Berlin. Nach vierjähriger Pause ist die Irin Sinead O’Connor zurück und singt mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht.

Fast drei Jahrzehnte lang war das kurzgeraspelte Haar Sinéad O’Connors Markenzeichen. Irgendwann kamen noch zahlreiche Tattoos dazu. Im Fokus der Aufmerksamkeit stand dabei stets das von Jesus auf ihrer Brust. Von all dem ist nun nichts mehr zu sehen. Die Sängerin trägt bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert nämlich einen Hidschab zu einem bodenlangen Gewand. Alles in unauffälligem Grau. Im Herbst 2018 ist O’Connor zum Islam konvertiert, nennt sich seitdem Shuhada’ Davitt. Wären da nicht ihre Songs, die so gar nicht zum züchtigen Outfit passen wollen, würde man Sinéad O’Connor kaum wiedererkennen.

Hochkonzentriert und mit geschlossenen Augen singt die Irin ihre Lieder im ausverkauften Admiralspalast. Das Publikum lauscht andächtig. Ebenfalls hochkonzentriert. In den Songs geht es vornehmlich um unerfüllte Liebe, um Trennung, Schmerz, Enttäuschung, Wut und Verzweiflung. Kurz: Um die dunkle Seite der Gefühle.

Ein Drama, zusammengeschrumpft auf wenige Minuten

Vor vier Jahren hatte sich Sinéad O’Connor eine Auszeit von der Bühne verordnet. Nun ist sie zurück und singt mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Sie eröffnet den Abend mit John Grants Song „Queen of Denmark“. Mit Versen zwischen Selbstzweifeln und Vorwürfen an die ganze Welt. Changierend zwischen leisen, zerbrechlichen Tönen und lautem Schreien. Ein Drama, zusammengeschrumpft auf wenige Minuten. Und doch spiegelt es Sinéad O’Connors Leben.

In der Kindheit misshandelt, später in einem katholischen Internat sexuell missbraucht, hat die Sängerin ihre Qualen immer auch nach außen getragen. Zerriss etwa 1992 das Bild des Papstes vor laufenden Kameras, als noch niemand über den Missbrauch in der katholischen Kirche sprach. Immer wieder setzte sich Sinéad O’Connor so lautstark wie kritisch mit kirchlichen Institutionen auseinander. Schlagzeilen schrieb sie aber auch mit Depressionen und Selbstmordversuchen.

Nun sind die Blessuren ihres Lebens nicht mehr zu sehen. Verschwinden komplett unter dem Hidschab. Es scheint aber keine rein optische Veränderung zu sein. Sinéad O’Connor wirkt gelöst. Wagt zwischendurch barfuß zu „Take me to Church“ ein Tänzchen, lächelt glücklich über den stürmischen Beifall, den „Reason with me“ bekommt.

Kein Konzert ohne "Nothing Compares 2 U"

Große Worte macht sie nicht. Mit einer Ausnahme: Sinéad O’Connor feiert an diesem Abend ihren 53. Geburtstag. Das sei für ihre Mutter ein besonderer Tag, sagt sie, und widmet ihr in Liebe den Song „I Am Stretched on Your Grave“, den sie a cappella singt. Ein bewegender Moment.

Mit „The Last Day of Our Acquaintance“ und „The Emperor’s New Clothes“ reißen die Sängerin und ihre fünfköpfige Band das Publikum schließlich von den Sitzen. Es wird ungehemmt geklatscht, gejohlt, mitgesungen. Bis endlich der Song kommt, auf den alle gewartet haben: Sinéad O’Connors Welthit „Nothing Compares 2 U“. Herzschmerz in Reinkultur und definitiv das beste Prince-Cover aller Zeiten. Zeitlos schön.