Deutscher Gesundheitsminister Karl Lauterbach
APA/AFP/John Macdougall
Entführungsplan

Deutscher Minister im Visier von Extremisten

Ermittlungsbehörden sind in Deutschland gegen Mitglieder einer Chatgruppe mit Verbindungen ins rechtsextreme Lager auf Telegram vorgegangen, die Anschläge auf die Strominfrastruktur und die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben sollen. Vier Verdächtige wurden festgenommen und befinden sich in Untersuchungshaft, wie die Behörden am Donnerstag mitteilten.

Ermittelt wird den Angaben zufolge gegen zwölf Personen aus der Chatgruppe. Sie sollen vorgehabt haben, Einrichtungen der Stromversorgung zu zerstören, um so einen bundesweiten Stromausfall auszulösen. Im Visier sollen Stromleitungen und Umspannwerke gewesen sein.

„Damit sollten nach der Vorstellung der Beschuldigten bürgerkriegsähnliche Zustände verursacht und schließlich das demokratische System in Deutschland gestürzt werden“, hieß es in einer Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und des Landeskriminalamts (LKA) Rheinland-Pfalz. Die Ermittlungen gegen die Gruppe liefen seit Oktober vergangenen Jahres.

„Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Reichsbürger“

„Wir haben es mit einer Melange zu tun, bestehend aus Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern, aber auch Reichsbürgern, die wir eigentlich in dieser Form bisher nicht festgestellt hatten“, sagte der Präsident des LKA Rheinland-Pfalz, Johannes Kunz.

Deutscher Minister im Visier von Extremisten

Ermittlungsbehörden sind in Deutschland gegen Mitglieder einer Chatgruppe mit Verbindungen ins rechtsextreme Lager auf Telegram vorgegangen, die Anschläge auf die Strominfrastruktur und die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben sollen. Vier Verdächtige wurden festgenommen und befinden sich in Untersuchungshaft, wie die Behörden am Donnerstag mitteilten.

Es habe in einzelnen Fällen auch Kontakte in die rechtsextreme Szene gegeben. „Sie wollten die Regierungsgewalt in Deutschland übernehmen“, ergänzte der federführende Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Braun.

Wiederholt Drohungen gegen Lauterbach

Außerdem soll die „Entführung bekannter Personen des öffentlichen Lebens“ Bestandteil der Pläne der Gruppe gewesen sein. Namentlich genannt als ein Ziel wurde von den Ermittlern Gesundheitsminister Lauterbach. Der SPD-Politiker hatte wiederholt von Drohungen gegen ihn berichtet.

Anfang März, nachdem der österreichische Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) unter anderem wegen ständiger Anfeindungen zurückgetreten war, schrieb der deutsche Gesundheitsminister auf Twitter: „Es ist eine Schande, dass er durch Drohungen aus dem Amt gedrängt wurde. Auch ich werde rund um die Uhr bewacht und kenne diese Belastung.“ Im vergangenen Herbst hatte Lauterbach geschrieben: „Seit Tagen wird im Netz erneut dazu aufgerufen, mich zu erschlagen. Es ist absolut inakzeptabel, dass so etwas nicht sofort gelöscht werden muss.“

Razzien in mehreren Bundesländern

Im Zuge der Ermittlungen gegen die Chatgruppe wurden den Ermittlungsbehörden zufolge am Mittwoch 20 Objekte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen durchsucht.

Die meisten Aktionen gab es mit fünf in Rheinland-Pfalz, jeweils drei waren es in Bayern und Niedersachsen. Im Einsatz waren rund 270 Beamtinnen und Beamte, darunter Spezialeinheiten. Sichergestellt wurden etwa Waffen, Munition, Bargeld, Goldbarren und Silbermünzen. Vier Beschuldigte seien festgenommen worden, gegen sie seien Haftbefehle beantragt worden.

Festnahme vor versuchtem Waffenkauf

Beschuldigt werden laut Behörden Deutsche im Alter von 55, 54, 50, 42 und 41 Jahren, vorgeworfen werden ihnen die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz.

Die Hauptverdächtigen sollen ein 55-Jähriger aus dem rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße sowie ein 54-Jähriger aus Brandenburg sein. Der 55-Jährige wurde bei der Vorbereitung einer Waffenübergabe festgenommen. Bei den Waffen soll es sich um zwei Kalaschnikow-Gewehre und fünf Pistolen handeln, berichtete das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“. Das Angebot sei eine Falle der ermittelnden Behörden gewesen. Laut dem Bericht wollte die Gruppe insgesamt für mehrere zehntausend Euro Waffen, Minen und Schutzausrüstung kaufen.

Lauterbach: „Werde weitermachen wie bisher“

Lauterbach erhob am Donnerstag schwere Vorwürfe. „Der ganze Vorgang zeigt, dass sich die Corona-Proteste nicht nur radikalisiert haben, sondern dass es mittlerweile um den Versuch geht, den Staat zu destabilisieren“, sagte Lauterbach.

Es gebe Kräfte, die Staat und Demokratie destabilisieren wollten. „Es ist eine kleine Minderheit in der Gesellschaft, aber die ist hochgefährlich; darauf müssen wir achten“, sagte Lauterbach. Über die CoV-Politik könne in der Sache gestritten werden, fügte er hinzu. „Gewalt geht aber nie.“ Der Vorfall mit den Entführungsplänen werde ihn nicht in seiner Arbeit beeinflussen. „Ich werde weitermachen wie bisher“, kündigte der Minister an.

Innenministerin: „Schwerwiegende Bedrohung“

Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „schwerwiegenden terroristischen Bedrohung“. Bewaffnete Reichsbürger und radikalisierte CoV-Leugner verbinde ein grenzenloser Hass auf die Demokratie, auf den Staat und auf Menschen, die für das Gemeinwesen einstehen. Die Entführungspläne gegen Lauterbach und die gewaltsamen „Umsturzfantasien“ zeigten eine neue Qualität der Bedrohung. „Dieser Bedrohung stellen wir uns mit aller rechtsstaatlichen Konsequenz entgegen“, so die Ministerin.