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Panorama Bud Spencer

„Sie haben dir das Herz rausgerissen? Scheiß drauf!“

Bud Spencer, geboren als Carlo Pedersoli 1929 in der Nähe von Neapel, Schwimmmeister, Schauspieler, Nutznießer der berühmten Faust-Kopf-Ramme Bud Spencer, geboren als Carlo Pedersoli 1929 in der Nähe von Neapel, Schwimmmeister, Schauspieler, Nutznießer der berühmten Faust-Kopf-Ramme
Bud Spencer, geboren als Carlo Pedersoli 1929 in der Nähe von Neapel, Schwimmmeister, Schauspieler, Nutznießer der berühmten Faust-Kopf-Ramme
Quelle: Getty Images
Der legendäre Bud Spencer ist 85 Jahre alt. Da muss es im Gespräch um die wirklich wichtigen Dinge gehen: das Essen, die Schönheit und den Abschied. Und der italienische Filmstar haut hübsch drauf.

Zuallererst ist da diese Stimme. Sie füllt den Raum. Ein Bass, wie er sich nur entwickelt, wenn bereits ein ganzes Leben auf einer Stimme liegt. Und es stellt sich bei der Begrüßung, Buongiorno, ganz kurz eine Verblüffung ein, dass dieser Bud Spencer nun tatsächlich Italienisch spricht, wurde das eigene Erwachsenwerden doch von seinem Schnodderdeutsch begleitet. Diesem Gegrummel seines deutschen Sprechers Wolfgang Hess, den drübergelegten Kalauern in der Synchronisierung.

Er ist mit dem Großejungshumor der Prügelwestern berühmt geworden. An der Seite von Terence Hill, seiner Antithese. Sie waren Helden, vier Fäuste für das deutsche Kino. Im Oktober wird dieser Bud Spencer, der eigentlich Carlo Pedersoli heißt, 86 Jahre alt, er ist mittlerweile Buchautor. Eine zweiteilige Biografie ist bereits erschienen, ein Buch über das Essen auch, ab 1. Oktober gibt es die Aphorismen-Fibel „Was ich Euch noch sagen wollte …“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf-Verlag).

Bud Spencer erklärt die Welt, lädt zu Audienzen, bei denen er, wie auch jetzt im Interviewraum, wie eine Buddha-Figur, jedoch mit der weißbärtigen Altmännerherzlichkeit eines Shoppingmall-Santas in sich selbst zu thronen scheint. Er ist noch immer stattlich, aber das Stehen strengt ihn an.

Die Welt: Herr Pedersoli, wie geht es Ihrem Bauch?

Carlo Pedersoli: Nennen Sie mich Carlo. Weder Herr noch Pedersoli.

Er bietet das Du an, besteht darauf. Bleibt aber selbst beim Sie.

Die Welt: Gut. Carlo, wie geht es deinem Bauch?

Pedersoli: Wenn er gut gefüllt ist, geht es ihm gut. Wenn er leer ist, schlecht.

Die Welt: Du musstest im vergangenen Herbst ins Krankenhaus, was genau war passiert?

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Pedersoli: Das ist schwierig. Selbst die Ärzte haben nicht so richtig kapiert, was da passiert war. Aber es gab eine Blutung im Magen, ich habe drei Liter Blut verloren. Unvorstellbar eigentlich, hat doch der ganze menschliche Körper nur sechs Liter Blut.

Die Welt: Du bist nur wegen deiner Frau zum Arzt gegangen. Ist es nicht das größte Geschenk, auch nach 50 Jahren Ehe noch zu wissen, dass man ohne sie ein Esel ist?

Pedersoli: So würde ich es nicht sagen, das würde ja bedeuten, dass ich den Verstand verloren habe. Aber natürlich habe ich im Leben das große Glück gehabt, diese wunderbare Frau zu treffen. Und das Wunderbarste überhaupt, das Geheimnis dieser Ehe an sich, ist ja, dass ich nie weiß, ob sie mich wirklich liebt. Das ist die Wahrheit.

Die Welt: Gerade ist mit Pierre Brice ein anderer Kinoheld der Deutschen gestorben, nur wenige Tage später James Last. Beide sind Jahrgang 1929 wie Du. Erlebst Du solche Nachrichten zunehmend als Memento mori?

