Bischof Semeraro, C8-Sekretär: Was Papst Franziskus an Strukturreformen will (und was nicht)


Bischof Marcello Semeraro, C8-Sekretär und Berater von Papst Franziskus(Rom) Der Sekre­tär des C8-Kar­di­nals­ra­tes, den Papst Fran­zis­kus als Bera­tungs­gre­mi­um für die Kuri­en­re­form und die Lei­tung der Welt­kir­che ein­ge­rich­tet hat, nahm in der Jesui­ten­mo­nats­zeit­schrift Jesus Stel­lung. Msgr. Mar­cel­lo Semer­a­ro, Bischof von Alba­no bei Rom und in der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz für die Glau­bens­leh­re, die Ver­kün­di­gung und die Kate­che­se zustän­dig, betont in dem Inter­view, daß Papst Fran­zis­kus „weder die Struk­tur der Kir­che zur Dis­kus­si­on stellt, noch zur Dis­kus­si­on stel­len kann, da sie nach dem Wil­len Chri­sti hier­ar­chisch ist“. Der Papst stel­le „viel­mehr die Ver­hal­tens­for­men, die Sti­le zur Dis­kus­si­on“. Eine Dezen­tra­li­sie­rung „bedeu­tet nicht, das Zen­trum zu ver­lie­ren, son­dern viel­mehr es von der Last all des­sen zu erleich­tern, was ihm nicht direkt zukommt“. Zur aktu­el­len Dis­kus­si­on mit zahl­rei­chen Fra­ge­zei­chen doku­men­tie­ren wir die Stel­lung­nah­me von Bischof Semeraro.

Was meint Papst Franziskus mit „Synodalität“?

Anzei­ge

Der Papst spricht häu­fig von „Syn­oda­li­tät und stellt sie sich wie eine Lebens­form der Kir­che vor, aber er stellt die Struk­tur der Kir­che nicht zur Dis­kus­si­on und kann sie nicht zur Dis­kus­si­on stel­len, da sie nach dem Wil­len Chri­sti hier­ar­chisch ist“. Mit die­sen Wor­ten umschrieb Bischof Mar­cel­lo Semer­a­ro von Alba­no die Reform­ab­sich­ten von Papst Fran­zis­kus, der ihn zu einem sei­ner eng­sten Bera­ter gemacht hat.

Bischof Semer­a­ro ver­such­te im Gespräch mit der Zeit­schrift Jesus eini­ge Fra­gen zu klä­ren, die seit der Wahl von Papst Fran­zis­kus für Dis­kus­sio­nen sor­gen. Dazu gehö­ren Hier­ar­chie und Pri­mat des Pap­stes. Seit sei­nem ersten Auf­tre­ten auf der Log­gia des Peters­doms am Abend des 13. März 2013 fiel Beob­ach­tern die Beto­nung der Selbst­be­zeich­nung als „Bischof von Rom“ auf. Dazu der Hin­weis auf Igna­ti­us von Antio­chi­en, daß die Kir­che von Rom einen „Vor­sitz der Lie­be“ über alle Kir­chen inne­ha­be. „Syn­oda­li­tät“ stellt eine Begriffs­neu­schöp­fung dar, die es vor Papst Fran­zis­kus nicht gab und die eine Son­der­form der Kol­le­gia­li­tät zu mei­nen scheint, wie sie die Ost­kir­chen für die Bischö­fe ken­nen, aller­dings auch die pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaf­ten in Form einer Nach­ah­mung poli­ti­scher, in orga­ni­sier­te Frak­tio­nen zer­fal­len­der Parlamente.

Wei­te­re Indi­zi­en in Rich­tung Syn­oda­li­tät sind in den Pre­dig­ten des Pap­stes in St. Peter und den mor­gend­li­chen Kurz­pre­dig­ten in San­ta Mar­ta zu fin­den. Am 29. Juni des Vor­jah­res, dem Hoch­fest der Apo­stel­für­sten Petrus und Pau­lus bot Papst Berg­o­glio in sei­ner Pre­digt kon­kre­ten Ein­blick in sei­ne Ideen­welt. Damals sprach der Papst von Syn­oda­li­tät, beton­te jedoch die Not­wen­dig­keit der „Über­ein­stim­mung mit dem Pri­mat des Petrus“. Eine Kor­rek­tur der ersten Eupho­rie nach eini­gen Mona­ten des Pontifikats?

