Die Kundgebung „#BLACKLIVESMATTER“ am Donnerstag, 4. Juni 2020, in Wien.
APA/Hans Punz
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Chronik

Nach Großdemo kein CoV-Cluster

Die Großdemo „Black lives matter“ gegen Polizeigewalt mit 50.000 Teilnehmern oder auch die tausenden Menschen, die am Donaukanal Party machen, haben zu keinem Coronavirus-Cluster geführt. Warnungen gibt es aber dennoch.

Im Schnitt hat es seit Mitte Mai in Wien pro Tag 23 Neuinfektionen gegeben. Der deutsche Virologe, Christian Drosten, warnt dennoch vor solchen großen Versammlung. „Das heißt, wenn so eine Veranstaltung trotzdem gut geht, dann heißt das nicht, dass es das Virus nicht mehr gibt. Sondern es heißt einfach, dass wir im Moment in so einer niedrig Inzidenzlage sind, dass solche Dinge auch mal glimpflich laufen können“, sagte Drosten.

Von 15. Mai bis 13. Juni waren in Wien die drei größten Corona-Cluster in der Familie (38,6 Prozent), in Betrieben (24,7 Prozent) und Schule & Kindergärten (6,3 Prozent) zu finden. 73 Prozent der getesteten Kontaktpersonen sind, laut medizinischem Krisenstab, Kontaktpersonen der Stufe 1 gewesen. Das heißt, sie waren zum Zeitpunkt der Testung bereits isoliert.

Corona-Entwicklung in Wien

50.000 Menschen bei einer Demo, tausende Menschen jeden Abend bei fröhlichen Parties in der ganzen Stadt. Und meistens kein Babyelefant dazwischen. Man wundert sich schon, dass die Infektionszahlen nicht wieder stark steigen. Manche meinen schon, dass das Virus doch nicht so gefährlich sein kann.

„Fälle möglichst frühzeitig“ entdecken

Auch die jetzt bekannt gewordenen Fälle in einem Liesinger Pflegeheim deuten nicht zwangsläufig auf eine Verschlechterung der Zahlen hin, meint Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna.

„Wenn der Cluster und die ganzen Kontakte rückverfolgt werden, und in dem Umfeld der bekannten Fälle keine neuen Fälle mehr gefunden werden, dann ist die Situation natürlich unter Kontrolle. Wo wir sehr stark aufpassen müssen – und das wird auch flächendeckend gemacht – ist, dass gerade in solchen Einrichtungen die Anzahl der Cluster möglichst gering ist, und die Fälle möglichst frühzeitig entdeckt werden“, so Klimek.

Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna
ORF
Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna

Problem, wenn Fälle an Orten, wo man nicht damit rechnet

Die Zahl der täglichen Neuinfektionen alleine sei nicht ausschlaggebend, ob eine Situation unter Kontrolle ist. „Es geht weniger um Quantität als Qualität. Wie viele dieser Fälle finden wir an Orten, wo wir nicht mit Fällen rechnen würden. Wenn diese Zahl zu stark ansteigt, kontinuierlich über mehrere Tage und Wochen hinweg, dann besteht die Gefahr, dass wir in eine zweite Welle gehen“, sagte Kimek.

Flächendeckende Testungen – mit rund 2.000 Tests pro Tag – wie sie aktuell in Wien gemacht werden, seien deshalb der richtige Weg. So würden auch a-symptomatische Infizierte, also Personen ohne CoV-Symptome, gefunden, erklärte Kimek. Seit 6. Juni sind zwei Drittel der in Wien getesteten Personen a-symptomatisch. Ein Drittel zeigt Symptome.

Van der Bellen: „Weiß, wann ich den Mund halten soll“

Diese Wiener Strategie wird immer wieder von der Bundesregierung kritisiert. Der Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der das Zentrum für Komplexitätsforschung besucht hat, sagte zu diesem Hickhack zwischen dem Bund und Wien: „Ich bin lange genug in der Politik, dass ich auch weiß, wann ich den Mund halten soll.“

Momentan gäbe es jedenfalls laut den Wissenschaftlern keine Anzeichen, dass es zu einer Trend-Umkehr in Wien kommt. Schwierig könnte die Situation dann wieder ab Herbst werden.