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HeroldsbachDie Sühnenächte der Ex-Bankerin
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FOCUS Online Bild 5/5 - Nach einer Prüfung des Phänomens, will das Erzbistum auch nicht von einem Wunder sprechen. Die mit einem Taschentuch (vorne) vom Leiter der Gebetsstätte abgetupften „Tränen“ ähneln vielmehr dem örtlichen Leitungswasser.
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Heroldsbach zieht Menschen wie Annegret Mewis an. Die pensionierte Bankangestellte kommt am 12. jeden Monats, um in Sühnenächten das Übel aus der Welt zu beten. Wenn sie vom 12. Februar 2007 berichtet, verklärt sich ihre Stimme: „Ich habe gesehen, wie Tränen aus dem unteren Augenlid der Madonna quollen,“ sagt Mewis. „Sie schmeckten salzig.“ Am Telefon begleitet manche ihrer Sätze ein merkwürdiger Hall. Pater Dietrich hatte gewarnt: Zu den Eigenheiten der Ex-Bankerin gehört es, sich als Sprachrohr des Himmels zu verstehen. Mewis erzählt, sie sei „Werkzeug Gottes“ und bereit, auf Befehl von oben selbst ihr Leben zu geben. Was auch immer ihr der Himmel zuflüstert, sie spricht es laut aus. Eine Freundin folgt mit dem Diktiergerät und führt Protokoll. Ein alter Priester, Mewis nennt ihn „Begleiter“, komplettiert das wundersame Trio.

Die Madonna, die Männerblut weinte



Frauen, die Botschaften in Diktiergeräte sprechen, sind in Zentren christlicher Marienverehrung nicht selten. Und auch angeblich weinende, schwitzende oder blutende Ikonen gibt es in der katholischen Welt zuhauf. Knapp 200 Blutreliquien sind es allein in Italien. Nach Civitavecchia, nahe Rom, fließen Pilgerströme seit sich dort unter den Augen einer weißen Gips-Madonna regelmäßig blutige Rinnsale abzeichnen. Der örtliche Bischof will 1995 gesehen haben, wie die Figur in seinen Armen den roten Körpersaft vergoss. Der Staatsanwalt glaubte nicht, konfiszierte die Ikone und ordnete eine rechtsmedizinische Untersuchung an. Ein DNA-Test verriet, dass die Madonna Männerblut weinte. Der Bischof verweigert bis heute einen Bluttest.

Skeptiker-Papst Garlaschelli

Voller Ehrfurcht sahen Gläubige im italienischen Amaseno, wie sich Jahr für Jahr am 10. August das vermeintliche Blut des Heiligen Lorenzo in einem Gefäß verflüssigte. Die Reliquie wird dafür aus einem verschlossenen Tabernakel nach vorne auf den Altar gebracht. Italiens bekanntester Skeptiker, der Chemiker Luigi Garlaschelli, ist Spezialist für die Aufdeckung scheinbar paranormaler Phänomene. Garlaschelli untersuchte die Flüssigkeit in dem Glas und stellte fest, dass es sich nicht um Blut sondern eine Mixtur aus Wachs, Fett und Farbe handelt. Bei einem Schmelzpunkt von 29 Grad, also auch im Kerzenlicht des Altars, wechselt das Gemisch in den flüssigen Aggregatzustand, um nachher wieder zu gerinnen.

Wasser von defekten Dächern oder schmelzendes Harz, mit dem Kunstaugen verklebt waren, wurden schon als falsche Tränen auf Heiligenfiguren entlarvt. Auch blutende Hostien kommen dem Chemiker Garlaschelli immer wieder unter. Statt heiligem Blut fand er auf ihnen den Schimmelpilz Serratia marcescens.

Die perfekte Träne

Garlaschelli imitierte zu Versuchszwecken den Bau der perfekt weinenden Madonna. Eine hohle Ikone aus saugfähigem Material, wie Gips oder Ton, wird durch eine winzige Öffnung mit Wasser gefüllt. Die Außenhaut der Statue muss wasserdicht sein. Gewöhnliche Glasuren tun hier ihre Wirkung. Wird diese Beschichtung um die Augen herum angeritzt, bahnen sich kullernde Tränen durch die saugfähige Innenwand ihren Weg nach außen.

“Ich brauche dieses Wunder nicht“

In einem Labor könnten auch die Madonna von Heroldsbach und das Taschentuch von Pater Dietrich landen. Sollten sich in den ersten Vernehmungen durch das Erzbistum Bamberg nicht allzu große Ungereimtheiten ergeben, wäre eine chemische Untersuchung ein möglicher nächster Schritt. „Ich würde die Stücke jederzeit herausgeben“, versichert Pater Dietrich. Angst vor einem negativen Ergebnis hat er nicht. „Ich brauche dieses Wunder nicht“, sagt der Geistliche. Schließlich floriert in Heroldsbach schon ohne kirchliches Prüfsiegel der Glaube an Übernatürliches.
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