Peinliches “Mimikama”: Wenn angebliche Faktenchecker nachweislich FAKE NEWS verbreiten

Das Geschäft mit dem Faktenchecken, es floriert derzeit, denn es herrscht Krieg: Informationskrieg. Faktenchecker sind dazu da, Sie von frei verfügbaren Informationen abzuschneiden, und das tun sie dann auch unter Einsatz unlauterer Mittel, wie z.B. das österreichische Portal “Mimikama”, das seinen albernen Namen wie folgt erklärt:

“Der Name „Mimikama®“ selbst ist ein Kunstwort, welches aus einer Google-Übersetzerangabe von „gefällt mir“ entstanden ist. Da unsere Arbeit sehr stark mit dem gesellschaftlichen Leben in sozialen Netzwerken verbunden ist, stellt unser Vereinsname eine Brücke zu jenen dar. Das Wort „Mimikama®“ selbst trägt keinerlei Bedeutung im Sprachgebrauch.
[…]
„Wir sind Mensch!“ Wir als Verein haben uns im Jahre 2011 zum Ziel gesetzt, Internetmissbrauch, Internetbetrug und Falschmeldungen bzw. Fakes entgegen zu wirken und zu bekämpfen.”

Nicht jeder, der einen Verein gründet, um Falschmeldungen entgegen zu wirken, ist auch in der Lage, diesem Vereinsgegenstand gerecht zu werden. Okay, wir wiederholen uns, aber: Um Aussagen darauf zu prüfen, ob sie mit der Realität übereinstimmen, ob sie begründet oder belegt sind, reicht es nicht, einen Verein zu gründen. Die dazu notwendige Kompetenz ist das Ergebnis einer entsprechenden Ausbildung und anschließender Übung. Es ist ein Ergebnis von Humankapital, und das vermissen wir eigentlich bei allen, die von sich behaupten, sie würden Fakten checken oder Fakes entgegen wirken wollen.



Mimikama verbreitet derzeit die folgende Meldung:

Die Nachricht, die Mimikama hier verbreiten will, ist eindeutig: Die genannte Studie hat die Folgen von Fake News über SARS-CoV-2 untersucht und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass es einen Zusammenhang zwischen Fake News und Handlungen mit zum Teil fatalen Folgen gibt: Hunderte Menschen, so will Mimikama seine Leser Glauben machen, das habe die Studie herausgefunden, seien Opfer von Fake News geworden:

  • 800 Menschen starben nach dem Konsum von Methanol;
  • 6000 Menschen wurden verletzt;
  • 60 seien erblindet;
  • Für zwei Männer aus Katar hätte das Trinken von Desinfektionsmittel lebensgefährliche Folgen gehabt;
  • 12 Inder wurden krank, weil sie ein Gebräu aus Stechäpfeln getrunken haben;
  • In Saudi Arabien werde Kamelurin als Wunderwaffe gegen COVID-19 angeprießen, mit Limone versteht sich;

Das Problem mit all dem, die Studie, auf die sich Mimikama hier bezieht, durchgeführt von Saiful Islam, Tonmoy Sarkar, Sazzad Hossain Khan, Abu-Hena Mostofa Kamal, S. M. Murshid Hasan, Alamgir Kabir, Dalia Yeasmin, Mohammad Ariful Islam, Kamal Ibne Amin Chowdhury, Kazi Selim Anwar, Abrar Ahmad Chughtai und Holly Seale trägt zwar den Titel: “COVID-19–Related Infodemic and Its Impact on Public Health: A Global Social Media Analysis” hat aber selbst diesen Impact überhaupt nicht untersucht. Um das zu sehen, reicht es bereits, das Abstract zu lesen. Die Studie ist auch bislang nicht, wie Mimikama behauptet, erschienen, sondern im Erscheinen, sie ist nur als Vorab-Text verfügbar, befindet sich derzeit im Peer-Review Prozess, den doch gerade die angeblichen Faktenchecker so wichtig finden. Leicht zu erkennen, am Kleingedruckten am Kopf der Seite. 

“In order to provide our readers with timely access to new content, papers accepted by the American Journal of Tropical Medicine and Hygiene are posted online ahead of print publication. Papers that have been accepted for publication are peer-reviewed and copy edited but do not incorporate all corrections or constitute the final versions that will appear in the Journal. Final, corrected papers will be published online concurrent with the release of the print issue.”

