An der Ausstellung «Burquoi» in der Galerie des Nassauischen Kunstvereins lässt sich die Burka hautnah erleben. (Bild: Ralph Orlowski / Reuters)

An der Ausstellung «Burquoi» in der Galerie des Nassauischen Kunstvereins lässt sich die Burka hautnah erleben. (Bild: Ralph Orlowski / Reuters)

Frauenfeinlicher Islam: Wir Frauen müssen wieder aufstehen

Die Jahre nach der Kölner Silvesternacht waren eine Evolution der Gewalt: Belästigungen, Vergewaltigungen und Morde wie jetzt in Österreich. Sind wir diesen schweren Weg gegangen, um jetzt vor dem frauenfeindlichen Islam zu kuschen?

Laila Mirzo
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«Bedecke dich!», rief er mir auf Arabisch zu, der Mann auf der Rolltreppe zur U-Bahn-Station in Wien. Und ich, die immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat, war sprachlos.

An diesem Herbsttag war ich in Mantel und Schal gehüllt; kein tiefer Ausschnitt oder kurzer Rock hätte das Gemüt erregen können. Es waren meine Haare, die diesen Mann störten. Ich kenne diese Beflegelung aus Syrien, wenn ich mit Pferdeschwanz und Jeans durch die Strassen ging. «Bedecke dich!» ist viel mehr als die Aufforderung, sich mit einem Kopftuch zu verhüllen. Es sagt «Geh nach Hause!», es sagt «Hure!».

In den Köpfen vieler muslimischer Männer sitzt nämlich ein Frauenbild, dem Gleichberechtigung und Selbstbestimmung fremd sind. Für sie gilt nur eine Formel: Eine ehrbare Frau treibt sich nicht allein auf der Strasse herum und schon gar nicht nachts. Frauen und Mädchen, die in Bars oder Diskotheken unterwegs sind, tanzen und ihren Spass haben, sind leichte Mädchen. Sie zu beleidigen oder anzufassen, ist kein Unrecht, schliesslich wollen sie es doch nicht anders. Solche Frauen dienen dem Vergnügen.

Dabei sind viele dieser Männer nicht einmal strenggläubige Muslime. Man sieht sie Alkohol trinken, manche nehmen Drogen oder gehen ins Freudenhaus. Das alles entspricht nicht einem gottgefälligen Leben, aber diese Männer sind in einer islamischen Kultur sozialisiert worden, in der die Frau einen minderwertigen Status hat – das gilt für eine ungläubige Frau erst recht.

Die Party ist vorbei

Dieses Frauenbild manifestierte sich in den sexuellen Übergriffen der Kölner Silvesternacht von 2015. In dieser Nacht wurden wir Frauen in unsere Schranken verwiesen, es war unser Waterloo, eine Niederlage im gewonnen geglaubten Kampf für die Frauenrechte. Die Party war vorbei, danach gab es eine Armlänge Abstand und Sicherheitsinseln.

Die folgenden Jahre waren eine Evolution der Gewalt: Belästigungen, Vergewaltigungen und Morde.

Gerade Österreich wurde in den letzten Wochen von einer Reihe von Frauenmorden erschüttert. Dabei fällt immer wieder auf, dass die mutmasslichen Täter einen Migrationshintergrund haben und Muslime sind. Und auch ich frage mich, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Islam und dieser Gewalt gibt. Kann es denn sein, dass die sexuellen Übergriffe und die Gewalt gegen Frauen eine religiös-kulturelle Motivation haben?

Auch nichtmuslimische deutsche, österreichische und Schweizer Männer schlagen ihre Frauen und bringen sie um. Die Nachrichten sprechen dann von tragischen «Beziehungstaten». Der Unterschied zu den Taten, die von Muslimen begangen werden, ist aber der, dass die westliche Gesellschaft Gewalt und Rachemorde kollektiv verurteilt, während der Islam diese Taten legitimiert.

