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Lucia und Jacinta am 13. Oktober 1917 in Fatima: "Der Krieg geht heute zu Ende"

Von Felizitas Küble

In Europa sind zwei kirchlich genehmigte Marienerscheinungsorte besonders bekannt, nämlich Lourdes und Fatima.
Wenn die Kirche eine Privatoffenbarung approbiert (billigt, gestattet, „anerkennt“), dann bedeutet dies keine Glaubensverpflichtung für Katholiken, sondern lediglich eine Erlaubnis zur Zustimmung. Erscheinungen sind also weder heilsnotwendig noch Bestandteil des Glaubensgutes („depositum fidei“) oder der amtlichen kirchlichen Verkündigung.fatima-von-anfang-an Daher ist den Gläubigen eine sachliche Kritik an Privatoffenbarungen seit jeher erlaubt.

Das 360 Seiten starke Buch „Fatima von Anfang an“ gehört zwar durchaus zur Fatima-begeisterten Literatur, ist aber nicht in allem stromlinienförmig; so wird zB. den Aussagen von Sr. Lucia nicht immer voll zugestimmt und die Erzählweise der Publikation ist insgesamt recht nüchtern.

Dieses Buch von Pater Joao de Marchi schildert u. a. die Befragung von Seherkindern durch Prof. Dr. Formigao am Abend des 13. Oktober 1917, also einige Stunden nach dem spektakulären Sonnenwunder in der Nähe von Fatima.
Dabei wird das damalige Protokoll des portugiesischen Geistlichen zitiert  –  auch das Gespräch mit Jacinta (S. 201):

Der Priester fragte das Seherkind: „Was hat die Dame gesagt?“  – „Sie sagte, wir sollen jeden Tag des Rosenkranz beten, und daß der Krieg heute zu Ende geht.“  – „Zu wem sagte sie das?“ – „Zu Lucia und mir, Francisco hörte nichts.“

Was nun das Interview mit Lucia am selben Abend betrifft, so ist die entsprechende Stelle gestrichen worden. Auf die Frage, was Maria ihr kurz vor dem Beginn des Sonnenwunders mitgeteilt habe, antwortete die Seherin demzufolge (S. 199):
„Sie sagte, wir sollen unser Leben bessern und unseren Herrn  nicht mehr beleidigen, der sei schon so viel beleidigt worden und daß wir täglich den Rosenkranz beten und um Verzeihung unserer Sünden bitten sollen.“
In Wirklichkeit geht es an dieser Stelle in Dr. Formigaos Protokoll wie folgt weiter: „….daß der Krieg heute aufhören werde und daß wir unsere Soldaten sehr bald erwarten sollen.“

„Ernsthafte Zweifel an der Echtheit“

Nachdem der Krieg an diesem Tag des Sonnentanzes keineswegs zu Ende ging (sondern erst im nächsten Jahr), fragte Dr. Formigao die Seherkinder am 19. Oktober 1917 noch einmal. Dieses Protokoll wird in dem erwähnten Buch ab S. 205 wiedergegeben. 0022

Eingangs heißt es: „Am 13. Oktober sagten beide, Lucia wie auch Jacinta, daß sie aus dem Mund der Seligen Junfrau die Worte „Der Krieg wird heute zu Ende gehen“ gehört hatten.“ 
Der Verfasser dieses Pro-Fatima-Buches räumt ein: „Diese Aussage der Seher konnte ernsthafte Zweifel an der Echtheit der Erscheinungen hervorrufen“.
Daher habe sich Dr. Formigao am 19. Oktober erneut zu den Kindern aufgemacht, um sie zu befragen.
Jacinta reagierte zunächst eher ausweichend („sie sagte, der Krieg würde zu Ende gehen“) und verwies auf Lucia, weil diese die Erscheinung besser verstanden habe. Lucia blieb ihrer ursprünglichen Aussage treu und beharrte zweimal darauf („Ich weiß nur, daß ich sie sagen hörte, der Krieg gehe an diesem Tag zu Ende“), wobei bereits klar war, daß diese Ankündigung ein Irrtum war.