Pedersoli: Nein, ganz im Gegenteil. Das ist für mich keine Mahnung, es stimuliert vielmehr meine Neugierde auf das, was noch geschehen mag. Es ist Ansporn für mich. Wenn Sie jetzt aber andeuten wollen, dass aller guten Dinge drei sind, kann ich Ihnen sagen, dass solcher Aberglaube für einen Neapolitaner keine weitere Bedeutung hat.

Prügeln und prügeln lassen: Das Erfolgsduo Bud Spencer und Terence Hill, hier in „Das Krokodil und sein Nilpferd“ (1979)
Prügeln und prügeln lassen: Das Erfolgsduo Bud Spencer und Terence Hill, hier in „Das Krokodil und sein Nilpferd“ (1979)
Quelle: picture-alliance / KPA Honorar u

Die Welt: Gibt es das noch: den Lebensdurst?

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Pedersoli: Ich spüre diese Leidenschaft für das Leben Tag für Tag stärker.

Die Welt: Es gab vor etwa einem Jahr auch eine Falschmeldung über deinen vermeintlichen Tod.

Pedersoli: Das ist ja dreimal schon geschehen. Ich bin also daran gewöhnt, gestorben zu sein. Der Tod ängstigt mich nicht. Weil ich daran glaube, dass man nicht wirklich stirbt. Die Seelen der Verstorbenen leben wieder auf, sie erzählen die Wahrheit des Universums. So sehe ich das mit größter Gelassenheit. Wir haben es ja nicht in der Hand, wir werden irgendwann vor die Augen des ewigen Vaters treten, ob es nun der christliche oder der islamische ist. Da gibt es dann kein Entkommen. Wir sind, sobald wir geboren werden, auf einer Reise zum Tod.

Die Welt: Du bist bald 86 Jahre alt. Wie wirst du dich dem Tod gegenüberstellen?

Pedersoli: Mit Anstand. Das ist das entscheidende Wort, ich verwende es oft. Ich muss diesen Anstand aufbringen, im Leben. Und wenn das Urteil ergeht. Ja, ich muss dem Tod mit Anstand begegnen.

Die Welt: Wie ist dein Verhältnis zum Leben?

Pedersoli: Das Leben ist eine Farce. Eine Groteske. Das muss man wissen.

Ich bin niemand. Ich zähle nicht und bin vergänglich. Einen Heldenabschied, den gibt es deshalb nicht. Dieses Leben, das habe ich gelernt, ist Schall und Rauch.
Bud Spencer

Die Welt: In deinem neuen Buch hast du persönliche Lebensweisheiten zusammengefasst. Was wären gute letzte Worte, was wäre ein echter Heldenabschied?

Pedersoli: Da muss ich wirklich lachen bei dieser Frage. Und kann nur wieder auf den Anstand verweisen. Denn Anstand in diesem Sinne bedeutet auch, sich selbst einzugestehen, dass man nicht so wichtig ist. Ich bin niemand. Ich zähle nicht und bin vergänglich. Es geht um diese Einsicht. Einen Heldenabschied, den gibt es deshalb nicht. Davon kann keine Rede sein. Auch die Besten, Stärksten und Klügsten sind gestorben. Dieses Leben, das habe ich gelernt, ist Schall und Rauch.

Die Welt: Du hast an zwei Olympischen Spielen teilgenommen als Schwimmer, bist Filmstar gewesen. Es gibt Menschen, die würden so jemanden als Helden bezeichnen.

Pedersoli: Das kann sein, aber es wäre eine völlig falsche Bezeichnung. Ich denke sowieso, dass Heldentum etwas Menschengemachtes ist, ein Hirngespinst. Jemand, der sein Leben für das Vaterland gibt, jemand, der seine Familie schützt, der darf sich Held nennen. Aber ich bin keiner. Ich bin nur ein ungebildeter Jedermann, ein Nichts.

Es ist eine große Schwere in diesem Interview. Der Bud-Spencer-Bass, diese Vibrationsstimme, drückt ausladende Sätze in den Raum. Sätze wie Fausthiebe, in Zeitlupe gesprochen. Eigentlich sollte nun hier der Teil des Gesprächs beginnen, in dem es ein paar Fragen zum Essen gibt, zur Liebe, zu den Frauen. So italienische Themen, Amore und Dolce Vita, aber das funktioniert nicht, weil er stattdessen vom Krieg erzählen möchte. Von den großen Zusammenhängen, dem Leiden der Welt.

