Dieser Text ist eine Rezension. Eine aktuelle Auseinandersetzung des Autors mit der Gates-Stiftung und ihrer Rolle in der globalen Gesundheitspolitik finden Sie hier.

Parasiten wie Malaria, Viren wie Ebola oder Bakterien, wie die Erreger der Tuberkulose, weltweit eindämmen, die globale Seuchenbekämpfung koordinieren und in armen Ländern die Gesundheitsversorgung verbessern – es sind gigantische Aufgaben, die die Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, im Auftrag der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bewältigen soll. Doch die wichtigste Einrichtung der Weltgesundheit ist pleite. Weil ihre Mitglieder nicht genug einzahlen, braucht die WHO immer mehr Geld von privaten Stiftungen und der Industrie – und droht damit ihre Unabhängigkeit zu verlieren. 

Aber wer genau nimmt Einfluss auf die höchste Instanz der Weltgesundheit? Wie? Und was muss sich ändern, damit das aufhört? Ein Jahr lang haben die Filmemacherinnen Jutta Pinzler und Tatjana Mischke recherchiert, um diesen Fragen nachzugehen. Am 4. April um 20.15 Uhr ist das Ergebnis in einer 90-minütigen Dokumentation auf ARTE zu sehen: Die WHO – Im Griff der Lobbyisten?

Bis zum ersten Aufreger muss sich der Zuschauer gedulden. Der kreist um eine Frage, die europaweit seit Monaten kontrovers diskutiert wird: Wie gefährlich ist das Pflanzenschutzmittel Glyphosat? Und hat die Firma Monsanto, die das Pestizid in den 1970er Jahren als erste auf den Markt brachte, die WHO in ihrer Beurteilung über dessen Schädlichkeit beeinflusst? Immerhin verdient Monsanto auch nach Ablauf des Patents, das es einst auf das Pestizid besaß, noch gut daran, es im Paket mit genveränderten Pflanzen – Soja oder Mais etwa – zu verkaufen, die gegen es resistent sind.

Laut den Filmautorinnen sollen verschiedene Lobbyorganisationen der Gentechnikindustrie in den 1990er Jahren hohe Summen an die WHO gezahlt haben. 1994 erhöhte diese dann zusammen mit der Welternährungsorganisation (FAO) die Grenzwerte für Glyphosat-Rückstände in gentechnisch veränderten Sojabohnen auf das 200-Fache. Das, argumentieren die Filmemacherinnen, sei sehr im Interesse von Monsanto gewesen. Denn daraufhin habe der Konzern um so mehr Glyphosat und dazu passende Sojabohnen verkaufen können.

Obwohl Experten der hauseigenen Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) es anders beurteilten, kam die WHO 2016 zu dem offiziellen Schluss, dass Glyphosat nicht nachweislich krebserregend sei. In dem Gremium, das das bestimmte, saßen zwei WHO-Funktionäre, die gleichzeitig für eine Lobbyorganisation arbeiteten (ZEIT ONLINE berichtete), die wiederum erhebliche Summen von Monsanto erhalten haben soll. Zwar rollt die ARTE-Dokumentation all das noch einmal auf – wirklich neue Recherchen zum Fall Glyphosat hat sie aber nicht zu bieten.

Käme die WHO ohne Gates' Geld aus?

Dennoch sind es die Verwicklungen zwischen Konzernen und der WHO, die den Film spannend machen – und von denen er noch weitere zu bieten hat. Etwa als David McCoy, einer der führenden Experten im Bereich Weltgesundheit, zu Wort kommt: Die Agenda der WHO werde immer mehr von privaten Spendern bestimmt, vor allem von Bill Gates, sagt der. Würde die Bill & Melinda Gates Foundation aufhören, jährlich Millionen US-Dollar nach Genf zu schicken, würde die WHO womöglich in sich zusammenfallen. Entsprechend großen Einfluss habe der Milliardär auf das inhaltliche Programm.

Der Sprecher der Stiftung streitet im Film jegliche Einflussnahme ab. Aber de facto gibt es, wie der Film aufzeigt, zwischen der WHO und der Gates Foundation personelle Überschneidungen. Und die WHO konzentriert sich in der Tat auffällig stark auf das, was Bill Gates sich wünscht: impfen zum Beispiel.

Nun sind Impfungen unbestritten eine extrem effektive Form der Gesundheitsvorsorge. Die Kinderlähmung Polio zum Beispiel trat dank umfassender Impfprogramme in den vergangenen Jahren immer seltener auf. 2016 gab es weltweit nur noch 42 bestätigte Fälle, 1988 waren es noch 350.000 gewesen. Dies ist nur eines von vielen positiven Beispielen.

Aber Impfungen allein halten Menschen nicht gesund. Viel wichtiger ist, dass die Gesundheitsversorgung eines Landes gut funktioniert und die Umwelt, in der Menschen leben, sie nicht krank macht – auf diese Wunde innerhalb der WHO legt die Dokumentation ihren Finger. Jeden Tag sterben zum Beispiel fast 1.500 Menschen an verunreinigtem Trinkwasser. Mit sauberem Wasser und Ernährungsprogrammen ließen sich also mehr Leben retten als mit Impfungen, sagen Kritiker. In Wahrheit wäre beides nötig.

Auch mit wenig kostenaufwendigen Maßnahmen, wie etwa Anti-Drogen-Kampagnen, hat die WHO im Laufe ihrer Geschichte viele Leben gerettet. Es scheint aber, als engagiere sie sich mittlerweile in solchen Bereichen weniger. Etwas, das Gesundheitswissenschaftler seit Längerem kritisieren.