Nicht Hierarchie, sondern Verhaltensstile zur Diskussion stellen

Auf die­sem Punkt beharrt Bischof Semer­a­ro: „Man­che stel­len einen Ver­gleich mit einer mon­ar­chi­schen Struk­tur in Pyra­mi­den­form her. Und tat­säch­lich ist die Kir­che hier­ar­chisch. Der Papst als guter Jesu­it wie­der­holt häu­fig das Wort des hei­li­gen Igna­ti­us ‚unse­re Hei­li­ge hier­ar­chi­sche Mut­ter Kir­che‘.“ Das alles ste­he nicht zur Dis­kus­si­on und sei daher auch nicht Gegen­stand einer Revi­si­on. Wenn über­haupt, „sind es viel­mehr die Ver­hal­tens­for­men und Sti­le, die zur Dis­kus­si­on gestellt wer­den“, so Bischof Semer­a­ro. Doch Papst Fran­zis­kus „stellt kei­nes­wegs Hier­ar­chie und Cha­ris­ma in einen Gegen­satz. Das Cha­ris­ma ist in der Kir­che. Das Pro­blem sind wir, wenn wir uns nicht vom Geist füh­ren und erwär­men las­sen“, so Msgr. Semer­a­ro. Kurz­um, wenn die so häu­fig genann­te „Revo­lu­ti­on“ statt­fin­det, dann nicht hier.

Papst wolle „Dezentralisierung“ unter Anführungszeichen

Ein ande­rer häu­fig in die­sem Zusam­men­hang ange­spro­che­ner Bereich ist die Dezen­tra­li­sie­rung. Im Apo­sto­li­schen Schrei­ben Evan­ge­lii Gau­di­um vom Novem­ber des Vor­jah­res deu­tet der Papst an, den Epi­sko­pa­ten der Orts­kir­chen Par­ti­ku­lar­fra­gen, die beson­ders sie betref­fen, die­sen zu über­las­sen. Eine Andeu­tung, die von nicht weni­gen als gefähr­li­che Form der Föde­ra­li­sie­rung der Kir­che gele­sen wur­de. Die bestehen­den Pro­ble­me könn­ten dadurch nicht bes­ser gelöst wer­den, son­dern statt des­sen eine noch nicht abseh­ba­re Viel­zahl an neu­en Pro­ble­me erst dadurch ent­ste­hen. Jesus erwähnt etwa Pro­ble­me bei der Über­set­zung des Mis­sa­le und ande­rer lit­ur­gi­scher Tex­te in die ver­schie­de­nen Volkssprachen.

Bischof Semer­a­ro gibt zu, daß Papst Fran­zis­kus tat­säch­lich das Wort „Dezen­tra­li­sie­rung“ gebraucht, es aber unter Anfüh­rungs­zei­chen setzt. Auf die­se Fein­hei­ten sei zu ach­ten. Der Papst meint es zunächst dahin­ge­hend, daß man sich nicht immer vom päpst­li­chen Lehr­amt eine defi­ni­ti­ve und voll­stän­di­ge Ant­wort zu jed­we­dem Pro­blem erwar­ten kön­ne. Die Lösung der Pro­ble­me eines bestimm­ten Gebie­tes fal­le in erster Linie in die Zustän­dig­keit der Ortsbischöfe.

„Panikmache“ könne „begründet sein, sei aber nicht gerechtfertigt“

Dezen­tra­li­sie­ren laut der Absicht von Papst Berg­o­glio „bedeu­tet nicht, das Zen­trum zu ver­lie­ren; son­dern viel­mehr die­ses von der Last zu erleich­tern, von all dem, was nicht direkt sei­ne Zustän­dig­keit ist“, so Bischof Semer­a­ro. Den­noch fügt selbst Msgr. Semer­a­ro hin­zu, daß „Panik­ma­che wegen die­ses Wor­tes begrün­det sein kön­ne, aber nicht gerecht­fer­tigt sei“.