Die Frage nach dem besten Rezept, um das Herz einer Frau zu gewinnen, pariert er mit einer kurzen Abhandlung über häusliche Gewalt. Er habe dazu, erzählt Carlo Pedersoli, vor Kurzem einen Vortrag gehalten. Gegen Männer, die ihre Hand erheben. Der Mann, der mal Bud Spencer war, wirbt seit Jahren für Gewaltlosigkeit, Nächstenliebe und Demut. Seinen Glauben trägt er mit sich wie seine Bücher, auf jeder Reise, bei jedem Interview. Er stellt ihn aus, bis die Gespräche zu kleinen Predigten werden, gesprochen von der Kanzel des Alters. Es sind dann immer gleich große Worte. Sie brauchen Platz, er soll ihn haben.

Die Welt: Welche Gedanken kommen mit dem Alter?

Pedersoli: Ich denke viel nach über das Leben. Über den Krieg. Zuletzt habe ich mich gefragt, wie es sein kann, dass Menschen sich gegenseitig abschlachten, zu Hunderttausenden, und danach doch alles beim Alten bleibt. Die Amerikaner werfen die Atombombe auf Hiroshima, und 50 Jahre später trinken die Japaner trotzdem Coca-Cola. Das ist doch der Beweis dafür, wie idiotisch das ist.

Die Welt: Das hört sich ganz so an, als hättest du jetzt im Alter begonnen, einem Atlas ähnlich, die Schwere der Welt zu schultern.

Pedersoli: Es ist nicht ganz so, aber natürlich mache ich mir Gedanken. Wir lernen es ja schon in der Schule, selbst die Gelehrten in der Antike haben gewusst: Die Menschen ändern sich nicht. Nur die Waffen werden andere. Früher haben sie mit Steinschleudern aufeinander gezielt. Heute gibt es die Atombombe. Aber es ist immer dasselbe.

Mit seinen Büchern war Carlo Pedersoli oft auf Lesereise in Deutschland, hier 2012 in Schwäbisch Gmünd
Mit seinen Büchern war Carlo Pedersoli oft auf Lesereise in Deutschland, hier 2012 in Schwäbisch Gmünd
Quelle: picture alliance / dpa

Die Welt: In deinen Rollen warst du der große Esser. Jetzt veröffentlichst du ein Buch mit dem Titel „Was ich Euch noch sagen wollte“. Kann man das: die Weisheit mit Löffeln fressen?

Pedersoli: Es geht nicht um Weisheit, sondern um Frömmigkeit.

Die Welt: Was bedeutet das für dich?

Pedersoli: Ich brauche in diesem fortgeschrittenen Alter die Religion mehr denn je. Ich brauche den Glauben. Ich glaube an Gott, und das ist, was mich rettet. Und ich bete.

Die Welt: Warum?

Pedersoli: Weil ich immer stärker erkenne, wie nichtig all das ist, worauf ich früher großen Wert gelegt habe. Der Sport, als ich groß rauskommen wollte, die Berühmtheit. Wer sich nur für diese vergänglichen Dinge in die Brust wirft, wer nur nach Ruhm und Erfolg strebt, der ist ein Dummkopf.

Die Welt: Warst du ein Dummkopf?

Pedersoli: Ich war ein Idiot. Als ich an den Olympischen Spielen teilnahm als junger Mann, da habe ich mich entblödet, mich mit einer angezündeten Zigarette neben das Becken zu stellen. Nur, um den anderen zu zeigen, dass ich auch so gewinnen kann. So ein Idiot war ich. Ich habe viele Fehler gemacht. Mit den Frauen, den Freunden, überall. Fettnäpfchen, große Dummheiten. Jetzt bin ich bald 86 Jahre alt und sehe viele Dinge anders. Das Leben hat mich gelehrt, dass andere Dinge zählen.

Er lacht, aber es ist kein Spaß. Es ist vielmehr ein großer Ernst, mit dem Carlo Pedersoli in diesem wie auch in anderen Gesprächen seinen Nachlass definiert, aus seinem Leben ein Lehrstück macht. Um eben nicht nur der korpulente Dampfhammer aus dem Italo-Western gewesen zu sein, sondern auch einer, der die Welt verstanden hat, der nicht gehen möchte, ohne Sätze gesagt zu haben, die bleiben.

