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Politik Seine letzte Schlacht

Verlierer John McCain geht mit einer noblen Geste

Der Krieg in Vietnam hat das Leben John McCains geprägt, schwere Verletzungen haben ihn den Schmerz der Niederlage am eigenen Leib spüren lassen. Jetzt musste der Bewerber ums Weiße Haus die Kapitulation in seiner letzten großen Schlacht erklären. Er tat es mit Noblesse.

Die Tränen in John McCains Augen ließen das Ausmaß der Enttäuschung erahnen. „Dieser Wahlkampf war die größte Ehre meines Lebens“, sagte McCain vor seinen Anhängern in Phoenix. Es war ein nobler Auftritt nach einem harten Wahlkampf: Der 72-Jährige nahm die alleinige Verantwortung für die Niederlage auf sich, rief das Land zur Einheit auf und bot dem künftigen Präsidenten Barack Obama die Zusammenarbeit an.

„Das amerikanische Volk hat gesprochen und es hat klar gesprochen“, sagte er. „Der Fehler liegt bei mir – nicht bei Euch“, rief er seinen enttäuschten Anhängern zu. Der 72-Jährige unterbrach mehrfach ihre Buh-Rufe, wenn er von Obama sprach. „Senator Obama hat Großes für sich und für sein Land erreicht.“

Am Tag nach der Wahl müsse die Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg beginnen, um den großen Herausforderungen gerecht zu werden, „mit denen die größte Nation der Welt“ konfrontiert ist. „Ich rufe alle Amerikaner auf, wie so oft in diesem Wahlkampf, nicht an unseren derzeitigen Problemen zu verzweifeln, sondern an das Versprechen und die Größe Amerikas zu glauben.“ Der Senator aus Arizona sprach von einer historischen Wahl und einer besonderen Stunde für die Schwarzen in Amerika.

„Es ist natürlich, heute Nacht etwas enttäuscht zu sein“, sagte McCain. „Aber das müssen wir hinter uns lassen und zusammenarbeiten, damit unser Land wieder in Schwung kommt“, rief er seinen Anhängern zu. Die seien schwierige Zeiten. „Aber ich verspreche ihm (Obama), alles in meiner Kraft zu unternehmen, um ihm dabei zu helfen, uns durch die zahlreichen Herausforderungen zu führen.“

McCains Scheitern ist ein weiteres dramatisches Kapitel in einem Leben, das viel Stoff für eine Heldenbiografie bietet. Fünf Jahre war der Soldat McCain Kriegsgefangener in Vietnam, die Spuren der Folter machen ihm heute noch zu schaffen. Später überlebte er eine Krebserkrankung, die Operationen hat Narben im Gesicht hinterlassen. McCain ließ sich nicht unterkriegen, sein Durchhaltewille ist fast schon legendär. Doch diesmal, bei seinem letzten Anlauf auf sein Lebensziel, die Präsidentschaft, hatte der Sprössling einer Soldaten-Dynastie gleich an zwei Fronten zu kämpfen.

An der einen Front bedrängten ihn die Demokraten und ihr Kandidat Obama, an dessen Charisma McCain einfach nicht heranreichte. An der anderen Front lauerte das Erbe seines unbeliebten Parteifreunds George W. Bush, aus dessen Schatten sich McCain nie ganz befreien konnte. „Ich bin nicht George W. Bush“, stellte er im Wahlkampf immer wieder klar. Doch der Unmut der Wähler übertrug sich von Bush auf dessen Partei, die Republikaner, und letztlich auch auf McCain. Möglicherweise war sein Schicksal bereits besiegelt, als kurz vor der Wahl das Finanzsystem an der Wall Street zusammenbrach und die US-Wirtschaft in die Tiefe riss. Nach acht Jahren Bush standen die Republikaner vor einem Trümmerhaufen.

McCain wusste seit Beginn seiner Kandidatur, dass die Stimmung im Volk gegen die Republikaner gerichtet war. „Der Weg war von Anfang an an schwierig“, sagte er in seiner Ansprache in der Wahlnacht. „Wir haben so hart gekämpft, wie wir mussten, es hat nicht gereicht.“ Mit einer Reihe strategischer Fehlentscheidungen hatte McCain der Niederlage freilich auch selbst den Weg geebnet. Ganz oben auf der Negativliste steht jene spontane Entscheidung, mit der er im August die Alaska-Gouverneurin Sarah Palin zu seiner Vizekandidatin gemacht hatte. Die unerfahrene Jungpolitikerin blieb im Wahlkampf den Beweis schuldig, dass sie ihrer Aufgabe gewachsen ist. Ihre Unbedarftheit schreckte viele Wähler ab und schürte Zweifel an McCains Urteilsvermögen.

Ebenfalls als Missgriff erwies sich McCains theatralische Ankündigung im September, seinen Wahlkampf auszusetzen, um sich in Washington an die Spitze der Bemühungen zur Eindämmung der Finanzkrise zu setzen. Doch nicht einmal die eigene Fraktion der Republikaner im Kongress folgte seinen Vorschlägen, McCain blieb eine Randfigur. Was als Nachweis seiner Führungsqualitäten gedacht war, erwies sich als Flop. McCains Umfragewerte sanken und erholten sich nie wieder.

Vom scharfen Ton des Wahlkampfs, den McCains Team im Endspurt vor der Wahl mit harten persönlichen Angriffen gegen Obama befeuert hatte, war in McCains Kapitulationsrede nichts mehr zu hören. Er würdigte in bewegenden Worten die „historische Bedeutung“ der Wahl, die erstmals einen Afroamerikaner ins höchste Staatsamt der USA führen wird. „Was immer unsere Meinungsunterschiede sind, wir sind doch gemeinsam Amerikaner“, sagte McCain. „Senator Obama hat Großes für sich und sein Land erreicht, und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um ihm dabei zu helfen, unser Land durch diese schwierige Zeit zu führen.“

AFP, mit dpa

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