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Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut

Lesen Sie hier den Wortlaut der Katechese von Papst Franziskus in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan. Den offiziellen Text finden Sie wie üblich in Kürze auf der offiziellen Internetseite des Vatikans, vatican.va.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Bei unserem Versuch, die Lehre des Paulus besser zu verstehen, stoßen wir heute auf ein schwieriges, aber wichtiges Thema: die Rechtfertigung. Was bedeutet Rechtfertigung? Wir Sünder sind gerecht gemacht worden. Wer hat uns gerecht gemacht? Dieser Prozess der Umwandlung ist die Rechtfertigung. Vor Gott sind wir gerechtfertigt. Natürlich haben wir unsere persönlichen Sünden, aber im Grund sind wir gerechtfertigt. Das ist Rechtfertigung.

Es hat viele Diskussionen darüber gegeben, die Auslegung zu finden, die am besten mit den Gedanken des Apostels übereinstimmt, und wie so oft gab es sogar gegensätzliche Positionen. Sowohl im Galaterbrief als auch im Römerbrief betont Paulus, dass die Rechtfertigung aus dem Glauben an Christus kommt. Aber Padre, ich bin gerecht, weil ich alle Gebote erfülle! - Ja, aber von daher kommt dir nicht die Rechtfertigung. Sie kommt schon zuvor. Jemand hat dich gerechtfertigt, jemand hat dich vor Gott gerecht gemacht. Ja, aber ich bin doch ein Sünder! - Ja: du bist gerecht, aber Sünder. Aber im Grunde bist du gerecht. Und wer hat dich gerechtfertigt? Jesus Christus. Das ist die Rechtfertigung.

Was also verbirgt sich hinter dem Wort „Rechtfertigung“, das für den Glauben so entscheidend ist? Es ist nicht leicht, eine erschöpfende Definition zu finden, aber wir können sagen, dass die Rechtfertigung im gesamten Denken des Paulus die Folge der „Barmherzigkeit Gottes ist, der die Vergebung anbietet“ (Katechismus der Katholischen Kirche, 1990).  Das ist unser Gott, so gut ist er! Barmherzig, geduldig, voller Erbarmen, und er schenkt uns immer wieder Vergebung, immer wieder. Er vergibt; Rechtfertigung ist Gott, der jedem von Anfang an vergibt, in Christus. Das Erbarmen Gottes, das Vergebung schenkt. Durch den Tod Jesu - und das muss betont werden: durch den Tod Jesu - hat Gott nämlich die Sünde vernichtet und uns endgültig die Verzeihung und das Heil zugesagt. Die so gerechtfertigten Sünder werden von Gott angenommen und mit ihm versöhnt. Es ist wie eine Rückkehr zur ursprünglichen Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf, bevor der Ungehorsam der Sünde dazwischenkam. Die von Gott gewirkte Rechtfertigung ermöglicht es uns also, die durch die Sünde verlorene Unschuld wiederzuerlangen. Wie geschieht Rechtfertigung? Die Beantwortung dieser Frage lässt uns eine weitere Neuheit in der Lehre des Paulus entdecken: die Rechtfertigung aus Gnade. Allein aus Gnade: wir sind gerechtfertigt aus reiner Gnade. Aber kann ich denn nicht - wie es manche tun - zum Richter gehen und ihn dafür bezahlen, dass er mir Gerechtigkeit widerfahren lässt? - Nein: das kann man nicht bezahlen. Einer hat für uns bezahlt: Christus: Und aus Christus, der für uns gestorben ist, kommt jene Gnade, die der Vater uns allen schenkt: die Rechtfertigung kommt aus der Gnade.

Der Apostel hatte stets das Erlebnis vor Augen, das sein Leben verändert hat: die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus auf dem Weg nach Damaskus. Paulus war ein stolzer, religiöser und eifriger Mann, der davon überzeugt war, dass man dann gerecht ist, wenn man gewissenhaft die Gebote befolgt. Nun aber war er von Christus erobert worden, und der Glaube an ihn hatte Paulus in seinem Innersten verwandelt, ihn eine bis dahin verborgene Wahrheit entdecken lassen: Wir werden nicht durch unsere eigenen Anstrengungen gerecht, nein, das kommt nicht von uns – Christus ist es, der uns durch seine Gnade gerecht macht. Um das Geheimnis Jesu vollständig erfassen zu können, ist Paulus bereit, auf alles zu verzichten, woran er zuvor reich war (vgl. Phil 3,7). Er hat nämlich erkannt, dass ihn allein die Gnade Gottes gerettet hat. Wir sind gerechtfertigt, gerettet worden aus reiner Gnade, nicht wegen unserer Anstrengungen. Und das schenkt uns ein großes Vertrauen. Wir sind Sünder, ja, aber wir gehen den Weg des Lebens mit dieser Gnade Gottes, die uns jedes Mal rechtfertigt, wenn wir um Vergebung bitten. 