Diese Sätze, er spricht sie runter, unabhängig von den Fragen. Bis bei seinem Zuhörer tatsächlich die Sehnsucht nach dem Schnodderdeutsch von Wolfgang Hess entsteht. Nach einem Buddy-Spruch, nach ein bisschen selbstironischer Albernheit. Einfach nur zur Entspannung. Das passiert aber nicht, weil er mit seiner Erzählung eben auch eine Armlänge zwischen sich und die Vergangenheit bringt. Bud Spencer sucht als Carlo Pedersoli den Abstand zu sich selbst. Es ist die große Schizophrenie seiner späten Jahre.

Da sitzt nun dieser Mann, der davon lebt, Bud Spencer gewesen zu sein. Und der doch auch gern einfach nur Carlo Pedersoli wäre, der Schwimmer, der Erfinder, der Mann also, der mal fast Jurist geworden wäre, jüngster Student an der Universität in Rom. Da war ja schon so viel Leben vor der Filmkarriere. Aber Bud Spencer, das ist der Name, der auf seinen Büchern steht, sie verkaufen sich genau deshalb. Er kommt davon nicht los.

Die Welt: Zu erkennen, dass man ein Dummkopf ist, das ist doch im Grunde jene Weisheit, die auch in deinen Büchern stecken soll. Nun bist du damit ein erfolgreicher Autor geworden, ein Sänger auch. Ein Spätwerk, mit dem du dich bewusst distanzierst von den Prügelfilmen der Vergangenheit. Trotzdem wirst du immer der schwere Junge der leichten Unterhaltung sein. Kränkt es dich manchmal, als Haudrauf in Erinnerung zu bleiben?

Deine Freundin zieht mit einem anderen um die Häuser? Scheiß drauf! Es gibt immer auch eine andere Frau, du kommst darüber weg. Es ist noch kein Grund, dich zu erschießen.
Bud Spencer

Pedersoli: Nein, ganz entschieden nein. Denn es ist besser so. Ich sage Ihnen auch, warum. Das Publikum wollte immer so sein wie ich, es hat sich mit Bud Spencer identifiziert, sich in ihn hineinversetzt. Und sich damit einen Mythos geschaffen.

Die Welt: Was macht diesen Mythos aus, warum Bud Spencer?

Pedersoli: Ganz einfach. Es gibt auf der Welt, in Italien, in Deutschland, überall, diesen kleinen Mann, der sich tagtäglich mit seinem Beruf, schwerer Lohnarbeit herumärgern muss, mit dem Chef, dem Alltag. Und wer würde diesem Alltag, diesem Anrennen gegen die Widrigkeiten, nicht gern mal eine Ohrfeige verpassen. Oder einen Faustschlag versetzen. Genau das habe ich als Bud Spencer gemacht. In den Filmen. Und deshalb bin ich berühmt. Aber ich bin nicht so.

Die Welt: Der deutsche Dichter Theodor Fontane hat einmal gesagt, ein guter Aphorismus ist die Weisheit eines ganzen Buches in einem einzigen Satz. Welches wäre das Wort, in dem dein ganzes Leben steckt?

Pedersoli: „Futteténne!“, scheiß drauf! Das ist nicht Italienisch, sondern Neapolitanisch. Und es ist, was ich gelernt habe. Scheiß drauf! Am Ende. Ich habe darüber auch ein Lied geschrieben. Dort heißt es: Sie haben dir das Herz rausgerissen? Scheiß drauf! Deine Freundin zieht mit einem anderen um die Häuser? Scheiß drauf! Es gibt immer auch eine andere Frau, du kommst darüber weg. Es ist noch kein Grund, dich zu erschießen.

Anfänge im Western: Bud Spencer und Terence Hill 1971 in „Vier Fäuste für ein Halleluja“
Anfänge im Western: Bud Spencer und Terence Hill 1971 in „Vier Fäuste für ein Halleluja“
Quelle: picture alliance /

Die Welt: Schreibst du am Ende trotzdem gegen deine eigene Vergänglichkeit an?

Pedersoli: Nein. Überhaupt nicht. Das ist mir doch so was von egal. Da stehe ich drüber, ich habe wahrhaft vieles erreicht und erlebt. Die Liebe und das Geld, jetzt lässt der Körper nach. Ich habe die 85 Jahre erreicht und kann sagen: Körperlich ging es mir nie schlechter, auch da stehe ich drüber. Und bin sehr neugierig darauf, was danach passiert.

Die Welt: Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?

Pedersoli: Aber ganz sicher doch. Das gibt es.

Die Welt: Was wäre deine Henkersmahlzeit, und mit wem würdest du diese einnehmen wollen?

Pedersoli: Spaghetti. Mit Jesus Christus.

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