Doch nun zum Abstract:

“Infodemics, often including rumors, stigma, and conspiracy theories, have been common during the COVID-19 pandemic. Monitoring social media data has been identified as the best method for tracking rumors in real time and as a possible way to dispel misinformation and reduce stigma. However, the detection, assessment, and response to rumors, stigma, and conspiracy theories in real time are a challenge. Therefore, we followed and examined COVID-19–related rumors, stigma, and conspiracy theories circulating on online platforms, including fact-checking agency websites, Facebook, Twitter, and online newspapers, and their impacts on public health. Information was extracted between December 31, 2019 and April 5, 2020, and descriptively analyzed. We performed a content analysis of the news articles to compare and contrast data collected from other sources. We identified 2,311 reports of rumors, stigma, and conspiracy theories in 25 languages from 87 countries. Claims were related to illness, transmission and mortality (24%), control measures (21%), treatment and cure (19%), cause of disease including the origin (15%), violence (1%), and miscellaneous (20%). Of the 2,276 reports for which text ratings were available, 1,856 claims were false (82%). Misinformation fueled by rumors, stigma, and conspiracy theories can have potentially serious implications on the individual and community if prioritized over evidence-based guidelines. Health agencies must track misinformation associated with the COVID-19 in real time, and engage local communities and government stakeholders to debunk misinformation.”

Okay, der Text ist in englischer Sprache abgefasst, aber das bestätigt nur unsere Aussage, dass es nicht ausreicht, einen Verein zu gründen oder sich “Faktenfinder” zu nennen, wenn man die Gültigkeit von Aussagen überprüfen will. Wer das Abstrakt gelesen hat und versteht, obwohl es in englischer Sprache abgefasst ist, der weiß, dass die Studie, von der Mimikama behauptet, sie habe die Folgen von Fake News über COVID-19 oder SARS-CoV-2 geprüft, genau das nicht getan hat. Statt dessen haben die Wissenschaftler aus Bangladesch, Thailand, Australien und Japan Berichte zu COVID-19 und SARS-CoV-2 gesammelt, die sie den Kategorien, “Gerüchte (rumors)”, Stigmatisierung (stigma) und Verschwörungstheorien (conspiracy theories) zugeordnet haben. Mit Stigmatisierung ist z.B. gemeint, dass Menschen, weil sie in Krankenhäusern arbeiten, von ihren netten Nachbarn im Mietshaus aufgefordert werden, auszuziehen, um die Gefahr einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 zu reduzieren.



Die Wissenschaftler sammeln (wie auch immer, denn sie geben nicht an, wie sie die Informationen gesammelt haben, was ihre “Studie” relativ wertlos macht) 2.276 Berichte, unter anderem von angeblichen Faktencheckern, Leuten wie denen bei Mimikama oder dem ARD-Faktenfinder oder dem dpa-Faktenchecker, prüfen die Berichte und kommen zu dem Schluss, dass 1.856 der Berichte Behauptungen aufgestellt haben, die nach ihrer Ansicht falsch sind.

Das ist, was die Autoren dieser Studie gemacht haben.
Wie alle Autoren, die solche Studien fabrizieren, stehen Sie vor der Frage, wieso das, was sie da zusammengesammelt haben, relevant sein soll. Ihre Antwort: Es KANN gefährlich werden. Und um diese Behauptung zu belegen führen die Autoren dann folgendes aus:

” For example, a popular myth that consumption of highly concentrated alcohol could disinfect the body and kill the virus was circulating in different parts of the world.33 Following this misinformation, approximately 800 people have died, whereas 5,876 have been hospitalized and 60 have developed complete blindness after drinking methanol as a cure of coronavirus.34–37 Similar rumors have been the reported cause of 30 deaths in Turkey.38 Likewise, in Qatar, two healthy South Asian men ingested either surface disinfectant or alcohol-based hand sanitizer after exposures to COVID-19 patients.39 In India, 12 people, including five children, became sick after drinking liquor made from toxic seed Datura (ummetta plant in local parlance) as a cure to coronavirus disease. The victims reportedly watched a video on social media that Datura seeds give immunity against COVID-19.40

Wer sich über die seltsamen hochgestellten Zahlen wundert, man nennt das Quellenangaben. Die Forscher, von denen Mimikama behauptet, sie hätten gezeigt, dass Fake News gefährlich, tödlich sein können, haben nämlich genau das nicht gezeigt. Vielmehr klauben sie entsprechende Zeitungsberichte, von denen noch zu prüfen wäre, ob sie nicht vielleicht Fake News darstellen, zusammen, um die Wichtigkeit ihrer eigenen Forschung zu begründen.