Wie aus der wissenschaftlichen Studie „Rosenkranz und Kriegsvisionen“ von Monique Scheer hervorgeht, worin jenes Protokoll ausführlicher abgedruckt ist, hat sich Lucia im weiteren Verlauf des Interviews dann doch noch verunsichert geäußert: „Ich erinnere mich schon nicht mehr gut, was sie (Maria) sagte. (…) Vielleicht habe ich Unsere Liebe Frau nicht gut verstanden.“ – Und Jacinta erklärte auf erneute Nachfrage, wann der Krieg zu Ende gehe: „Ich glaube, er geht am Sonntag zu Ende.“ – Dies war dann freilich auch nicht der Fall (vgl. S. 52).

„Widersprüchliche oder unklare Aussagen“

Abschließend schreibt Pater Joao de Marchi, der Buchautor, trotz seiner sonstigen Fatima-Anhänglichkeit folgendes dazu: „Wie man sieht, handelt es sich bei der Frage, das Ende des Krieges betreffend, um widersprüchliche oder unklare Aussagen.“
Auf S. 211 schildert der Verfasser die kirchenamtliche Befragung der Untersuchungskommission vom 8. Juli 1924. Auch dort habe Lucia  – ca sieben Jahre nach dem Ereignis – daran festgehalten, daß die Madonna betreff des Kriegsendes von „heute“ gesprochen habe. 
Zugleich erwähnte sie damals eine ganz neue Variante hinsichtlich ihrer Cousine Jacinta, denn diese habe ihr „später“ gesagt, die Gottesmutter habe am 13. Oktober 1917 folgendes mitgeteilt: „Die Menschen müssen sich bekehren, der Krieg wird innerhalb eines Jahres zu Ende gehen.“ 
Diese Version taucht allerdings in den drei diesbezüglichen Gesprächen von Dr. Formigao mit Jacinta nicht auf. Dort hat sie beim ersten Mal „heute“ gesagt, dann beim zweiten Interview (wie bereits erwähnt) verunsichert auf Lucia verwiesen, beim dritten Mal (am 2. November 1917) plötzlich wieder eindeutig „heute“ gesagt (vgl. S. 213).   Titel

Vom schwierigen Umgang mit einer Schwierigkeit

Im Fatima-Schrifttum wird das offensichtliche Problem größtenteils auf zweifache Weise umgangen:
Teilweise bleibt diese HEUTE-Aussage einfach unerwähnt, so etwa in dem weitverbreiteten Buch „Rom – Moskau – Fatima“ von Pater Dr. Otto Bohr. Dort werden die Ereignisse des 13. Oktober 1917 zwar auf 14 Seiten breit geschildert, dieser Satz aber ausgelassen.

Neben Kürzungen gibt es unrichtige Darstellungen, die da lauten: „Der Krieg geht seinem Ende entgegen“ (das wäre ohnehin eine banale Aussage des Himmels, zumal jeder Krieg mal seinem Ende entgegengeht)  – oder „Der Krieg geht bald seinem Ende entgegen.“
Eine weitere Variante, diese Schwierigkeiten zu umgehen, besteht darin, sie in eine Wenn-Dann-Prophetie umzuwanden.  So heißt es in dem vom Clarentinerpater Abilio Ribeiro verfaßten Buch „Fatima  – Botschaft und Weihe“ auf S. 22: „Wenn die Menschen sich bessern, wird der Krieg heute noch zu Ende gehen.“  –  Es ist zwar hier zutreffend das Wort „heute“ erwähnt, aber eine ursprünglich nicht vorhandene WENN-Einschränkung vorgenommen: „Wenn die Menschen sich bessern…“Buch

Eine gewisse Glättung der Problematik wird auch darin erkennbar, bei diesem Thema nicht mehr wörtlich zu zitieren, sondern auf eine indirekte Schreibweise umzusteigen, so zB. in dem bekannten Buch „Fatima und Pius XII.“, das der katholische Verlagsleiter Johannes M. Höcht verfaßte. Dort kann man lesen: „Der Krieg gehe dem Ende entgegen.“ (S. 75)

