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Politik Verfassungsschutz warnt

Die dubiose Fatwa-App, mit der Apple und Google kein Problem haben

Screenshots Fatwa App Screenshots Fatwa App
"Baustein im Radikalisierungsprozess“: Die Euro Fatwa App
Quelle: WELT AM SONNTAG
Die „Euro Fatwa App“ bereitet Rechtsgutachten für Gläubige auf. Der Verfassungsschutz warnt vor dem Tool. Die Urheber werden den radikalen Muslimbrüdern zugerechnet. Doch die großen Player auf dem Markt ignorieren die Warnsignale.

Mit dem Slogan „Check the new app!“ wird in sozialen Netzwerken für ein religiöses Werkzeug für Muslime geworben. Auf der Messe „Foire Musulmane“ in Paris-Le Bourget konnten Ende April Zehntausende Besucher der Premiere der „Euro Fatwa App“ beiwohnen. Mit dieser kostenlosen Software-Anwendung können Gläubige auf einen Fundus von Rechtsgutachten aus letzten beiden Jahrzehnten zugreifen.

Solche Fatwas werden auf Anfrage von religiösen Autoritäten erlassen und dienen als Orientierungshilfe in unterschiedlichsten Fragen des Lebens. Zwar sind sie nicht verbindlich, entfalten aber mitunter große Wirkung.

Urheber der Euro Fatwa App ist eine Organisation mit Sitz in Dublin, die Sicherheitsbehörden der radikalen Muslimbruderschaft zurechnen: das European Council for Fatwa and Research (ECFR). Das Angebot gibt es in Arabisch, Englisch und Spanisch. Versionen in Deutsch und sechs weiteren Sprachen sollen in Kürze folgen.

Doch die App sorgt für Ärger. Der Appstore Google Play hatte sie zunächst von seiner Plattform verbannt. Auslöser war offenbar ein Artikel in der „Sunday Times“, der antisemitische Propaganda monierte. Die Einleitung für die App hatte ein Rechtsgelehrter verfasst, dem vorgeworfen wird, den islamistischen Terrorismus zu befördern und Selbstmordattentate gegen Israel zu rechtfertigen. Deshalb hatten ihm mehrere Länder, darunter Großbritannien, die Einreise verboten.

Google Deutschland teilte WELT AM SONNTAG dazu mit, man kommentiere grundsätzlich „keine Einzelfälle und Sachverhalte“. Inzwischen gebe es eine neue Version der App, „die Googles Richtlinien entspricht und im Play Store zu finden ist“. Das ist richtig.

Allerdings werden über die App nach wie vor fragwürdige Botschaften verbreitet. Laut Experten sind darunter frauenfeindliche und antiwestliche Inhalte. So heißt es sinngemäß, europäische Gesetze müssten nicht eingehalten werden, wenn sie klaren islamischen Vorschriften widersprächen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt vor diesem Hintergrund: „Die App ist ein Baustein im Radikalisierungsprozess.“ Die Muslimbruderschaft wolle damit gezielt jüngere Leute ansprechen.

ARCHIV - 27.09.2018, Nordrhein-Westfalen, Köln: Die Moschee der Ditib in Köln. Die umstrittene Islam-Organisation Ditib ist wegen angeblicher Kontakte zur islamistischen Muslimbruderschaft (MB) in die Kritik geraten. An einer dreitägigen Islamkonferenz in der Kölner Ditib-Zentralmoschee hätten auch «führende Vertreter MB-naher Organisationen» teilgenommen, meldete der «Kölner Stadt-Anzeiger». (zu dpa: "Ditib erneut in der Kritik: Islamkonferenz mit Muslimbrüdern in Köln") Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Moschee der umstrittenen Islam-Organisation Ditib in Köln
Quelle: dpa

Wer die App aufrufe, bekomme Abbildungen von berühmten Moscheen zu sehen. Darunter ist das bekannteste islamische Gotteshaus Deutschlands, die Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) im Kölner Stadt Ehrenfeld. Auch die Rechtsanwältin Seyran Ates, die in Berlin eine liberale Moschee gründete, sieht die App kritisch. Es bestehe die Gefahr, dass sie „den Gegnern unserer Demokratie als Argumentationshilfe dient“.

Einer der beiden Männer, die die App in Paris vorstellten, lebt hauptsächlich in der Bundesrepublik. Khaled Hanafy, ein in Kairo geborener Theologe, ist Vorsitzender des Rates der Imame und Gelehrten in Deutschland und leitet in Frankfurt am Main das Europäische Institut für Humanwissenschaften. Nicht zuletzt gehört er dem in Dublin ansässigen ECFR an, das die auf der App abrufbaren Fatwas herausgibt.

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Hanafy spricht von einem großen Missverständnis. Das ECFR vertrete die Position, dass hiesige Gesetze konsequent einzuhalten seien. Google habe lediglich eine erste Betaversion gesperrt. „Der Grund war ein Satz aus einem Vorwort einer alten Publikation, der in der englischen Übersetzung leider nicht den Sinn des Autors exakt wiedergab und auch nicht ausreichend den Kontext berücksichtigte. Daher konnte es leider zur Fehlinterpretation kommen, und Google hat ihn als Hassrede eingestuft“, sagt Hanafy.

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Hanafys Argumentation passt in ein lang eingeübtes Muster. Vertreter von Vereinen und Organisationen im Umfeld der Muslimbrüder reagieren nach Darstellung des Verfassungsschutzes stets mit Beschwichtigungen, wenn ihnen öffentliche Kritik entgegenschlägt. Gleich mehrere Landesämter für Verfassungsschutz haben Hanafy, einen der weltweit einflussreichsten Netzwerker für einen islamischen Gottesstaat, namentlich genannt.

Anders als Google Play hat Apple die Euro Fatwa App von Anfang an freigeschaltet. Auf Anfrage von WELT AM SONNTAG teilt die Deutschland-Zentrale in München mit, Apple kommentiere „den Freigabe-Prozess einzelner Apps generell nicht“. Allerdings würden sämtliche eingereichte Apps den sogenannten App-Review-Prozess durchlaufen. Dabei werden Apps unter anderem auf diffamierende und rassistische Inhalte sowie auf extremistische Ideologien überprüft.

Im Fall der Euro Fatwa App leuchtete zu keinem Zeitpunkt eine rote Lampe auf. Schon mit „Absher“ hatte der Apple-Konzern weltweit für Empörung gesorgt. Die umstrittene App war von Saudi-Arabiens Behörden entwickelt worden und ermöglicht den Männern des Landes, ihre Frauen an der Ausreise zu hindern und ihren Aufenthaltsort zu überwachen.

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