Die Quellen für die einzelnen Behauptungen im einzelnen:

Der angebliche Mythos, nach dem konzentrierter Alkohol gegen SARS-CoV-2 hilft, ist einer Pressemeldung der WHO entnommen. Wir wissen nun, dass es jemanden bei der WHO gibt, der denkt, es gäbe diesen Mythos. Was wir nicht wissen ist, ob es ihn gibt und wenn ja, wer ihm aufsitzt.

  • 33. World Health Organization, 2020. Alcohol Does Not Protect against COVID-19; Access Should Be Restricted during Lockdown. Alcohol Use. Geneva, Switzerland: WHO, Regional Office for Europe.


Die 700 vielleicht 800 Toten und knapp 6.000 Verletzten, die Methanol auf dem Gewissen haben soll, sind im Iran zu beklagen. Darüber haben Aljazeera, das Gesundheitsministerium des Iran und mehrere Autoren in zwei Fachzeitschriften berichtet. Was daran ist und wie man erklären kann, dass in solchen Fällen immer runde Todeszahlen zu beklagen sind, ist eine offene Frage. Indes ist es aus Ländern, die unter dem Regime des Koran stehen, bekannt, dass Tote aufgrund von Methanol-Vergiftung recht häufig vorkommen. Das ist mehr ein Ergebnis des Schwarzbrennens als ein Ergebnis von SARS-CoV-2-Hysterie bzw. Fake News. Wie verlässlich die Meldungen iranischer Regierungsagenturen sind, ist eine weit offene Frage, die man nur ignorieren kann, wenn man inkompetent in Fragen der Analyse von Fake News ist.

  • 34. Aljazeera, 2020. Iran: Over 700 Dead after Drinking Alcohol to Cure Coronavirus. Aljazeera. Available at: https://www.aljazeera.com/news/2020/04/iran-700-dead-drinking-alcohol-cure-coronavirus200427163529629.html. Accessed June 4, 2020.
  • 35. Iran’s Legal Medicine Organization, 2020. Referral of More than به دلیل یبت ناشی الکل از ابتدای اسفند تا کنون ار جاعش از] March of ingBeginn the since Poisoning Alcohol to Due Deaths 700 فیم متو 700]. Available at: https://www.lmo.ir/news/95987.htm. Accessed July 21, 2020.
  • 36. Delirrad M, Mohammadi AB, 2020. New methanol poisoning outbreaks in Iran following COVID-19 pandemic. Alcohol Alcohol 55: 347–348.
  • 37. Hassanian-Moghaddam H, Zamani N, Kolahi A-A, McDonald R, Hovda KE, 2020. Double trouble: methanol outbreak in the
    wake of the COVID-19 pandemic in Iran-a cross-sectional assessment. Crit Care 24: 402.

Auch die Gerüchte aus der Türkei nehmen ihren Ausgangspunkt bei Medien, in diesem Fall bei der türkischen Ausgabe des Comic News Network:

  • 38. CNN Turk, 2020. 9 Kis¸ i Daha Saf AlkoldenOld ¨ ¨ u [9 More Poeple Died from Pre Alcohol]. Available at: https://www.cnnturk.com/video/turkiye/9-kisi-daha-saf-alkolden-oldu. Accessed June 4, 2020.

Der Beleg dafür, dass zwei gesunde Männer in Katar Handdesinfektionsmittel getrunken haben sollen, um sich vor SARS-CoV-2 zu schützen, stammt wiederum aus einem Beitrag, der in der selben Zeitschrift erschienen ist, in der auch der Beitrag die hier gegenständlichen Autoren veröffentlicht wurde. Offenkundig haben die folgenden Autoren im Bemühen, die eigene Abrechnung mit “social media misinformation” zu legitimieren, einen entsprechenden Artikel in irgendeiner Zeitung aus Katar gefunden oder auf eine Anekdote aus ihrem Bekanntenkreis zurückgegriffen.