Prof. Fonseca verbannt das Problem in Fußnoten

Das bekannteste Fatima-Buch ist wohl der Klassiker „Maria spricht zur Welt“ von Prof. Dr. Gonzaga de Fonseca.
Er schreibt in der 18. Auflage hierzu auf S. 91 hinsichtlich der Äußerungen Lucias betr. dieser Marienbotschaft: „Sie fügte hinzu, der Krieg gehe dem Ende entgegen und die Soldaten würden bald heimkehren.“Fatima
Allerdings wird immerhin in einer Fußnote erwähnt, Lucia und Jacinta hätten bei verschiedenen Befragungen geäußert, die Madonna habe gesagt: „Der Krieg wird heute zu Ende gehen….“ (Es wird danach versucht, diese Aussagen zu relativieren.)

In dem 1975 erschienenen Buch „Schwester Lucia spricht über Fatima“ berichtet die Seherin selbst auf S. 158 über die Ereignisse des 13. Oktobers. Dort wird die Marienbotschaft von ihr wie folgt zitiert:
„Ich möchte dir sagen, dass hier eine Kapelle zu meiner Ehre gebaut werden soll; ich bin unsere Liebe Frau vom Rosenkranz; man soll weiterhin täglich den Rosenkranz beten. Der Krieg geht zu Ende und die Soldaten werden in Kürze nachhause zurückkehren.“
Auf S. 159 gibt es dazu aber ein „Nachwort“ von ihr, das Sei damals an ihren Bischof sandte. Darin heißt es:
„Ich hatte so viel damit zu tun, mich an die zahllosen Gnaden zu erinnern, um die ich Unsere Liebe Frau bitten sollte, dass mir dadurch möglicherweise ein Irrtum unterlaufen ist, als ich nämlich sagte, der Krieg werde am selben Tag, dem 13., zu Ende gehen.“
Tatsache ist also: Die Hauptseherin Lucia beharrte von 1917 bis 1924 auf dem Wort HEUTE. Wenn dies auch ein objektiver Irrtum war, so wollte sie diesem immerhin persönlich „treu“ bleiben und sich nicht hinterher um ihre Ursprungs-Worte „herummogeln“.
Ende der 30er Jahre, als sie für den damaligen Diözesanbischof eine Niederschrift über die Fatima-Ereignisse anfertigte, kehrte sie diesen Ausdruck zunächst unter den Tisch, um dann in einem Nachwort den damaligen Fehler endgültig einzuräumen.

Abschließend noch eine Bemerkung zur  –  ebenfalls von Lucia erzählten  –  Marienbotschaft vom 13. Oktober 1917, dem Tag des Sonnenwunders: „Sie sagte, wir sollen unser Leben bessern und unseren Herrn  nicht mehr beleidigen, der sei schon so viel beleidigt worden und daß wir täglich den Rosenkranz beten und um Verzeihung unserer Sünden bitten sollen.“ 
Schön und gut, aber warum ist hier nicht von der Beichte die Rede? Wäre das nicht sehr passend?  –  Natürlich ist der Rosenkranz ratsam und die Reue bzw. Bitte um Verzeihung unentbehrlich. Das ändert nichts daran, daß das Sakrament der Buße bei schweren Sünden notwendig und bei läßlichen Sünden sehr empfehlenswert ist.

WEITERE ARTIKEL zum Thema Fatima, Sonnenwunder usw. hier: https://charismatismus.wordpress.com/category/fatima-und-thema-sonnenwunder/
Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt.

Kommentare

13 Antworten

  1. Wäre es nicht möglich, daß an diesem Tag der Krieg wirklich zu Ende ging. D.h.
    Daß durch unbekannte Ereignisse und Absprachen die Voraussetzungen für das
    Ende des Krieges geschahen. So wie in Deutschland auch den meisten Leuten
    Nicht klar war als der 3 Weltkrieg schon zu Ende war.

