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Erinnerungen an legendäre TV-Runde am Wahlabend 2005: „Sagen Sie, war er betrunken?“ Ex-ZDF-Chef über Schröder-Auftritt bei Elefantenrunde
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Bundestagswahl historisch
dpa Die legendäre Elefantenrunde 2005: Altkanzler Schröder (r.) und seine Kontrahentin Merkel

Die „Elefantenrunde“, die am Wahlabend gemeinsam von ARD und ZDF übertragen wird, hat schon für viel Gesprächsstoff gesorgt. Doch keine Runde der „Großen“ der Politik hatte es so in sich wie jene am 18. September 2005. Vor allem, was den Auftritt von Kanzler Gerhard Schröder betrifft. Um ihn ranken sich bis heute Legenden.

Die gesamte deutsche Spitzenpolitik war bei der „Berliner Runde“ an jenem Abend vertreten: alle Vorsitzenden der damals im Bundestag vertretenen Parteien waren gekommen, um über den Ausgang der Wahl zu diskutieren, eingeladen von den damaligen Chefredakteuren und Moderatoren der Runde Nikolaus Brender (ZDF) und Hartmann von der Tann (ARD). Im Mittelpunkt standen natürlich die beiden Spitzenkandidaten von SPD und CDU: der damalige Noch-Kanzler Gerhard Schröder und Herausforderin Angela Merkel, die Kandidatin der Union.

Doch bei jenem Treffen vor zwölf Jahren war vieles anderes als bei den vorherigen „Elefantenrunden“ der „Großen“ der deutschen Politik. Selbst heute, schreibt Brender in einem Gastbeitrag für "Cicero", stoße der „geistige Zustand von Gerhard Schröder“ noch immer auf großes Interesse. Und es sei immer dieselbe Frage, die ihm dabei gestellt werde: „Sagen Sie mal, war er betrunken?“

Schröder raunzte den Moderator vor der Sendung an: "Sie Held, Sie!"

Die Stimmung war an jenem Abend hochgradig angespannt. Denn entgegen der monatelangen Vorhersagen der Meinungsforschungsinstitute hatte die Union ihren deutlichen Vorsprung auf die SPD, den sie noch im Juni 2005 gehabt hatte, eingebüßt. Schon die ersten Hochrechnungen prognostizierten an jenem Abend ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden großen Volksparteien.

Die Moderatoren waren schon bei vorherigen Elefantenrunden immer wieder „ins Sperrfeuer der Diskutanten“ geraten, so Brender. Und so habe er es fast schon als eine „alte Tradition“ empfunden, als Schröder ihn in Anspielung auf die Prognosen vor der Wahl gleich mit „Sie Held, Sie!“ anraunzte, als er mit dem damaligen Kanzler noch vor Beginn der Live-Übertragung zusammentraf.

Der SPD-Kanzler "konnte den Kampf kaum abwarten"

Gegen alle Gewohnheiten, schreibt Brender weiter, sei Schröder an jenem Abend schon sehr früh in das Studio gekommen – „ein Zeichen dafür, dass er den Kampf kaum abwarten konnte“. Vielen Wählern war schon zuvor klargeworden, dass Schröder in Angriffslaune war, als sie bei der Übertragung der ersten Hochrechnungen aus dem Willy-Brandt-Haus den frenetischen Jubel Schröders übertrugen, der wie in einem Rausch nun plötzlich vor seinen Anhängern von einem „klaren Regierungsauftrag“ sprach, obgleich die Prognosen für SPD und CDU zwischen 34 und 35 Prozent hin- und herpendelten.

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Und schon gleich zu Beginn der Eröffnung der „Elefantenrunde“ war allen 15 Millionen TV-Zuschauer, die sich zugeschaltet hatten, klar, dass sie an jenem Abend etwas Besonders sehen würden. Denn kaum hatte Brender mit „Herr Bundeskanzler“ zu seiner ersten Frage ausgeholt, unterbrach Schröder ihn schon mit den Worten und einem breiten Grinsen im Gesicht: „Schön, dass Sie mich schon ansprechen“, offenbar beleidigt, dass von der Tann die erste Frage des Abends an Merkel gerichtet hatte.

Nur wenig später schiebt Schröder nach, dass er „Bundeskanzler“ auch bleiben werde. Nach zahlreichen Unterbrechungen ließ der Noch-Kanzler dann sogar die Runde wissen, dass „niemand außer mir“ in der Lage sei, eine stabile Regierung zu bilden. „Der Ausdruck Raubtiergrinsen passte zu seinem Minenspiel“, so Brender.

Ein aufgeputschter "Kriegselefant" im "Kampf gegen Realitäten"

Doch weder Brender noch Hartmann haben im Nachhinein die Legende eines betrunkenen Kanzlers gestützt. „Hartmann von der Tann und ich hatten nicht den Eindruck, dass es der Alkohol war, der Schröder an diesem Abend in einen Kriegselefanten verwandelte. Es war das ausgebrochene Ego, das den Kanzler aufputschte und seine Attacken gegen die Kanzlerkandidatin Merkel, gegen die Moderatoren und gegen die Realitäten des Wahlergebnisses reiten ließ“, schreibt Brender bei „Cicero“.

Doch nicht nur Schröder, sondern auch Merkel habe sich irritierend verhalten, erinnert sich Brender. Die spätere Wahlsiegerin habe das Studio mit einem „versteinerten Gesicht“ betreten, Schröder und dessen damaligen Außenminister Joschka Fischer etwas zu spät begrüßt, um anschließend „wie in Trance“ wieder auf ihren Platz zurückzugehen.

Hochrechnungen, die Merkel und die CDU wie Hammerschläge trafen

Nach Brenders Meinung habe Merkel wie benommen gewirkt, die Realität um sich herum „nicht wahrgenommen“ – wie benebelt von der Vorstellung, „das zweitschlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der CDU“ einzufahren. Hochrechnungen, die ihre Partei „wie Hammerschläge“ trafen, „noch schlechter als Stoiber drei Jahre zuvor“.

Ein Kanzler außer Rand und Band, der seinen „Auftritt als Abtritt inszenierte“ und eine Herausforderin, die am Ende doch noch mit einem kleinen Vorsprung die Mehrheit schafft – so ist die Elefantenrunde von 2005 im Gedächtnis geblieben. Eine Runde, mit der Kanzler „Schröder sich um Kopf und Kragen redete und der Kandidatin Merkel damit das Fundament zur Kanzlerschaft goss“, so Ex-ZDF-Chef Brender.

Die Bundeswahl 2005 hat die Union gelehrt, wie vorsichtig sie mit komfortablen Umfragevorsprüngen umgehen sollte. Merkel hat drei Legislaturperioden Kanzlererfahrung hinter sich, ihr Gemüt gilt als unerschütterlich. Ihr jetziger Herausforderer Martin Schulz ist deutlich impulsiver. Auf die Elefantenrunde am Wahlabend des 24. September dürfen die Zuschauer sich auf jeden Fall schon jetzt freuen - ganz gleich, wie das Ergebnis ausgehen wird. 

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