Für den Apostel hat der Glaube einen allumfassenden Wert. Sie berührt jeden Augenblick, jeden Aspekt des Lebens des Gläubigen: Von der Taufe bis zu unserem Abschied von dieser Welt ist alles vom Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu durchdrungen, der das Heil schenkt. Die Rechtfertigung durch den Glauben stellt den Vorrang der Gnade heraus, die Gott unterschiedslos allen anbietet, die an seinen Sohn glauben.

Daraus darf man aber nicht den Schluss ziehen, dass das mosaische Gesetz für Paulus keinen Wert mehr hätte. Im Gegenteil: es bleibt eine unwiderrufliche Gabe Gottes, es ist „heilig“, wie der Apostel schreibt (Röm 7,12). Auch für unser geistliches Leben ist es unerlässlich, die Gebote zu halten - das haben wir schon des Öfteren gesagt -, aber selbst hier können wir uns nicht auf unsere eigene Kraft verlassen: Die Gnade Gottes, die wir in Christus empfangen, ist von grundlegender Bedeutung. Diese Gnade, die uns aus der Rechtfertigung kommt, die uns Christus geschenkt hat, der für uns bezahlt hat. Von ihm erhalten wir jene unentgeltliche Liebe, die auch uns dazu befähigt, auf konkrete Weise zu lieben.

In diesem Zusammenhang ist es auch gut, an die Lehre des Apostels Jakobus zu erinnern, der schreibt: „Ihr seht, dass der Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein. - Das mag wie ein Gegensatz erscheinen, aber das ist es nicht -. Denn wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot“ (Jak 2,24.26). Wenn die Rechtfertigung nicht durch unsere Werke erblüht, dann bleibt sie dort, unter dem Boden, wie tot. So ergänzen die Worte des Jakobus die Lehre des Paulus. Beide sind also der Meinung, dass es die Antwort des Glaubens verlangt, dass wir die Gottes- und die Nächstenliebe praktizieren. Warum aber sollen wir diese Liebe praktizieren? Weil diese Liebe uns alle gerettet hat, weil sie uns unentgeltlich gerechtfertigt hat.

Die Rechtfertigung reiht uns in den langen Lauf der Heilsgeschichte ein, die die Gerechtigkeit Gottes zeigt: Angesichts unserer ständigen Verfehlungen und Unzulänglichkeiten hat Gott nicht resigniert. Er wollte uns vielmehr gerecht machen und er tat dies aus Gnade, durch das Geschenk Jesu Christi, seinen Tod und seine Auferstehung. Ich habe bereits  mehrfach gesagt, was der Weg, der Stil Gottes ist, und ich habe es mit drei Worten erklärt: Der Stil Gottes ist Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit. Gott ist immer in unserer Nähe, er ist barmherzig und zärtlich. Und die Rechtfertigung ist gerade diese größte Nähe Gottes zu uns, das größte Mitleid, das Gott mit uns Menschen hat, die größte Zärtlichkeit des Vaters. Die Rechtfertigung ist dieses Geschenk Christi, sein Tod und seine Auferstehung, das uns frei macht. Aber, Padre, ich bin ein Sünder, ich habe gestohlen... Ja: aber im Grunde bist du ein Gerechter. Lass zu, dass Christus diese Rechtfertigung bewirkt. Wir sind nicht verdammt, wir sind gerechtfertigt. Lasst es mich so ausdrücken: Wir sind im Grunde genommen heilig. Doch dann werden wir durch unser Handeln zu Sündern. Lassen wir die Gnade Christi zutage treten und lassen wir zu, dass uns diese Rechtfertigung die Kraft gibt, weiterzugehen.

Und so lässt uns das Licht des Glaubens erkennen, wie unendlich die Barmherzigkeit Gottes ist, die Gnade, die zu unserem Wohl wirkt. Dieses Licht lässt uns aber auch die Verantwortung erkennen, die uns auferlegt wurde, um mit Gott in seinem Heilswerk mitzuwirken. Die Kraft der Gnade muss in die Werke der Barmherzigkeit einfließen, zu denen wir berufen sind, um zu bezeugen, wie groß die Liebe Gottes ist. Schreiten wir voran mit diesem Vertrauen: wir sind alle gerechtfertigt worden, wir sind alle gerecht in Christus. Wir müssen diese Gerechtigkeit mit unserem Tun aktivieren. Danke.

(vaticannesws - skr)
 

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29. September 2021, 10:57

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