    1. Wenn man lediglich seinen Verstand einschaltet, ist es schon ganz schön schwer, überhaupt an Erscheinungen zu glauben. Wir müssen ja nicht dran glauben, aber wir dürfen.
      Der Glaube an und für sich ist ja auch freiwillig.
      Woher nehmen Katholiken die „Sicherheit“, daß Gott der Vater, der Sohn und der Heilige Geist ist.
      Maria, die Mutter Gottes war von Anfang an sündenlos.
      Selbst nach der Geburt war sie noch Jungfrau.
      Jesus hat Verstorbene erweckt, ist selbst auferstanden und auch noch mit dem Leib in den Himmel aufgefahren.
      Diese ganzen Dinge kann man doch rein verstandesmäßig auch nicht nachvollziehen.
      Es gibt eine Macht, ein Geist, der stärker ist als wir und diese „Macht“ reagiert selbst auf unsere innersten Gedanken.

  2. Christus war der Wahrheit verpflichtet, und zur Wahrheit gehört die Genauigkeit. Es ist eine Schande für die Autoren, wenn sie etwas „zurechtbiegen“, und man darf das keinesfalls verdecken. Inwieweit die Glaubwürdigkeit erhalten bleibt, ist eine erst folgende Frage.
    Aber wo, bitte, kann man denn die Protokolle nachlesen? Muss man sich wirklich durch eine Sekundär-Bibliothek durchwühlen? Gibt es keine hinlänglich vollständige Sammlung?

    1. Guten Tag,
      hinsichtlich der Wahrheitsverpflichtung haben Sie völlig recht – und ob an diesen Punkt die „Echtheit“ scheitert oder nicht, ist ein weiteres Thema, das man eigens diskutieren kann, wie Sie schreiben. Genauso ist es!
      Zu Ihrer Frage: Es gibt zwar eine vollständige Sammlung mit den „Erinnerungen“ von Sr. Lucia, welche sie ihrem Bischof übermittelte (nämlich in dem erwähnten Buch „Schwester Lucia spricht über Fatima“), aber ob in dem eingangs zitierten Buch „Fatima von Anfang an“ alle Protokolle von Dr. Formigao enthalten sind, bezweifle ich (dies wird dort aber auch nicht beansprucht). Der erste amtliche Interviewer der Seherkinder war aber der Ortspfarrer von Fatima (der zunehmend kritischer wurde – trotz Sonnenwunder) – er befragte die Seher im Auftrag des Bischofs. Diese Protokolle habe ich bislang in keinem Fatima-Buch gefunden.
      Eine komplette Öffnung der Archive für die Forschung wäre angesichts der hundertjährigen Jubiläumsfeier von Fatima im nächsten Jahr sicherlich mehr als angebracht.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

  3. Die Frau sagte: „Betet, damit der Krieg heute aufhört und eure Soldaten heute heimkehren.“ Sie sagte nicht, dass dies eintreten würde. Sie hat vom tatsächlichen Eintritt der Amerikaner in den Krieg gewarnt, die mit ihren gottlosen Ideen Europa verwüsten würden.

  4. „Fatima und Papst Johannes Paul II.!“
    Gibt es eine glaubwürdige Quelle, die darüber Auskunft gibt, – wann Johannes Paul II. erstmalig die „Fatima-Botschaften“ gelesen hat?
    MfG

  5. Irgendwie kann man das ganze Gepopel in einzelnen Worten nicht mehr hören, v.a. wenn es so wenig bringt und so heils-irrelevante Dinge wie einen zu Ende gehenden Krieg betrifft. Ich jedenfalls finde das stressig, aber es stimmt natürlich – das ist merkwürdig.
    Ob kleine Kinder immer so genau unterscheiden zwischen „Der Krieg geht bald zu Ende“ und „Der Krieg geht heute zu Ende“?
    Ich könnte da als Mutter einiges dazu sagen. Mir kommt die Ungenauigkeit jedenfalls nicht sonderlich gravierend vor, wenn ich bedenke, welches Alter die Kinder hatten.
    Zur Beichte: die waren damals wohl außer Lucia doch noch nicht bei der Beichte. Die Früh-Erstkommunion sehr junger Kinder unter Pius X. hat sich möglicherweise noch nicht überall und nicht konsequent durchgesetzt. Eine Beichte war für die Kinder noch nicht so greifbar wie ein kindliches Vergebung-Erbitten. In der Kirche war es bis zu dieser sicher nicht unproblematischen Verfrühung der Erstkommunion und damit auch Beichte ohnehin immer unüblich gewesen, Jugendliche unter 12 Jahren damit zu „belasten“, denn die Beichte war an sich ja nicht dafür gedacht, die seelsorgerliche Begleitung mit dem Sündenbekennen zu vermischen, sondern die schweren trennenden Sünden zu bereuen, bekennen und vergeben zu bekommen.