  • 39. Ahmed Siddiqui MY, Mushtaq K, Mohamed MFH, Al Soub H, Hussein Mohamedali MG, Yousaf Z, 2020. “Social media misinformation” – an epidemic within the COVID-19 pandemic. Am J Trop Med Hyg 103: 920–921.

Bleiben noch die 12 Kranken, die Stechapfel-Trunk in sich geschüttet haben sollen. Sie wurden von den Autoren in dem wichtigen Periodikum, dem Qualitätsmedium von Indien “Staff Reporter” aufgespürt:

  • 40. Staff Reporter, 2020. Twelve Taken Ill after Consuming ‘Coronavirus Shaped’Datura Seeds.The Hindu. Andhra Pradesh, India: The Hindu.

Sie kennen “Staff Reporter” nicht? Brauchen Sie auch nicht.
Dass sie es nicht kennen, mag daran liegen, dass nicht “Staff Reporter”, sondernThe Hindudie Quelle dieser Nachricht ist.

“Twelve persons, including five children, were taken ill after they consumed a liquor made of toxic seeds of datura (Ummetta plant in local parlance), which resembles the shape of COVID-19 virus, believing that it will protect them from COVID-19, at Alla Kottur village of Baireddipalle mandal, 80 km from here, on Tuesday.

According to information, a youth, who reportedly watched a video on social media which suggested that datura seeds could act as a deterrent to the virus, especially for the elderly and children, allegedly encouraged some families to follow the tip. The seeds were collected from the nearby tank bund on Monday evening. After crushing the seeds, it was mixed with some oils used in Ayurveda. The “drug” was administered to the interested families before breakfast on Tuesday.

Ein Jugendlicher hat also seiner Familie eingeredet, dass Datura Seeds, die giftig sind, vor einer Erkrankung an COVID-19 schützen. Nun, man muss kein großer Sozialpsychologe sein, um zu wissen, dass der Misserfolg dieses Unterfangens eine gewisse Not bei dem Jugendlichen hervorgerufen hat, die Schuld für dieses Fiasko von sich zu schieben und vor die Tür anderer zu legen. Die sozialen Netzwerke sind immer eine gute Adresse, um solches zu tun. Gibt es dort ein Video, in dem behauptet wird, dass Datura Seeds vor einer Erkrankung mit COVID-19 schützen? Niemand weiß es. Niemand hat es geprüft. Die Studie, über die wir hier berichtet haben, ist eine Quellenstudie. Wenn die Autoren alle Quellen so geprüft haben, wie diese, dann kann man ihre Studie getrost in den Mülleimer werfen.



Die ganze Katastrophe, die wir hier ausgebreitet haben, verdeutlicht exemplarisch, wie die Stümper, die von sich behaupten, sie würden Fakten prüfen oder finden, arbeiten: Hörensagen ist ihre Methode, Abschreiben voneinander ihre Masche, jede Form der Überprüfung ist Ihnen fremd. Sie sind Feinde einer offenen Gesellschaft, die angetreten sind, Gerüchte zu streuen und Behauptungen aufzustellen, von denen Sie wiederum behaupten, sie seien korrekt und deren Zweck es ist, Meinungsfreiheit zu unterdrücken.

Solange solche peinlichen Dilettanten ungestört walten können, ist der Weg in den Totalitarismus unausweichlich.

Sie haben nicht wirklich gedacht, die ARD-Faktenfinder seien dieses Mal nicht an der Verbreitung dieser Fake News beteiligt oder?


Wenn es um Inkompetenz geht, darum sie zur Schau zu stellen, ist auf den ARD-Faktenfinder Verlass.
Die Überschrift von Mimikama: Studie: Falschinformationen über Corona-„Heilmittel“ kostete Hunderte Menschen das Leben! ist natürich FAKE NEWS.



Wir wissen nicht, wie viele Menschen die Fake News von Mimikama schon auf dem Gewissen hat. Aber wir wissen, dass mit jedem Faktenchecker ein Stück Rationalität stirbt. 

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