Ich habe auch eheliche Gewalt erlebt und bin deshalb zur Polizei gegangen. Dort wurde mir geholfen, ich wurde ernst genommen. Geschieht das aber einer Frau in einem islamischen Land, wo die Scharia Teil des Rechtssystems ist, sieht es ganz anders aus. Die Stellung der Frau vor dem islamischen Gesetz zeigt sich im Umgang mit Vergewaltigungsopfern. Eine Frau, die dort einen sexuellen Übergriff meldet, wird oft selber dafür bestraft. Dies geschieht auch in «Hochglanz»-Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Frauen werden selbst in Haft genommen, weil ihnen «vorehelicher Geschlechtsverkehr» vorgeworfen wird. Die Scharia wertet eine Vergewaltigung als ausserehelichen Sex, wenn der mutmassliche Täter nicht geständig ist oder die Frau nicht vier männliche Zeugen benennen kann. Ist die Frau verheiratet, wird sie sogar wegen Ehebruchs verurteilt. In Ländern wie Saudiarabien oder Iran droht ihr dann sogar die Steinigung. Ist das nun alles eine Fehlinterpretation des Islam?

Der Koran erlaubt die körperliche Züchtigung der Frau, wenn der Mann ihre «Widerspenstigkeit» fürchtet. Häusliche Gewalt ist in der muslimischen Gesellschaft weit verbreitet, es gibt dafür kaum ein Unrechtsbewusstsein. Frauen, die nicht gehorchen, werden geschlagen, das ist so normal, dass auch ganz offen damit umgegangen wird. Die Morgenshow «Sabahiyat» des marokkanischen öffentlichrechtlichen Senders M2 gab im November 2016 sogar Tipps, wie Frauen ihre «Augenveilchen» und die Hämatome im Gesicht überschminken können.

Auch der sogenannte Ehrenmord ist in vielen Familien ein probates Mittel, um die Ehre zu schützen oder wiederherzustellen, und er ist in weiten Teilen der muslimischen Gesellschaft akzeptiert. Dies spiegelt sich auch im Strafmass vieler arabischer Länder wider. Im Westjordanland zum Beispiel herrschen solch archaische Zustände. Ehrenmorde gehören hier zur beduinischen Stammeskultur und werden von Polizei und Justiz mitgetragen. In § 340 des Strafgesetzbuches steht: «Wer seine Frau oder eine heiratsfähige Frau beim Ehebruch oder Betrug ertappt und sie ermordet, hat Anrecht auf mildere Umstände.» Oft kommen die Täter nach wenigen Monaten Haft wieder frei.

In Syrien, im Irak, in Algerien, Kuwait, Libyen und den Emiraten ist laut Human Rights Watch die rechtliche Situation vergleichbar. Der Grund für diesen Missstand ist, dass in den islamischen Gesellschaften die Frau die Trägerin der Familienehre ist. Benimmt sich die Frau oder das Mädchen nicht nach den Vorstellungen der Familie, kann dies gefährliche Konsequenzen für sie haben. In manchen Fällen entlädt sich der Familienzorn auch über männliche Familienmitglieder, wenn ihnen beispielsweise Homosexualität angelastet wird.

Hass und Rache

Dabei ist der Ehrenmord nicht explizit im Koran oder in der Sunna, der Biografie des Propheten Mohammed, erwähnt oder gar befohlen. Er leitet sich aber aus der Scharia ab, die schwere Strafen für untreue Frauen vorsieht. Wer also durch sein moralisches Fehlverhalten der Familie Schaden zufügt, der bringt auch dem Islam Schaden, so die Denkweise vieler rückständiger Muslime.

Tatmotive dieser heimtückischen Morde sind oft Rache und eine gekränkte Ehre. Es passt nicht in das Weltbild dieser Männer, wenn sich die Frau von ihnen abwendet. Diesen Hass mussten auch Mia aus Kandel und Michelle aus Steyr mit ihrem Leben bezahlen. Die Teenager hatten sich von ihren muslimischen Freunden getrennt und wurden dann zu Opfern dieses abschätzigen Frauenbildes. Mia und Michelle sind nur zwei Namen auf einem grossen Grabstein, viele andere Namen werden nicht erwähnt oder von der Finsternis der Vergessenheit verschluckt. Ihr Schicksal sorgt nicht für einen medialen Aufschrei oder eine Empörung der Öffentlichkeit. #MeToo hat diese Frauen vergessen. Haben denn diese Opfer keine Lobby?

