Gender-Ideologie gegen Schöpfungsordnung

„Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit.“ Diese Worte des amerikanischen Astronauten Neil Armstrong bei der Mondlandung lassen sich auch auf andere weltumwälzende „Errungenschaften“ der letzten Zeit übertragen: Vor fünfzig Jahren hat man die Anti-Baby-Pille auf den Markt gebracht, welche von da an die sog. „Reproduktionsverhältnisse“ gründlich durcheinander bringen sollte. Ebenso hat 1960 die Geschlechterdebatte ihren Anlauf genommen, deren Zielstellung heute Gender Mainstreaming (GM) heißt, eine neue revolutionäre Gesellschaftsdoktrin mit durchaus totalitären Zügen. „GM“ bedeutet nichts weniger als die Aufhebung des herkömmlichen „binären Geschlechtersystems“ mit den beiden „Exponenten“ „Mann“ und „Frau“. Mann und Frau, Junge und Mädchen sind laut dieser Ideologie keine von der Natur vorgegebenen Wirklichkeiten, keine ontologischen Identitäten: Vielmehr sind es angeblich frei zu wählende Lebensabschnitts-Entscheidungen, ähnlich wie die Religionszugehörigkeit, die Berufswahl oder die Wahl des Wohnortes. Als Vordenkerin der Gender-Ideologie bzw. „GM“ gilt die im kalifornischen Berkeley lehrende Professorin für Rhetorik und vergleichende Literaturwissenschaft Judith Butler, welche an zahlreichen deutschen Hochschulen, die Gender-Studien anbieten, zum Kanon gehört. In ihrem bekanntesten Werk „Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity“ (1990) plädiert sie für die Gleichstellung aller sexuellen Lebensformen und verurteilt die „normative Zweigeschlechtlichkeit“ als „Zwangsmatrix“, die aufgelöst werden müsse, um einer Vielfalt von gleichberechtigten Geschlechtsidentitäten zu weichen. In Zukunft könne es „drei, fünf oder auch fünfzig Geschlechtsidentitäten geben“. Entscheidende Anstöße verdankt „GM“ aber vor allem auch Simone de Beauvoir, der „Lebensgefährtin“ des existentialistischen Philosophen Jean Paul Sartre. Ihrem 1949 veröffentlichten Werk über die Frau „Das andere Geschlecht“, das zur Bibel des Feminismus wurde, liegt der radikale Freiheitsbegriff Sartres zugrunde: Nach ihm ist der Mensch nichts anderes „als wozu er sich macht“. Um dieser Freiheit willen ist Sartre Atheist. Wenn Gott existiert, dann ist der Mensch von ihm geschaffen und Gott gegenüber verantwortlich. Existiert aber Gott nicht, dann gibt es auch keine menschliche „Natur“, die unserer Freiheit vorgegeben und anvertraut wäre. Dann zählt nur der eigene Zugriff, die selbstmächtige autonome Entscheidung. Den Existentialismus Sartres wendet Simone de Beauvoir konsequent auf die Situation der Frau an. Der bekannteste Satz ihres Buches lautet: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Kein biologisches, psychisches, wirtschaftliches Schicksal bestimmt die Gestalt, die das weibliche Menschenwesen im Schoß der Gesellschaft annimmt.“ (S. 265) Wie es für Sartre kein vorgegebenes Wesen des Menschen gibt, so existiert auch für de Beauvoir keine „Natur der Frau“ mit bestimmten Eigenschaften, die der eigenen Wahl vorausgesetzt wird.

