Kommentar

Barzahlen gilt in China als harte Strafe

Liberale Ökonomen im Westen singen gern ein Hohelied auf das Bargeld. In China gilt es dagegen als Relikt aus vergangenen Tagen. Rechtsbrecher werden nun dazu verdonnert, statt das Smartphone Scheine und Münzen zu nutzen.

Matthias Müller, Peking
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Auch auf dem Gemüsemarkt gehört das Bezahlen über QR-Codes zum Alltag.

Auch auf dem Gemüsemarkt gehört das Bezahlen über QR-Codes zum Alltag.

Mark Schiefelbein / AP

Chinas Justiz findet immer neue Wege, um Rechtsbrecher zu bestrafen. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua hat diese Woche über die Verurteilung von mehr als 2400 Kriminellen in der südchinesischen Provinz Guangdong berichtet, die die Codes von Debit- sowie SIM-Karten geknackt und anschliessend auf dem Schwarzmarkt verkauft hatten. Die Übeltäter müssen jedoch weder eine Busse zahlen, noch wandern sie hinter Gittern. Das Gericht in Guangdong war gewitzt und dürfte mit dem Strafmass die Rechtsbrecher im Mark getroffen haben: Ihnen ist es in den kommenden fünf Jahren untersagt, mit dem Smartphone oder einer Debitkarte zu zahlen. Ihr einziges Zahlungsmittel ist Bargeld. Auf dem chinesischen Twitter-Pendant Weibo war zu lesen, das Urteil sei zu grausam. «Es ist der soziale Tod.»

Der Netizen trifft mit der Aussage einen wunden Punkt. Selbst in den entlegensten Teilen Chinas werden fast nur noch die beiden mobilen Bezahlsysteme Alipay des Fintech-Unternehmens Ant Group sowie WeChat Pay des Internetkonzerns Tencent genutzt. Auch etliche Strassenmusikanten und Bettler haben sich dem Zeitgeist angepasst. Ihnen baumelt ein Foto mit einem QR-Code, wobei «QR» für «Quick Response» steht, um den Hals. Der Wohltäter scannt diesen ein und überweist die Almosen. Die Entwicklung ist so weit vorangeschritten, dass Chinas Notenbank, die People’s Bank of China, vor zwei Jahren Detailhändler ermahnt hat, es sei illegal, Bargeld abzulehnen. Zahlungen mit Scheinen oder Münzen scheitern oft daran, dass das Gegenüber kein Wechselgeld hat. Auf die Verurteilten in der Provinz Guangdong kommen harte Jahre zu.

Chinas Justiz ist auch beim Setzen eines Strafmasses für andere Gesetzesverstösse erfinderisch. So werden Personen, die sich «unehrlich verhalten» haben und nicht willens waren, Kredite, Löhne oder Rechnungen zu begleichen, nicht auf traditionelle Art gebüsst. Sie dürfen vielmehr für einen bestimmten Zeitraum keine Flugzeuge oder Hochgeschwindigkeitszüge nutzen. Reisen über längere Strecken werden in dem riesigen Land so zur Qual.