Coronakritiker
Aargauer Arzt verlangt nach Festnahme eine Administrativ-Untersuchung

Der 58-jährige Wettinger Arzt Thomas Binder, der am Ostersamstag festgenommen und in der Psychiatrie fürsorgerisch untergebracht wurde, wehrt sich gegen seine Behandlung durch die Behörden. Über seinen Anwalt Markus Leimbacher verlangt der Arzt eine Administrativuntersuchung des Vorfalls durch eine ausserkantonale Stelle.

Fabian Hägler
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«Ich wünsche uns allen einen aufkla(e)renden Tag!»: So präsentiert sich der festgenommene Arzt am Dienstag auf Twitter.

«Ich wünsche uns allen einen aufkla(e)renden Tag!»: So präsentiert sich der festgenommene Arzt am Dienstag auf Twitter.

Twitter/Keystone/Montage_AZ

Am späten Ostersamstag-Abend wurde in Wettingen der 58-jährige Arzt Thomas Binder festgenommen, dabei kam die Sondereinheit Argus der Kantonspolizei Aargau zum Einsatz. Zuvor hatte sich eine unbekannte Person bei Landammann Markus Dieth gemeldet und diesem mitgeteilt, der Arzt verbreite in sozialen Medien Verschwörungstheorien zum Coronavirus und 5G. Zudem habe Binder auch Einträge geschrieben, die als Drohungen interpretiert werden könnten. Dieth kontaktierte daraufhin Polizeikommandant Michael Leupold und gab diesem die Telefonnummer des Informanten.

Kurz darauf wurde der Arzt festgenommen, später in die psychiatrische Klinik Königsfelden eingeliefert und dort fürsorgerisch untergebracht. Nach einem Entscheid des Verwaltungsgerichts wurde Binder in der Woche nach Ostern wieder entlassen. Nun verlangt der Arzt über seinen Anwalt Markus Leimbacher eine Administrativuntersuchung des Vorfalls, in den mehrere kantonale Behörden involviert waren.

Keine Selbst- oder Fremdgefährdung bei Binder

Leimbacher, der früher Präsident der Polizeigewerkschaft war und im Fall des Argus-Einsatzes 2009 in Wohlen einen Offizier der Kantonspolizei Aargau verteidigte, hat seinen Antrag den Medien zukommen lassen. Darin wird nochmals detailliert der Ablauf der Festnahme, der anschliessenden Untersuchungen und Befragungen, sowie das Verhalten von Landammann Markus Dieth geschildert. Der Anwalt hält ausdrücklich fest, bei seinem Mandanten sei keine Selbst- oder Fremdgefährdung festgestellt worden. Zudem sei er nie durch Wahnvorstellungen aufgefallen – damit wäre der Grund für eine fürsorgerische Unterbringung hinfällig.

Polizeikommandant Michael Leupold

Polizeikommandant Michael Leupold

Alex Spichale

Thomas Binder sei ein angesehener Arzt, ehemaliger Oberleutnant der Armee und amtierender Chef Gesundheit im Regionalen Führungsorgan Limmattal, hält Leimbacher weiter fest. Bisher sei er nie strafrechtlich in Erscheinung getreten. Deshalb sei es fragwürdig, warum weder der anonyme Informant, Landammann Dieth oder die Kantonspolizei ihn einfach telefonisch kontaktiert habe.

Wer hat Landammann Dieth den anonymen Hinweis gegeben?

Danach folgen mehrere Fragen, die im Rahmen einer Administrativuntersuchung beantwortet werden müssten, wie der Arzt fordert. So will dieser unter anderem wissen, wer die bisher anonyme Person war, die Landammann Dieth angerufen und über die vermeintlichen Droheinträge des Arztes informiert habe. Und er fragt, ob der Einsatz der Sondereinheit Argus gerechtfertigt und verhältnismässig gewesen sei. Binder will auch Auskunft über den genauen Inhalt des Telefongesprächs zwischen Landammann Dieth und Polizeikommandant Leupold.

Landammann Markus Dieth.

Landammann Markus Dieth.

ALEX SPICHALE

Er fragt weiter, ob der Argus-Einsatz einen Zusammenhang mit einem Blog-Eintrag auf der Plattform Vimentis habe – dort hatte Binder kurz vor Ostern über einen angeblichen «Covid-19-Putsch» geschrieben. Dort fand sich unter anderem dieser Aufruf: «Armee, Polizei, Feuerwehr, schaut sofort wie es Euren Regierungen und den Anstalten der Massenmedien geht und sonst, liebe Bürger, raus, Waffe laden und helfen wir Ihnen!». Inzwischen ist der Blog von Thomas Binder bei Vimentis gelöscht, auf Facebook und Twitter ist der Arzt aber nach wie vor aktiv.

Untersuchung soll an ausserkantonale Stelle vergeben werden

Rechtsanwalt Leimbacher beantragt, die Administrativuntersuchung des Falls sei an eine ausserkantonale Stelle zu vergeben. Zudem müsse Landammann Markus Dieth, der in den Vorfall involviert ist, in den Ausstand treten, wenn der Regierungsrat über den Antrag diskutiert. Zudem sei die Öffentlichkeit über das Ergebnis der Untersuchung zu informieren.

Gegen Thomas Binder läuft weiterhin ein Strafverfahren wegen Drohung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte, wie Fiona Strebel, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, auf Anfrage der AZ bestätigt. Zuletzt nahm der Arzt mehrfach an Kundgebungen gegen die Corona-Einschränkungen in Zürich teil, am Sonntag postete er auf Twitter ein Video, das die Verhaftung von Demonstranten durch die Polizei zeigt.

Der Regierungsrat hat laut Sprecher Peter Buri "zur Kenntnis genommen, dass ein Antrag auf die Einleitung einer Administrativuntersuchung zum Polizeieinsatz vom 11. April 2020 in Wettingen eingegangen ist". Die Regierung werde sich damit befassen und danach über ihren Entscheid informieren, kündigt Buri an. Rechtlich gesehen entspricht ein Antrag auf Administrativuntersuchung einer Aufsichtsbeschwerde - ein Mittel, das im Aargau immer wieder gegen Gemeindebehörden ergriffen wird.