Präsident Xi Jinping hat angekündigt, dass China aus dem Bau von Kohlekraftwerken im Ausland aussteigen wird – doch zu Hause werden weiterhin viele Anlagen gebaut. Wie ernst meint es die kommunistische Führung mit dem Klimaschutz wirklich? Und was hat es mit der Stromknappheit in zahlreichen Provinzen des Landes auf sich? Christoph Nedopil, Professor für Ökonomie und Direktor des Green Finance & Development Centers an der Fudan Universität in Shanghai, erklärt Zusammenhänge.

ZEIT ONLINE: In mehr als 20 Provinzen Chinas ist in den vergangenen Tagen der Strom ausgefallen. In vielen Regionen bleiben Einkaufszentren und Straßen unbeleuchtet, Fabriken müssen ihre Produktion stoppen. Was ist da los?

Christoph Nedopil: Alle Provinzen müssen seit diesem Jahr an Peking berichten, wie sie die Ziele zur Reduktion von Emissionsintensität erfüllen wollen. Jetzt haben einige Provinzen Warnungen bekommen, weil sie die Vorgaben überzogen haben. Daraufhin haben einige die Reißleine gezogen und den Stromverbrauch gedrosselt, wodurch es nun zu den Blackouts kommt. Es spielen natürlich noch andere Faktoren mit hinein. An der aktuellen Krise sieht man außerdem: Der Betrieb von Kohlekraftwerken rechnet sich inzwischen einfach nicht mehr. Kohle ist zu teuer geworden, die Strompreise in China sind aber staatlich reguliert, das heißt, die Betreiber können diesen Anstieg nicht an die Verbraucher weitergeben.

ZEIT ONLINE: Präsident Xi Jinping hat vor der UN-Vollversammlung Chinas Ausstieg aus dem Bau von Kohlekraftwerken im Ausland verkündet. Warum ausgerechnet jetzt?

Nedopil: Die Pekinger Ministerien für Umwelt und Handel sowie die großen chinesischen Banken haben in den letzten Monaten den Bau von Kohlekraftwerken im Ausland neu überdacht. Am Ende haben drei Gründe den Ausschlag gegeben.

Erstens das Wissen darum, dass China seinen versprochenen Beitrag zum Klimaschutz mit dem Neubau von Kohlekraftwerken nicht leisten kann. Den Forderungen der USA und der EU wollte man eventuell auch etwas entgegenkommen. Zweitens wurde die Stromgewinnung aus Kohle im Ausland zuletzt immer teurer im Vergleich zu erneuerbaren Energien. Wind- und Solarstrom werden in den meisten Ländern durch bessere Technologien immer billiger. Das macht die Finanzierung schwierig. Und drittens: Auch viele Partnerländer der Neuen Seidenstraße, Pakistan und Bangladesch etwa, reduzieren die Nachfrage nach Kohlekraftwerken, weil auch diese Länder aktiv am Kampf gegen den Klimawandel teilnehmen.

Der Zeitpunkt, den Kohlestopp in der UN-Vollversammlung zu verkünden, war also opportun. Auch um zu zeigen, dass China beim Kampf gegen den Klimawandel als multilateraler Akteur vorgeht und nicht nur in Eigenregie handelt.

ZEIT ONLINE: China ist nach Ihren Recherchen derzeit in 30 Ländern beim Bau und der Finanzierung von 121 Kohlekraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 138 Gigawatt beteiligt. Gilt das Verbot auch für Werke, deren Bau bereits begonnen hat?

Nedopil: Die Ankündigung von Präsident Xi betrifft zurzeit – nach meiner Auffassung – keine Kraftwerke in bereits fortgeschrittenem Projektstadium. Es gibt aber um die zehn Werke, die angekündigt wurden, wo aber noch nicht mit dem Bau begonnen wurde. Da kann es gut sein, dass diese Projekte noch mal reevaluiert werden. Im Juni fanden wir zudem in einer Studie heraus, dass mehr als die Hälfte der Werke, die seit dem Jahr 2013 angekündigt wurden, keine Fortschritte in der Genehmigung und im Bau machen und teils auf Eis gelegt wurden.

ZEIT ONLINE: Können Sie ein paar Länder nennen?

Nedopil: Ein geplantes Kohlewerk in Kenia mit einer Kapazität von 1,2 Gigawatt wurde zum Beispiel von einem dortigen Gericht wegen unzureichender Umweltplanung gestoppt. Auch Ägypten hat einen bestehenden Vertrag aufgekündigt, um erneuerbaren Energien den Vorzug zu geben. Die Kosten für neue Kohlekraftwerke werden im Vergleich zu grüner Energie immer höher, sie ergeben als Investition immer weniger Sinn. Es gibt aber auch Länder, wie die Türkei, welche weiter auf den Bau von neuen Kohlekraftwerken bestehen.