Leitprinzip

Der Kampf der „GM“-Ideologen gilt zuallererst dem „herkömmlichen repressiven Geschlechtersystem“ mit der klassischen Familie als Angelpunkt, das andere Formen sexuellen Verhaltens abwerte und diskriminiere wie Homo- und Bisexuelle, Polyamory (nicht monogam lebende Menschen), Transgender (Menschen mit unklarer sexueller Identität) etc. Es geht dabei um weitaus mehr als um „Toleranz“ gegenüber solcherlei Veranlagungen und Praktiken, sondern um gezielte politische, soziale und kulturelle Maßnahmen, mit denen diese „erweiterten sexuellen Identitätskonzepte“ von Kindergarten und Schule an als Normalität in die Gesellschaft eingepflanzt werden sollen. Dazu gehören bereits sprachliche Veränderungen wie das Ersetzen geschlechtsspezifischer Substantive durch geschlechtsneutrale: Etwa „Vater und Mutter“ durch „Elternteile“, „Studenten und Studentinnen“ durch „Studierende“ oder auch „Rednerpult“ durch „Redepult“ usw., oder wenn in Kindergärten die Buben mit Mädchenspielzeug spielen sollen und umgekehrt.
In Deutschland hat bereits 1999 die damalige rot-grüne Bundesregierung „Gender Mainstreaming“ zum „Leitprinzip und zur Querschnittsaufgabe“ für die deutsche Politik erklärt. Die Regierung Merkel hat 2005 diese Politik übernommen und sogar in die Verantwortung einer CDU-Politikerin, Familienministerin von der Leyen, gestellt. Nicht besser in Österreich: Dort ist „GM“ im Jahr 2000 Regierungsmaxime geworden. Wien und Berlin handelten entsprechend EU-Aktionsvorgaben. Bereits 1995 erhob der EU-Ministerrat „GM“ zum Aktionsprogramm der Europäischen Union, 1999 macht es der Amsterdamer EU-Vertrag rechtlich verbindlich, und 2007 hat das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen seine Arbeit aufgenommen mit dem Ziel, „GM“ in ganz Europa durchzusetzen. „GM“ ist Leitprinzip für alle Bundesbehörden, so steht es in der Geschäftsordnung der Bundesregierung, zwölf Bundesländer haben mit ähnlichen Regelungen nachgezogen. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz war dies das zweite gesellschaftspolitische Projekt von Rot-Grün, das unter den Regierungen Merkel mit Elan weitergetrieben wird. Allein zwischen 2000 und 2006 ließ sich Deutschland die „Implementierung“ des „GM“ über eine Milliarde Euro kosten und stellt damit den europäischen „Musterschüler“ (JF, 26.02.2010). An der Berliner Humboldt-Universität hat die Regierung eigens ein „Kompetenzzentrum“ eingerichtet, in dem Wissenschaftler darüber wachen, daß „GM“ korrekt in den Staatskörper eingepflanzt wird. In jedem Berliner Bezirksamt z.B. hängt inzwischen am Schwarzen Brett ein „Fortschrittsbericht“ der „Gender-Geschäftsstelle“. Eine ähnliche Instanz gibt es auch an der TU Dresden, außerdem ein kleines „Kompetenzzentrum“ bei Leipzig. Vor allem der Bund sorgt für die Verbreitung von GM. So zahlte 2006 z.B. das Verkehrsministerium 324.000 Euro für das Papier „Gender Mainstreaming im Städtebau“. Das Bundesumweltministerium hatte 100.000 Euro für die Studie „Gender Greenstreaming“ übrig, zu deren Ergebnissen gehört, daß es geschlechtspolitisch sinnvoll wäre, wenn es auch mal „Motorsägenkurse“ für Frauen gäbe. Und das Bundesfamilienministerium hat für 180.000 Euro eine „Machbarkeitsstudie Gender Budgeting“ erstellen lassen, die den Haushalt etlicher Ministerien untersucht: Würde sie umgesetzt, müßte jeder einzelne Finanzposten danach abgeklopft werden, ob er geschlechterpolitisch korrekt ausgegeben wird. Die frühere Familienministerin von der Leyen hatte schon zu Beginn ihrer Amtszeit klargemacht, daß sie sich nicht mit einer Politik der „kleinen Schritte“ begnügen will: „Ich möchte in diesem Land etwas bewegen“, sagte sie (vgl. Komma Nr. 38/2007, S. 8ff).

Totalitarismus

Der heraufziehende Totalitarismus des 21. Jahrhunderts trägt ein anderes Kostüm als im 20. Jahrhundert: Seine große Verheißung ist Freiheit und grenzenlose sexuelle Befriedigung als Weg zum Glück (Gabriele Kuby). Während der Marxismus immerhin Not und Unterdrückung „der proletarischen Mehrheit“ durch die kommunistische Revolution der Produktionsverhältnisse aufzuheben versprach, fordert die gegenwärtige Kulturrevolution nicht die Verbesserung der Lage einer großen unterdrückten Bevölkerungsgruppe, sondern die tief greifende Umwandlung der ganzen Gesellschaft im Dienst einer kleinen Minderheit im Namen eines neuen Menschenbildes. Dabei propagieren die „Genderisten“ ein gegenüber den Kommunisten und auch Nationalsozialisten völlig anderes Persönlichkeitsmodell: Keine genetische (rassenbiologische) Fixierung wie bei den Nazis noch die angebliche Stellung im Produktionsprozess wie beim Marxismus- Leninismus legen die Wirklichkeit des Menschen fest, vielmehr obliege es dem Einzelnen, die Wirklichkeit seiner Person in Form des sexuellen Geschlechts selbst zu bestimmen. Statt „Das Sein bestimmt das Bewußtsein“ (Marx, Engels, Lenin) behauptet man: „Das Bewußtsein (der menschliche Wille) bestimmt das (menschliche) Sein.“ Ignoriert werden jedoch dabei alle Erkenntnisse der modernen Wissenschaft, insbesondere aus Medizin, Physik und Genetik. Schon mit dem ersten Semester lernt ja heute jeder Medizinstudent bereits die Funktionen der X- und Y-Chromosomen, welche Persönlichkeit und Geschlecht prägen, kennen, sowie deren Auswirkungen unmittelbar nach der Befruchtung der Eizelle.
Insofern werde zwar, wie die österreichische Verfasserin der detaillierten Studie „MenschInnen – Gender Mainstreaming“ Barbara Rosenkranz schreibt, das „GM-Projekt“ scheitern, „denn mit dieser Ideologie kann man nicht leben, sondern nur zugrunde gehen. Die entscheidende Frage ist aber: Können wir uns rechtzeitig aus diesem Irrtum befreien? Denn die schlimmste Wirkung entfaltet GM gerade in dem Schlüsselbereich schlechthin: in der Pädagogik. Was die Erschütterung bzw. Vernichtung des Selbstverständnisses von Mann und Frau für Buben und Mädchen bedeutet, die sich an Vorbildern, an Rollenbildern entwickeln müssen, kann gar nicht ernst genug genommen werden. … Ja, GM wird scheitern, aber wenn wir einfach darauf warten, wird es uns mit in den Abgrund reißen. Denn in der Konkurrenz der Kulturen wird eine Kultur, die gegen die Gesetze des Lebens handelt, nicht bestehen, sondern vitaleren Kulturen zum Opfer fallen.“ (Interview in JF v. 26.02.2010. )
Von Norbert Clasen, erschienen in KU April 2014