Intrigen im Vatikan:Krach in der Kurie

Papst Franziskus

Papst Franziskus ist bei den Gläubigen beliebt, in der Kurie hat er jedoch etliche Gegner, vor allem aus dem konservativen Lager.

(Foto: dpa)

Die Atmosphäre ist vergiftet in der katholischen Kirche. Die Gegner des Reform-Papstes Franziskus sind in der Minderheit. Aber sie sind mächtig.

Ein Kommentar von Oliver Meiler, Rom

Um die kleine Welt des Vatikans in Aufruhr zu versetzen, genügt wenig, und wenn mal wirklich etwas passiert, ist die Aufregung grenzenlos. Die italienischen Zeitungen berichten gar von einem "Bürgerkrieg", der sich dort abspiele. Tatsächlich ist die Rücktrittsforderung an den Papst der vorläufige Höhepunkt des internen Konflikts, der die katholische Kirche seit der Wahl von Jorge Mario Bergoglio vor fünfeinhalb Jahren zunehmend zerreißt. Formuliert hat sie der Erzbischof aus Varese und frühere Nuntius in Washington D.C., Carlo Maria Viganò. Er macht Franziskus den schweren Vorwurf, von den sexuellen Vergehen des nun emeritierten amerikanischen Kardinals Theodore McCarrick gewusst und doch geschwiegen zu haben. Ein vatikanischer Topdiplomat, der den Papst so hart angreift, das hat es noch nie gegeben.

Die Frage ist, ob die Vorwürfe wahr sind - und ob Viganò aus eigener Initiative gehandelt hat, wie er behauptet, oder ob hinter ihm eine Verschwörung konservativer Gegner von Franziskus steht. Das vergiftete Klima erinnert an die Jahre 2011 und 2012, als Benedikt XVI. Papst war und eine Welle von Skandalen und Intrigen über Kurie und Kirche rollte. Joseph Ratzinger trat damals zurück. Franziskus hat nun ausrichten lassen, er wolle weder die Vorwürfe kommentieren noch zurücktreten. Ersteres täte er wohl doch besser - aber ein Anlass zum Rücktritt ist der offene Brief des verbitterten Viganò nicht, der bislang die Belege für seine Vorwürfe schuldig geblieben ist.

Und doch zeigt der Vorgang: Franziskus hat viele hartnäckige Feinde aus konservativen, traditionalistischen Kreisen. Die stärkste Opposition stammt aus dem Lager jener, die Benedikt nachtrauern und seinen Nachfolger für intellektuell dürftig und oberflächlich halten. So sehen das etliche konservative "Vaticanisti", die mit ihren Blogs Stimmung im Vatikan machen, Interna ausplaudern, Intrigen befeuern. So sehen das auch einige hochrangige Kirchenmänner, der prominenteste ist Kardinal Raymond Leo Burke aus den USA. Es sind aber auch die politisch rechten Kritiker nicht zu unterschätzen, die finden, der Papst spreche sich allzu offen für die Aufnahme von Immigranten aus und sei außerdem zu nett mit dem Islam.

Es ist schwer abzuschätzen, wie stark diese Opposition ist. Sie ist unter den Kardinälen und Bischöfen der katholischen Weltkirche klar in der Minderheit - doch es sind unter ihnen viele gut in der Kurie vernetzte Würdenträger. Unter den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hatten sie den direkten Zugang zur Macht; ein guter Teil ihrer Wut und Enttäuschung speist sich auch daraus, dass sie, oft am Ende einer langen Laufbahn, diesen direkten Zugang verloren haben.

Ihre Kirche gestalten können sie nicht mehr - wohl aber bremsen, spalten, sogar zerstören. Wo Franziskus Reformen anstößt, sind seine Skeptiker immer schnell zur Stelle, um alle möglichen Öffnungen als Häresien abzutun und zu verhindern. Die Jugendsynode im Oktober im Rom, wo auch über die Zukunft des Zölibats diskutiert werden wird, dürfte ein neuer Gradmesser für diesen Prozess sein. Veränderung spaltet nun mal, gerade in einer Institution, die dem Bewahren einen schönen Teil ihrer langen Geschichte gewidmet hat. So gesehen bedeutet der Zorn des Erzbischofs aus Varese auch das: Es verändert sich tatsächlich etwas im Vatikan.

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