Ab 2030 droht fast jedem Zweiten eine Armuts-Rente

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Fast jedem zweiten Bundesbürger, der ab 2030 in Rente geht, droht eine Altersversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterhalb der Armutsgrenze. Beinahe die Hälfte der Rentnerinnen und Rentner wären dann möglicherweise abhängig von staatlichen Grundsicherungsleistungen, also faktisch Hartz-IV-Empfänger. Das haben Recherchen und Berechnungen des WDR ergeben. Wichtigster Grund dafür ist das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente. Von 2030 an soll es auf bis zu 43,5 Prozent des Durchschnittslohns der gesamten Lebensarbeitszeit fallen. Derzeit liegt das Rentenniveau noch bei knapp 48 Prozent. Das Abschmelzen der Rentenhöhe ist schon vor vielen Jahren unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder beschlossen worden. Durch die WDR-Berechnung werden die Folgen erkennbar. Der Prognose liegt eine Betrachtung zugrunde, die sich auf den heutigen Arbeitsmarkt und die Verteilung der Bruttoeinkommen stützt. Wenn man annimmt, dass diese Verteilung in den nächsten Jahren weitgehend stabil bleibt, dann verdient heute ein Großteil der Beschäftigten zu wenig, um später eine höhere Rente zu bekommen. Dass eine solche Betrachtung plausibel ist, bestätigen Ökonomen verschiedener Denkschulen, wie der Bremer Wirtschaftswissenschaftlicher Prof. Rudolf Hickel oder der Arbeitsmarktexperte Werner Eichhorst vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit. Beide weisen gegenüber dem WDR darauf hin, dass der Arbeitsmarkt derzeit in einer sehr stabilen Verfassung sei, dass es einen hohen Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gebe und eine niedrige Arbeitslosenquote. Doch selbst unter diesen guten Randbedingungen seien die Aussichten für einen großen Teil der künftigen Rentner schlecht. Ursache dafür sind neben dem sinkenden Rentenniveau auch niedrige Löhne etwa im Einzelhandel oder im Gastgewerbe, die hohe Zahl teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sowie der wachsende Anteil von Mini-Jobbern oder Solo-Selbstständigen am Arbeitsmarkt. In all diesen Gruppen ist den WDR-Berechnungen zufolge das künftige Armutsrisiko im Alter massiv. Das gilt auch für Langzeitarbeitslose und Menschen, die nicht mehr voll erwerbsfähig sind und deshalb schon vor der Altersgrenze Zahlungen aus dem Rentensystem bekommen. In der Betrachtung bleiben Leistungen aus einer privaten Altersvorsorge unberücksichtigt, weil Privatvorsorge gesetzlich nicht verpflichtend ist und von den Einzelnen höchst unterschiedlich betrieben wird, häufig auch überhaupt nicht. Tatsächlich sorgt beispielsweise nur ein kleiner Bruchteil aller Arbeitnehmer per Riester-Rente privat für das Alter vor. Wenn die Rentenhöhe wie geplant bis 2030 sinkt, laufen demnach allein von den sozialversicherungspflichtig beschäftigen Arbeitnehmern über 40 Prozent Gefahr, im Alter auf Grundsicherungsniveau zu landen. Zwar rechnen Arbeitsmarktexperten damit, dass die Zahl sozialversicherungspflichtiger Jobs in den nächsten Jahren durchaus steigt. Besonders deutlich dürfte dieser Anstieg allerdings in den eher gering entlohnten Dienstleistungsbereichen erfolgen und damit die Rentenaussichten für die Beschäftigten insgesamt nicht verbessern. Um eine Rente über dem Grundsicherungsniveau zu bekommen, müsste ein Arbeitnehmer nach heutigem Stand 40 Jahre lang ununterbrochen mindestens 2100 Euro brutto im Monat verdienen. Dass die im Moment politisch diskutierte Lebensleistungsrente an der prekären Finanzlage vieler künftiger Rentner etwas ändert, ist kaum zu erwarten. Die Rede ist derzeit lediglich von einer Aufstockung von maximal 20 Euro gegenüber der Grundsicherungshöhe.

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