    1. Guten Tag,
      wie immer wieder in Fatimaschriften betont wird, richtet sich die „Botschaft“ nicht etwa nur an die drei Seherkinder allein – und nicht ohne Grund lautet der Titel des Standardwerkes von Prof. Fonseca: „Maria spricht zur Welt.“
      Natürlich mag das Erinnerungsvermögen kleiner Kinder nicht immer so umwerfend sein – nur fragt man sich dann, wie es mit den weiteren „Marienaussagen“ steht: Die sind dann womöglich auch ungenau bis unzutreffend? Und wie soll man zwischen den Zitaten mit der richtigen und jenen mit der unrichtigen Erinnerung unterscheiden? Angeblich wußte ja Lucia noch über zwangzig Jahre später wortgenau, was der Engel 1916 in ausführlichen Gebeten gesagt hat.
      Abgesehen davon: Die moralische und wissenschaftliche Pflicht zur korrekten Wiedergabe angeblicher Marienworte besteht rein grundsätzlich, mag man diese Causa nun als „das ganze Gepopel in einzelnen Worten“ auffassen oder nicht.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

    2. Keine Frage, es besteht immer Wahrheitspflicht, aber wir sehen doch schon an einigen Ungereimtheiten im Neuen Testament, dass das alles nicht ganz so einfach ist…
      Mit dem Argument gehen die Atheisten ja gerne gegen die Schriftautorität vor… ich mach ein Beispiel:
      In Apg 9 etwa heißt es über Paulus und sein Damaskus-Erlebnis: „Seine Begleiter standen sprachlos da; sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand.“ (V 7)
      In Apg 22 dagegen erzählt Paulus die Geschichte gerade umgekehrt: „Meine Begleiter sahen zwar das Licht, die Stimme dessen aber, der zu mir sprach, hörten sie nicht.“ (V 9)
      Und Beispiele dieser Art finden wir in der ganzen Schrift häufiger.
      Man muss mit allem rechnen beim Menschen: mit Erinnerungsfehlern, mit Missverständnissen, mit Hinzuerfundenem oder überhaupt Erfundenem.
      Hätte man deshalb das Damaskus-Erlebnis nicht kanonisieren sollen – trotz dieses offenkundigen Widerspruchs? Und wissen wir überhaupt, ob da nicht irgendeiner der „zentralen“ Abschreiber mal irgendwann im Tran was verkehrt herum geschrieben hatte? Und seither haben wir diesen Fehler?
      Was ich zeigen will ist, dass man sich an solchen einzelnen Worten, vor allem, wenn sie eher nebensächlich sind im Gesamtzusammenhang, nicht abarbeiten sollte.
      Die Frage ist, ob die Botschaft im Ganzen wahr ist.
      ich kenne den Einwand: „Wenn da schon bei solchen sachen vieles nicht stimmt, wieso sollte ich dann so etwas wie die Jungfrauengeburt oder die Auferstehung glauben?“ Das entspricht allerdings strukturell dem Ihren.
      Insofern wäre ich da einfach viel vorsichtiger – soviel Skepsis wird schnell wie ein Spieß umgedreht.
      Wir haben hier nur einen Schatz in irdenen Gefäßen.
      Wenn das beim Schriftwort schon so ist, wieviel mehr dann beim Wort von Visionären.

