantworten muss, weil er im Brexit-Wahlkampf mit falschen Zahlen zu den britischen Zahlungen an die EU hantiert hatte.

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Trumps Sicherheitsberater Bolton ging in der britischen Zeitung „The Telegraph“ noch weiter: Der Brexit sei sowohl für London als auch für Washington von Vorteil. „Die Präferenz der USA ist, dass Großbritannien den vom Volk gewünschten Kurs folgt und die EU verlässt“, sagte er. Bolton bezeichnete das Ergebnis des Referendums von 2016 als „Triumph der Demokratie“. Der Brexit biete Großbritannien die Chance, ein „starkes und unabhängiges Land“ zu werden. „Großbritannien ist eine Weltmacht.“

Jenseits der markigen Worte aber ist der Angriff des Trumpismus auf Europa am Ärmelkanal stecken geblieben. Nach seiner Entlassung aus dem Weißen Haus war Trumps Berater Bannon mit großen Ankündigungen nach Europa gekommen. An Selbstvertrauen fehlte es dem 65-Jährigen nicht, wenig verwunderlich. Immerhin hatte Bannon vor drei Jahren einen hoffnungslos chaotischen Wahlkampf von Donald Trump übernommen und im Alleingang binnen weniger Wochen gedreht – und den als Lachnummer gestarteten Kandidaten ins Weiße Haus gebracht. Nun wollte er sich anschicken, auch in Europa zum Paten einer politischen Revolution zu werden.

Bannon tauchte im Frühjahr des vergangenen Jahres diesseits des Atlantiks auf. Er gefiel sich in der Rolle des Phantoms, das die Eliten des Kontinents beunruhigt. Als er etwa im italienischen Wahlkampf vor gut einem Jahr in Rom war, lud er konspirativ zu einem Interview auf einer Dachterrasse der italienischen Hauptstadt und kündigte an: „Macron und Merkel werden fallen wie die Kegel“. In Brüssel gründete der Amerikaner dann eine Bewegung namens „The Movement“, mit dem Ziel, bei den Europawahlen den Triumph in den Vereinigten Staaten zu wiederholen – und den Rechtsnationalismus auch auf dem alten Kontinent zum Sieg zu verhelfen.

„Wir brauchen ihn nicht“

In den Wochen vor dem Europa-Wahlkampf dann hielt Bannon Hof in Europas Luxushotels. Im Hotel Savoia in Mailand, im Adlon in Berlin oder im Bristol in Paris. „Ich will nur die weltweite Infrastruktur der populistischen Bewegung sein“, sagte er in Mailand, wie üblich eher unbescheiden. In einem Interview mit WELT sagte Bannon: „Wenn ich einen Job als politischer Berater bei den populistischen Parteien in Europa wollte, dann könnte ich ihn morgen haben. Die Leute kommen ständig zu mir.“

Allerdings musste man das in dieser Phase des Wahlkampfs längst bezweifeln. Als sich Europas Rechtsnationalisten in den Wochen vor der Europawahl in Mailand trafen, war Bannon nicht dabei. „Wir brauchen ihn nicht“, sagte AfD-Chef Jörg Meuthen laut „New York Times“ am Rande des Treffens. Für die französische Nationalistin Marine Le Pen wurde der Amerikaner sogar zur Belastung auf den letzten Metern des Wahlkampfs. Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war es ein Leichtes, Le Pen, Nationalismus zu predigen – und sich zugleich Hilfe fremder Nationen zu holen. Le Pen, deren Berater sich mit Bannon im Hotel Bristol getroffen hatten, sah sich am Ende zu einer Distanzierung gezwungen. „Er spielt keine Rolle im Wahlkampf“, sagte Le Pen französischen Medien mit Blick auf den Amerikaner.

