Soziales

Mobile Teams betreuen Kinder zu Hause psychisch

Kinder und Jugendliche, die in Wien an psychosozialen Erkrankungen leiden, werden künftig verstärkt zu Hause betreut. Im Rahmen des Projekts „Home Treatment“ sind ab März mobile Teams im Einsatz, die bis zu sechs Monate bei einer Familie tätig sind.

Die Stadt reagiert damit auf eine negative Entwicklung: Die seelischen Störungen bei jungen Menschen haben in der Coronavirus-Pandemie deutlich zugenommen. Wenig Kontakt zu Gleichaltrigen, fehlende Tagesstrukturen und Stress in der Familie, verstärkt etwa durch finanzielle Sorgen – das sind aktuell Faktoren, die starke körperliche und psychische Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen hervorrufen können, wie Gesundheitspsychologin Caroline Culen und der Chefarzt der Psychosozialen Dienste (PSD) in Wien, Georg Psota, erläuterten.

Mehr als die Hälfte der Kinder mit Problemen

Psota schätzt, dass mehr als die Hälfte der Kinder diesbezüglich bereits relevante Probleme hat. Er berichtete von einer enormen Erhöhung bei depressiv-ängstlichen Symptomen. So nehmen etwa Essstörungen oder Panikzustände zu. Gesundheitspsychologin Culen hob hervor, dass Kinder sich in der Pandemie sehr vernünftig und solidarisch verhalten hätten – ihnen das aber nicht unbedingt gedankt worden sei. Man habe sie vor allem als Schülerinnen und Schüler gesehen, was aber nur ein Teil ihres Lebens sei.

Durchaus hilfreich seien anfangs die Kontakte in der digitalen Welt gewesen, betonte sie. „Aber das ist nicht ausreichend, das kann nur ein Teil sein.“ Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) konstatierte, dass die Problematik anfangs allgemein zu wenig beachtet worden sei. Nun würde sich aber zeigen, dass in dieser Altersgruppe relativ großer Bedarf an Hilfe bestehe. Als Unterstützung setzt die Stadt auf vorhandene Angebote wie die „Corona-Sorgenhotline“, die Servicestelle der Kinder- und Jugendhilfe, Familien- und Jugendzentren und auch psychologische Onlineberatung.

Auch telefonische Beratung

Als Ergänzung wird zukünftig für Jüngere auch psychologische Beratung unter der Servicenummer 01/4000-8011 angeboten, und zwar täglich von 8.00 bis 18.00 Uhr. Schon vor mehr als einem Jahr wurde das Ambulatorium für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hietzing eröffnet, dem nun ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt, wie betont wurde.

Im März startet das Projekt „Home Treatment“, das als Kooperation zwischen PSD und dem Wiener AKH betrieben wird. Teams aus verschiedenen Fachrichtungen wurden eingerichtet, deren Mitglieder zwischen drei und sechs Monate bei einer Familie tätig sind. Mindestens 50 Betroffene sollen in den kommenden Jahren auf diese Art und Weise betreut werden.

„Home Treatment“ soll stationäre Einrichtungen entlasten

Im Fokus stehen etwa Kinder, die das Bett nicht mehr verlassen oder die den Kontakt zur Schule abgebrochen haben. Das Projekt soll auch stationäre Einrichtungen entlasten bzw. verhindern, dass Behandlungsbedürftige aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus sich nicht an Versorgungseinrichtungen wenden.

Psota zeigte sich zuversichtlich, dass es sich um ein zukunftsträchtiges Modell handelt – das in Österreich noch relativ neu sei. Es würden neben den Jugendlichen auch die Familien mitbetreut, strich er einen der Vorteile heraus.

Hacker kritisiert Mangel an Ausbildungsplätzen

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) pochte bei der Präsentation am Mittwoch einmal mehr auf den seiner Ansicht nach unbedingt nötigen Ausbau der Ausbildungsplätze im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Im AKH gebe es entsprechende Kapazitäten, die aber nicht ausgenutzt werden könnten. Denn, so beklagte er, es würden die Ausbildungsplätze dazu fehlen. Der Bund müsse diese erhöhen, forderte er. Die aktuelle Situation sei „maximal unbefriedigend“. Er hofft auf eine Einigung noch vor dem Sommer.