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Genossen in der Krise Basis rebelliert gegen Linken-Chefs

Für die Spitze der Linkspartei wird es ungemütlich: Nach SPIEGEL-Informationen protestieren rund 50 Kreisvorsitzende gegen den Kurs der Parteispitze. Deren Analyse der jüngsten Wahlschlappen sei unzureichend, heißt es in einer Protestnote. Muss Oskar Lafontaine zurückkehren?
Linke-Chefs Lötzsch und Ernst: Druck von der Parteibasis

Linke-Chefs Lötzsch und Ernst: Druck von der Parteibasis

Foto: dapd

Berlin - Es ist eine unerfreuliche Botschaft für die Linken-Vorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch - und der Brief kommt ausgerechnet von Parteifreunden: Nach SPIEGEL-Informationen haben sich rund 50 Kreisvorsitzende in einer Protestnote gegen den Kurs des Führungsduos gewandt.

"Die bisherigen Wahlergebnisse 2011 können uns nicht zufriedenstellen", schreiben sie in Reaktion auf die verlorenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Partei war in beiden Ländern an der Fünfprozenthürde gescheitert. Bisherige Erklärungsversuche der Parteiführung träfen "kaum den Kern der Probleme". Es sei an der Zeit, offen, selbstkritisch und ehrlich zu diskutieren", heißt es in dem Brief.

Die Parteispitze hatte die dürftigen Wahlergebnisse vor allem damit erklärt, dass die zwei Landtagswahlen von der Japan-Krise und der Atomdebatte in Deutschland überlagert worden seien.

Anlass des Protestbriefs ist die Absage einer geplanten Konferenz der Kreisvorsitzenden, auf der eine offene Aussprache vorgesehen war. Offizielle Begründung der Parteiführung für die Absage des Treffens: Es hätten sich "keine geeigneten Räume zu akzeptablen Preisen gefunden".

Geschwächte Parteispitze

Die Protestnote ist ein weiter Schlag für Ernst und Lötzsch, deren Position bereits vor den Wahlpleiten als geschwächt galt. So hatte der Porsche fahrende Ernst mit seinem Lebensstil und mit umstrittenen doppelten Bezügen aus Partei und Fraktion viele Genossen verprellt, Lötzsch hatte die Partei mit einer Kommunismus-Debatte in Erklärungsnot gebracht.

Zuletzt sorgten zudem Spekulationen über ein mögliches Comeback von Ex-Parteichef Oskar Lafontaine für Unruhe an der Basis. Fraktionschef Gregor Gysi hatte zur Überraschung der Partei erklärt, der Saarländer sei unter Umständen zu einer Rückkehr bereit. "Er wird jetzt nicht kommen. Aber ich denke, wenn es eine Notsituation gibt, kann er sich eine Rückkehr vorstellen", hatte Gysi in Berlin gesagt.

Muss Lafontaine zurückkehren? Ist die Notsituation da?

Die Linke ist gespalten: Zwar signalisiert etwa der Landesverband NRW, dass er ein stärkeres Engagement Lafontaines begrüßen würde, führende Genossen im Osten sprechen sich allerdings gegen eine Rückkehr Lafontaines aus.

Kritisch äußert sich auch der zum Reformerflügel gehörende Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich: Eine Rückkehr Lafontaines wäre kein Aufbruchsignal, sagte Liebich der "Rheinpfalz am Sonntag". Die Linken befänden sich nicht in einer derart schlimmen Notsituation, dass nur noch Lafontaine helfen könnte. Eine Rückkehr des ehemaligen Parteichefs sei für die Aussichten bei den bevorstehenden Landtagswahlen nicht dienlich, sagte Liebich. Deshalb finde der Gysi-Vorstoß auch kaum Zuspruch in der Partei. Lafontaine habe seine Verdienste, aber auf einen 67-Jährigen zurückzugreifen sei die falsche Botschaft. Die Linke müsse sich auf eine andere Generation verständigen. Wenn eine Personaldebatte Sinn haben solle, müsse sie zukunftsorientiert geführt werden.

Lafontaine hatte nach einer Krebserkrankung im vergangenen Jahr nicht wieder für den Bundesvorsitz der Linken kandidiert. Zuvor hatte er bereits auf den Posten des Bundestagsfraktionschefs verzichtet. Derzeit ist er Fraktionsvorsitzender in saarländischen Landtag.

PDS-Reformer planten 2002 neue Partei

Wie tief zerstritten die Partei ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. 2002 stand die damalige PDS nach SPIEGEL-Informationen unmittelbar vor der Spaltung. Führende Reformer der PDS planten demnach den Auszug der PDS und die Gründung einer eigenen Partei. Zu dem Kreis gehörten unter anderem Gysi, Dietmar Bartsch und andere Spitzenpolitiker, die zuvor auf Parteitagen schwere Niederlagen hinnehmen mussten.

Entsprechende Überlegungen bestätigten sowohl der langjährige Vordenker der Partei André Brie, als auch der frühere Bundesgeschäftsführer und heutige Vize-Fraktionschef Bartsch. Man habe eine Neugründung "sehr konkret diskutiert", so Brie gegenüber dem SPIEGEL. Wie aus Dokumenten des Archivs Demokratischer Sozialismus hervorgeht, warnte Gysi damals, der "Anfang vom Ende der Partei" stehe bevor. In einem Papier hatte ein Gysi-Berater, der frühere DDR-Kulturminister Dietmar Keller, drastisch formuliert: "Die Gebrechen der SED sind wie ein Wurm, alles scheinbar Abgeschnittene wächst ohne Mühe nach." Die PDS habe "nie mit dem Kommunismus gebrochen". Die Reformer erhielten damals Angebote von der SPD zum Übertritt. Am Ende des Machtkampfs wurde Lothar Bisky erneut Parteichef.

hen/dapd