Steve Bannon lässt sich nicht beirren. „Alles, was ich mir für die EU-Parlamentswahl vorgestellt hatte, passiert gerade“, sagte er im Interview mit WELT vor der Europawahl. „Den populistischen Bewegungen in Europa gelingt etwas Beeindruckendes. Und es sieht so aus, als würden sie nach der Wahl eine große Fraktion im Europäischen Parlament bilden.“

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Steve Bannon im Interview mit Johannes Boie, Chefredakteur der WELT AM SONNTAG
Europawahlkampf
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Von Staatenlenkern, die fallen wie die Kegel, war allerdings keine Rede mehr. Und das Ergebnis der Europawahl war für Bannon dann wohl auch nicht wirklich befriedigend. Wenn man so will, bilden die Rechtsnationalisten eine große Fraktion. Aber vom einst erträumten populistischen Umsturz in Europa nach dem Trump-Muster war nichts zu sehen. Die Parteien verdreifachten zwar ihre Sitze im EU-Parlament. Aber sie sind noch sehr weit davon entfernt, auch nur in die Nähe einer Mehrheit zu kommen. Großzügig gerechnet kommen die Rechtspopulisten auf etwas mehr als 20 Prozent der Sitze im EU-Parlament. Allerdings nur, wenn man ein buntes Gemisch an osteuropäsichen Nationalkonservativen, EU-kritischen Rechtsnationalisten und Sonderfällen wie Fünf Sterne in Italien einrechnet.

Die großen Pläne von Steve Bannon sind nicht aufgegangen. Seine nächste Station ist, wie er vor zwei Wochen sagte, Sachsen. Dort will er vor den Landtagswahlen auf Einladung von Sachsens AfD-Chef Tino Chrupalla sehen, warum die rechtsnationalistische Partei dort so stark ist. Auch ein Thema hat er für Deutschland schon ausgemacht: “Schauen Sie sich das deutsche Rentensystem an, das ist nicht nachhaltig finanziert“, sagte er im WELT-Interview. „Am Horizont kündigt sich ein Sturm an, jeder weiß, dass er kommt. Und Deutschland wird im Zentrum dieses Sturms stehen.“ Vorher könnte allerdings ein Sturm aufziehen, der Bannon trifft.

Seine pan-europäische Bewegung „The Movement“ kam nie wirklich in Gang. Und nun steht auch die geplante Akademie in Italien auf der Kippe. Die sollte eigentlich der britische Bannon-Vertraute Benjamin Harnwell leiten. Harnwell ist der Leiter des katholischen Instituts Dignitatis Humanae, das das Kloster Trisulti 2018 für einen Zeitraum von 19 Jahren für 100.000 Euro pro Jahr vom italienischen Staat pachtete. Aber Kulturminister Alberto Benisoli von der Fünf-Sterne-Bewegung veranlasste eine Überprüfung. Diese brachte „Unregelmäßigkeiten“ bei der Vergabe des Pachtvertrags und „Verletzungen mehrerer vertraglicher Verpflichtungen“ zutage, wie das Ministerium nun mitteilte.

Kein Kontakt mehr zu Donald Trump

Dahinter dürfte auch ein Streit der italienischen Koalitionspartner stecken. Fünf Sterne will damit auch den Bannon-Vertrauten Matteo Salvini von der Lega-Partei treffen, dem Koalitionspartner von Fünf Sterne. Bannon hatte dem Projekt eine Million Dollar zugesagt. Bisher ist er aber offenbar der einzige Spender. Auch auf dem Klostergelände hat sich noch nicht allzu viel getan. Der Umbau der Zellen, in denen die Seminarteilnehmer untergebracht werden sollen, zieht sich.

Zu Donald Trump hat Steve Bannon nach eigener Aussage keinen Kontakt mehr. Wenn der US-Präsident nun für eine Woche nach Großbritannien und Frankreich kommt, wird Bannon das wohl nur aus der Ferne verfolgen. Über die Worte des US-Präsidenten vor seinem Besuch, in denen er Boris Johnson zum britischen Premierminister machen will, wird sich Bannon womöglich freuen. Oder auch nicht. Schließlich ist Boris Johnson zwar ein Brexit-Hardliner. Aber er ist Mitglieder der konservativen Partei. Früher hatte Trump einen anderen großen Favoriten in Großbritannien: Brexit-Initiator Nigel Farage, der deutlich mehr auf Steve Bannons radikaler Linie ist.

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