      1. Guten Tag,
        zunächst noch einige Hinweise auf ein paar Bemerkungen in Ihrem vorhergehenden Kommentar, da ich zuvor durch einen Termin keine weitere Zeit mehr hatte:
        1. Die Einführung der Frühkommunion durch Pius X. sei eine „sicher nicht unproblematische Verfrühung der Erstkommunion“ gewesen. Das können Sie so bewerten, aber dann müßte es Sie erst recht wundern, daß der Fatima-Engel der kirchlichen Frühkommunion (meist zwischen dem 8. und dem 10. Lebensjahr) bei den Seherkindern Francesco (8) und Jacinta (6) sogar noch zuvorgekommen ist (ohne Erstbeichte natürlich). Wie Sie wissen, habe ich genau dazu bereits in einem früheren Artikel einige kritische Fragen gestellt.
        2. Es sei zuvor in der Kirche nicht üblich gewesen, Kinder unter 12 Jahren mit der Beichte zu „belasten“, schreiben Sie. Warum wurden aber die noch deutlich jüngeren Seherkinder mit einer – doch wohl viel „härteren“ – Höllenvision belastet? Daß die kleinen Visionäre hiervon äußerst erschüttert waren, kann man allenthalben nachlesen und sich auch lebhaft vorstellen. Da ist eine Kinderbeichte im Vergleich dazu wirklich harmlos.
        3. Sodann: Natürlich ist ein zu Ende gehender Krieg, wie Sie schreiben, „nicht heils-irrelevant“. Für wirklich „heilsrelevante“ Dinge benötigen wir aber bekanntlich eh keine Erscheinungen; diese stehen ohnehin fest.
        4. Zu Ihrem Einwand hinsichtlich der unterschiedlichen NT-Darstellungen von der Bekehrung des Apostels Paulus:
        Es heißt betr. der Begleiter einmal, daß sie „niemand sahen“ und dann, daß sie „das Licht sahen“. Auch wenn man Licht schaut, sieht man womöglich „niemanden“ (also keine Person).
        Sodann heißt es einmal, daß sie „die Stimme hörten“ – und dann, daß sie „die Stimme dessen, der mit mir sprach, nicht hörten“. Vielleicht bezieht sich „die Stimme“ auf jene von Paulus – oder die Begleiter haben es unterschiedlich erlebt, es waren schließlich mehrere.
        Zudem verpflichtet die katholische Kirche ohnehin nicht zum Glauben an ein biblisches Wort-für-Wort-Diktat, sondern lehrt grundsätzlich die Zuverlässigkeit der Heiligen Schrift und ihre Inspiration durch den Heiligen Geist, nicht jedoch eine „fundamentalistische“ Verbalinspiration.
        5. Zwischen der Bibel und einer Privatoffenbarung (selbst wenn diese kirchlich gebilligt wurde) besteht freilich nicht nur ein gradueller, sondern ein wesentlicher Unterschied in Bedeutung und Verbindlichkeit. Bekanntlich ist die göttliche Offenbarung mit dem Tod des letzten Apostels bzw. dem Ende der apostolischen Zeit abgeschlossen. Das ist ein katholisches Grund-Dogma seit jeher, ein Axiom, wie Sie wissen. Kirchlich gebilligte Erscheinungen sind nicht nur kein Dogma, sondern sie gehören nicht einmal zum sog. „Glaubensgut“ bzw. sie sind kein Bestandteil der amtlichen Verkündigung der Kirche.
        Freundlichen Gruß!
        Felizitas Küble

