Oldenburg - „Das Eckpunktepapier zur Pflegereform 2021 ist im Windschatten der Corona-Pandemie ein bisschen untergegangen. Ich sehe es mit großer Sorge“, sagt Brunhilde Becker von der Alzheimer Gesellschaft Oldenburg.
Es setzt einen Verbesserungsschwerpunkt auf die Heimpflege und beinhaltet unter anderem die Deckelung des Eigenanteils für die Pflege im Heim. Künftig soll niemand für stationäre Pflege länger als 36 Monate mehr als 700 Euro pro Monat zahlen – der Eigenanteil umfasst jedoch nicht die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen.
Während die Heimpflege von der Reform profitieren könnte, werden vor allem zwei geplante Änderungen von mehreren Seiten kritisiert.
Budgetkürzung in der Tagespflege
Dem Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums zufolge, könnte das Budget zur Nutzung der Tagespflege halbiert werden. „Für viele Tagespflege-Einrichtungen wäre das existenzbedrohend“, sagt Becker. Dabei könne die Tagespflege einen Heimaufenthalt hinauszögern, oder sogar verhindern.
Für die Erkrankten seien die Teilhabe am Leben in einer Gemeinschaft und die Anregung wichtig. Für pflegende Angehörige, die berufstätig oder selbst hilfebedürftig sind, sei die Tagespflege die einzige Möglichkeit, zu Hause zu pflegen. „Durch die Kürzung des Budgets könnte das in Gefahr geraten und ist das absolute Gegenteil von dem, was ursprünglich von der Großen Koalition angekündigt worden war“, sagt Becker.
Das Deutsche Rotes Kreuz betreibt in Oldenburg zwei Tagespflege-Einrichtungen. Wilhelm Schlömer, Leiter des DRK-Erlenhofs, kritisiert die Auswirkungen, die die Änderungen auf die Tagespflege haben würden: „Mit der angedachten Reform geht man ein Stück zurück, da man ambulante Pflege und Tagespflege in der Finanzierung wieder miteinander verknüpft, indem der Sachleistungsanspruch bei gleichzeitiger Nutzung einer Sozialstation quasi halbiert wird. Wir halten dies für den falschen Weg.“
Vor allem in Hinblick auf den demografischen Wandel und den Mangel an qualifizierten Pflegekräften sei es wichtig, dass die pflegenden Angehörigen weiterhin größtmögliche Unterstützung und Entlastung erhielten. „Man sollte alles tun, damit dieses Angebot auch weiterhin über die Leistungen der Pflegeversicherung gestützt und ausgebaut wird“, sagte Schlömer gegenüber unserer Redaktion.
Auch die Johanniter-Unfall-Hilfe beschäftigt sich mit den möglichen Folgen der geplanten Pflegereform 2021, wie Stefan Greiber, Sprecher des Regionalverbands Weser-Ems sagt. „Wir haben ein ungutes Gefühl und beobachten die Entwicklungen kritisch“, so Greiber. Die Johanniter-Unfall-Hilfe betreibt zwei Tagespflege-Einrichtungen in Oldenburg.
Einschränkungen in der Verhinderungspflege
Das Eckpunktepapier sieht zudem vor, dass die stundenweise Inanspruchnahme der Verhinderungspflege künftig auf 40 Prozent reduziert wird. Der Rest soll nur bei längerer ganztägiger Abwesenheit der Pflegeperson genutzt werden können. Viele Angehörige z.B. von Demenzkranken nutzen diese Entlastungsmöglichkeit im Alltag für Einkäufe, Friseur- und Arzttermine. „Es ist wichtig, dass dieser Posten – so wie bisher – für die selbstorganisierte Pflege flexibel bleibt“, sagt Brunhilde Becker. Denn viele Seniorenbegleiter und soziale Betreuungsdienste rechnen hierüber zum Beispiel Leistungen ab.
Auch die Demenzhilfe Oldenburg rechnet ihre Leistungen über die Verhinderungspflege ab. Dabei sind es oft ehrenamtliche Altersbegleiter, die die Betreuung und zum Beispiel Begleitung zu Behördengängen oder beim Einkaufen übernehmen. Sie sind vor allem in Anbetracht des großen Fachkräftemangels in der Pflege wichtig. „Es gibt viele Menschen, die nicht unbedingt pflegebedürftig sind, sondern lediglich eine stundenweise Betreuung brauchen“, sagt Marlene Dirks, Vorsitzende der Demenzhilfe Oldenburg.