Die #MeToo-Kampagne hat weltweit hohe Wellen geschlagen. Männer, die sexuelle Übergriffe begangen hatten, wurden zur Verantwortung gezogen. Unzählige prominente Frauen sind an die Öffentlichkeit gegangen und haben damit auch den unbekannten Opfern eine Stimme gegeben. Doch wehe der Frau, die das Opfer des «falschen» Täters geworden ist! Denn hier wird mit zweierlei Mass gemessen. Wenn Frauen von Migranten belästigt werden, dann scheint die öffentliche Moral auf beiden Augen blind zu sein. Die Übergriffe auf Frauen durch Migranten werden oft entweder als Einzelfall dargestellt oder als Folge von Kriegs- und Fluchttraumata relativiert. Mediale Erwähnung finden die Übergriffe meistens nur am Rande.

Was ist aus uns geworden, dass wir Opfer in eine erste und eine zweite Klasse einteilen? Ich denke, dass wir den Täter, sollte er ein Ausländer sein, nicht als Täter wahrnehmen, sondern grundsätzlich als Opfer der weltpolitischen Konflikte. Wenn er Angehöriger einer religiösen Minderheit ist oder gar geflüchtet ist, dann erzeugt sein gesellschaftlicher Status eine Art «Beisshemmung», die eine kritische Auseinandersetzung mit der Gewalt gegen Frauen verhindert.

Bin ich jetzt eine Rassistin?

Doch mit Verschweigen und Verharmlosen kommen wir nicht weiter. Sind wir Frauen wirklich diesen weiten und schweren Weg gegangen, um jetzt vor einer frauenfeindlichen Religion zu kuschen? Warum verschliessen so viele ihre Augen vor den Menschenrechtsverletzungen in den islamischen Ländern? Bin ich eine Rassistin, weil ich es nicht akzeptieren will, dass im Namen einer Religion auf unseren Grundrechten herumgetreten wird? Ich sage Nein! Religion ist keine Rasse, Religion ist eine Haltung, und ich nehme diese Haltung nicht kritiklos hin!

Wenn im Koran (Sure 33, Vers 59) steht: «O Prophet, sprich zu deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Weibern der Gläubigen, dass sie sich mit ihrem Überwurf verhüllen. So werden sie eher erkannt und werden nicht verletzt», dann haben die Übergriffe auf uns «ungläubige» Frauen System!

Wenn ein Muslim einer Frau den Handschlag verweigert, dann ist das kein harmloser religiöser Brauch. Er sagt damit, dass ich unrein bin, dass ihn die Berührung mit mir beschmutzt und er sich danach wieder waschen muss. Wo sind hier die Feministinnen?

Wir Frauen müssen wieder aufstehen! Aber nicht gegen die Männer, sondern gegen eine diskriminierende Ideologie. Sonst werden die Frauenrechte zu einem Kalender, von dem jeden Tag ein Blatt abgerissen wird. Die Rettungsparole «Frauen und Kinder zuerst!» hat sich umgekehrt in einen Schlachtruf: «Nehmet euch die Frauen und Kinder zuerst vor!» In einem gewaltvollen Konflikt sind die Schwächsten der Gesellschaft die ersten Opfer. Es trifft uns Frauen, und es trifft unsere Kinder.

«Diese jungen Männer sind nicht aufgeklärt», hat unlängst eine Dame bei einem meiner Vorträge eingeworfen. Sie wüssten nicht, wie man mit Frauen umgehe, meint sie. Darauf entgegnete ich: «Wer sich auf sein Handy einen Porno herunterladen kann, der kann sich auch die Uno-Menschenrechtscharta anschauen!»

Laila Mirzo ist deutsch-syrische Ex-Muslimin und Trainerin für interkulturelle Kompetenz. Zuletzt ist von ihr erschienen: «Nur ein schlechter Muslim ist ein guter Muslim. Über die Unvereinbarkeit des Islam mit unserer Kultur». Riva-Verlag, München 2018.