      2. Das ist im wesentlichen ja alles richtig, was Sie da schreiben – aber das meiste, das Sie „richtigstellen“, habe ich ja gar nicht behauptet. Mein Schwerpunkt lag woanders.
        Ich habe hier nichts beschönigt oder die Verbalinspiration behauptet – von all dem war meinerseits nicht die Rede, sondern davon, dass generell bei Überlieferungen Wortlaute abweichen können oder nicht übereinstimmen. Die Paulus-Sache ist berühmt und lässt sich in ihrer Widersprüchlichkeit durch nichts glätten. Aber diese Ausage über die Begleiter ist auch nicht relevant im einzelnen – relevant ist, dass sie das, was Paulus erlebte, nur sinnlich und oberflächlich und damit unvollständig wahrnehmen konnten – vielleicht auch daher die verwirrte Darstellung.
        Es ist eindeutig, dass hier das, was sinnlich nicht wahrgenommen wurde, mit dem vertauscht wurde, was sinnlich wahrgenommen wurde, und Paulus spricht auch nicht von zwei Kategorien von Begleitern. An beiden Stellen sind sie als homogene Gruppe gekennzeichnet – tut mir wirklich leid, aber so einfach darf man es sich hier nicht machen.
        Ich meinte, an der Fatima-Botschaft ist das mit dem Krieg nicht heilsrelevant, sondern der Aufruf zur Buße, und über den besteht keinerlei Zweifel in der Fatima-Überlieferung.
        Eine nur graduelle Nähe Fatimas zur Bibel habe ich ohnehin an keiner Stelle ausgesprochen, aber das methodische Werkzeug des Forschers und Textkritikers ist eben doch in beiden Fällen dasselbe, weil in beiden Fällen dasselbe Instrument, nämlich die Sprache benutzt wurde.

        1. Guten Tag,
          es ist mir natürlich klar, daß Sie nicht die Verbalinspiration behaupten, das hatte ich Ihnen ja auch nicht unterstellt, sondern habe lediglich die katholische Lehre über die Heilige Schrift erläutert, wobei Paulus selber auch schreibt: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben“ (2 Tim 3,16). Aber Inspiration bedeutet eben kein Diktat von oben, womit sich die christliche Position zur Bibel wesentlich unterscheidet von der islamischen Stellung zum Koran. Das hatte ich erwähnt, um nicht als Anhänger der Verbalinspiration mißverstanden zu werden.
          Die Tatsache, daß es zB. in den Evangelien unterschiedliche Blickrichtungen und Varianten bei demselben Ereignis gibt, macht sie für mich insgesamt noch glaubwürdiger, weil damit nämlich zugleich klar ist, daß sich die Autoren nicht untereinander abgesprochen haben, um etwas zu „fabrizieren“.
          Was nun die Äußerung von Lucia und Jacinta betrifft, „heute“ gehe laut Marienerscheinung der Krieg zu Ende, so ist das nicht irgendein Nebensatz, sondern eine eindeutige prophetische Aussage, die aber nicht zutraf – und das geschah ausgerechnet auch noch am Tag des vielgerühmten „Sonnenwunders“. (Es gibt zudem weitere Fatima-Irrtümer, zB. der 2. Weltkrieg beginne mit Pius XI.)
          Natürlich ist bei jener Fatima-Botschaft auch von der Buße die Rede. Das habe ich in diesem Artikel auch korrekt und ausführlich zitiert. Aber die Leute strömten größtenteils nicht wegen der Buß-Aufrufe zu zehntausenden dorthin, sondern wegen Wunder-Ankündigungen und erwarteten Weissagungen.
          Übrigens hat sich der Pfarrer von Fatima auch deshalb über das ganze Spektakel immer stärker geärgert, weil er sah, daß Menschenscharen sich von Wundersucht anlocken ließen, aber nicht in die Kirche vor den Tabernakel kamen, wo doch ständig ein Wunder gegenwärtig ist, das allerheiligste Altarsakrament nämlich. Aber das ist freilich kein Augenschmaus und Sensationsereignis wie ein Sonnentanz….
          Für den Aufruf zu Buße, Gebet und Umkehr benötigt niemand eine Erscheinung – es genügt, auf Bibel und Kirche zu hören, einmal abgesehen davon, daß der Bußappell im NT schon bei Johannes dem Täufer beginnt, der zudem die Bußtaufe spendete. Der Aufruf „Tut Buße“ ist einer der häufigsten im NT.
          Und den wunderbegierigen Leuten entgegnete Christus schon damals: „Sie haben Moses und die Propheten, darauf sollen sie hören“ – und wir haben Bibel und Kirche, hören wir also d a r a u f !
          Freundlichen Gruß!
          Felizitas Küble

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