Abge­se­hen von „Syn­oda­li­tät“ und „Dezen­tra­li­sie­rung“ ver­weist Bischof Semer­a­ro vor allem auf den C8-Rat, den Papst Fran­zis­kus ein­ge­rich­tet hat, und auf die Reform des Sekre­ta­ri­ats der Bischofs­syn­ode. Sowohl der Kar­di­nals­rat als auch die nach­syn­oda­le Kom­mis­si­on wur­den vom Papst als per­ma­nen­tes Bera­tungs­gre­mi­um ein­ge­rich­tet. Auch die Kon­si­sto­ri­en wer­den wahr­schein­lich in Zukunft häu­fi­ger ein­be­ru­fen und einen stär­ker bera­ten­den Cha­rak­ter haben.

Papst und Bischöfe „keine Notare von Mehrheiten“

Der Papst, so Bischof Semer­a­ro, brin­ge sei­ne „Erfah­rung in der CELAM [stän­di­ge Kom­mis­si­on der Latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz] ein, neue Dyna­mik und neue Sti­le. Man den­ke auch an den Fra­ge­bo­gen zur kom­men­den Bischofs­syn­ode zum The­ma Fami­lie, der breit aus­ge­streut wur­de“. Doch Semer­a­ro wider­spricht den von Medi­en, eini­gen Diö­ze­sen und katho­li­schen Ver­bän­den ver­mit­tel­ten Ein­druck, es habe sich dabei um eine all­ge­mei­ne Mei­nungs­um­fra­ge gehan­delt, die viel­leicht die Syn­ode beein­flus­sen oder sogar die Ergeb­nis­se bedin­gen könn­te. Nichts der­glei­chen ent­spre­che den Tat­sa­chen: „Eini­ge haben die Sor­ge, der Fra­ge­bo­gen hät­te den Geschmack einer Umfra­ge, als wür­den Mehr­hei­ten zäh­len. Das Cha­ris­ma des Pap­stes oder der Bischö­fe besteht nicht dar­in, die Nota­re für eine Mehr­heit zu machen“. Der Punkt sei, daß der­zeit „die Kir­chen sich ermu­tigt füh­len, Fra­gen zu stel­len. Und die Kir­che hat nicht nur Ant­wor­ten zu geben, sie braucht auch Fra­gen, die auf die rich­ti­ge Wei­se gestellt werden“.

 Synode entspricht nicht Tradition der lateinischen Kirche

Die Ein­be­ru­fung einer außer­or­dent­li­chen Bischofs­syn­ode zum The­ma Fami­lie wird hef­tig dis­ku­tiert. Zen­tra­le Gestalt ist Msgr. Loren­zo Bal­dis­se­ri, den Papst Fran­zis­kus zum Sekre­tär der Syn­ode ernannt und beim Kon­si­sto­ri­um in einem Monat auch zum Kar­di­nal erhe­ben wird: „Die Syn­ode ist eine kano­ni­sche Ein­rich­tung, die nicht der Tra­di­ti­on der latei­ni­schen Kir­che ent­spricht. Es stimmt aller­dings, daß der Papst in Rom tra­di­tio­nell ein Kar­di­nals­kol­le­gi­um in der Form des Kon­si­sto­ri­ums um sich hat. Wenn man über die Bezeich­nun­gen hin­aus­geht und die syn­oda­le Struk­tur der Ortho­do­xie nicht idea­li­siert, dann, so mei­ne ich, könn­te die Ver­tie­fung der Bischofs­kon­fe­ren­zen und die Ent­wick­lung einer spe­zi­fi­schen Pra­xis die Syn­oda­li­tät in der latei­ni­schen Kir­che fördern.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: NBQ

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!