Venezuela lässt deutschen Reporter frei

Billy Six sass vier Monate in einem Geheimdienstgefängnis in Caracas und ist nun wieder Zuhause in Berlin. Seine Eltern erheben schwere Vorwürfe gegen die deutsche Regierung – und loben Russland und die AfD. Russlands Aussenminister Lawrow bestätigte, sich für Six' Freilassung stark gemacht zu haben.

Jonas Hermann, Berlin
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Billy Six recherchierte immer wieder in Konfliktregionen wie Libyen, Syrien und der Ukraine. Das Foto zeigt ihn in Bucaramanga, Kolumbien. (Bild: Edward Six via AP)

Billy Six recherchierte immer wieder in Konfliktregionen wie Libyen, Syrien und der Ukraine. Das Foto zeigt ihn in Bucaramanga, Kolumbien. (Bild: Edward Six via AP)

Mit zwei Müsliriegeln sei ihr Sohn von der deutschen Botschaft «abgefrühstückt» worden, schreiben die Eltern des aus venezolanischer Haft entlassenen Reporters Billy Six. Mehr Proviant habe er für die Heimreise nach Berlin nicht bekommen, obwohl 119 Tage Gefängnis hinter ihm liegen und er offenbar mehrfach in den Hungerstreik trat. Die Wut der Eltern auf das deutsche Aussenministerium ist eine der Konstanten im Fall Billy Six. Ob ihm der Furor genützt hat, lässt sich schwer sagen, denn seine überraschende Freilassung haben wohl nicht deutsche Diplomaten erwirkt, sondern der russische Aussenminister Sergei Lawrow. Russland ist mit dem sozialistischen Regime in Venezuela verbündet.

Aus Venezuela berichtete Six für die rechtskonservative Wochenzeitung «Junge Freiheit». Deren Chefredaktor Dieter Stein sagte der NZZ bereits im Dezember, er setze auf Hilfe aus Moskau. Six wurde allerdings nicht von ihm nach Venezuela entsandt, sondern war dort auf eigene Faust unterwegs. Er berichtete beispielsweise über den massenhaften Exodus aus dem sozialistisch regierten Land, das unter einer heftigen Wirtschafts- und Regierungskrise leidet. Im November 2018 nahmen die venezolanischen Behörden Six fest und warfen ihm Spionage und Rebellion vor. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hält die Anschuldigungen für nicht belegt und forderte, Six sofort freizulassen. Die deutsche Regierung hatte sich diesem Appell nie angeschlossen – und das ist nicht der einzige Vorwurf, den die Eltern erheben.

AfD-Kontakt nach Russland?

Sie behaupten, im Aussenministerium habe man «nur das Minimum an Aktivitäten an den Tag gelegt, um dem Vorwurf zu entgehen, nichts gemacht zu haben». Der sozialdemokratische Aussenminister Heiko Maas und seine Diplomaten hätten die Freilassung eher behindert als gefördert. Voll des Lobes äussern sich die Eltern hingegen über die AfD. Die Partei hatte sich öffentlich für Six eingesetzt. Nach Darstellung der Eltern habe der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron vor kurzem Kontakt zum russischen Aussenminister Lawrow aufgenommen. Wenig später sei ihr Sohn freigekommen. Die Eltern dankten Lawrow ausdrücklich. Am Dienstag bestätigte eine Sprecherin Lawrows der Deutschen Presse-Agentur, dass sich der russische Aussenminister für die Freilassung stark gemacht habe. Lawrow hatte am vergangenen Donnerstag seinen venezolanischen Amtskollegen Jorge Arreaza in Wien getroffen. Zwei Tage später wurde Six freigelassen.

Vor allem in den sozialen Netzwerken war spekuliert worden, die deutsche Regierung setze sich nur halbherzig für Six ein, weil er für Medien arbeite, die rechts der Mitte zu verorten sind. Dabei wurden Parallelen zum «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel gezogen, der in der Türkei in Haft sass. Seinen Fall hatte die Bundesregierung damals zur Chefsache erklärt.

Anfangs hatte sich das Aussenministerium in der Causa Six mit öffentlichen Äusserungen zurückgehalten, vergangene Woche legte die Behörde aber offen, wie sie den Reporter unterstützte. Man habe Gespräche mit dem venezolanischen Botschafter geführt und mit hochrangigen Vertretern des Aussenministeriums in Caracas. Deutsche Diplomaten hätten Six dreimal im Geheimdienstgefängnis El Helicoide in Caracas besucht, wo er in einer Einzelzelle inhaftiert war. «Dies alles ist aussergewöhnlich und geht über das übliche Mass der Haftbetreuung weit hinaus», hiess es aus dem Auswärtigen Amt. Auch der ehemalige deutsche Botschafter in Venezuela, Daniel Kriener, habe Six besucht.

Turbulente Ausreise

Allerdings wurde der Botschafter Anfang März des Landes verwiesen. Wegen der Spannungen im Verhältnis zwischen Deutschland und Venezuela war kaum mit einer positiven Entwicklung im Fall Six zu rechnen. Dennoch entliessen ihn die Behörden in Venezuela am Freitag aus der Haft. Die Begründung dafür ist nicht bekannt, seine Entlassung war jedoch mit Auflagen verbunden: Six sollte sich alle 15 Tage bei den Behörden melden und nicht öffentlich über seinen Fall reden.

Laut den Eltern gab der Geheimdienst ein Zeitfenster frei, in dem er ausreisen dürfe. Six flog über Panama nach Frankfurt und landete am Montagnachmittag in Berlin. Dort nahmen ihn seine Mutter und der AfD-Abgeordnete Bystron in Empfang. Die Eltern schildern seine Ausreise als Nervenkrieg. Weil sein neu ausgestellter Pass keinen Einreisestempel habe, sei es zu Schwierigkeiten gekommen. Obwohl er die deutsche Botschaft im Vorfeld auf dieses Problem hingewiesen habe, sei er «allein und schutzlos» zurückgelassen worden. Schliesslich habe ihm eine Abgeordnete der venezolanischen Nationalversammlung durch die Passkontrolle geholfen. Die Chefin der Menschenrechtsorganisation Acceso a la Justicia, die auf denselben Flug gebucht war, habe sich dann intensiv um Six gekümmert.

Während der Haft hatte ihn die venezolanische Nichtregierungsorganisation Espacio Público unterstützt, seine wichtigsten Fürsprecher sitzen aber womöglich in Moskau. Dort hat man Six schon Mal unter die Arme gegriffen. Im Dezember 2012 nahmen ihn syrische Behörden fest, weil er angeblich illegal in das Bürgerkriegsland eingereist war. Damals bildete das deutsche Aussenministerium einen eigenen Krisenstab, doch ausschlaggebend für seine Haftentlassung im März 2013 war Russlands Einfluss. Ein syrischer Regierungsvertreter sagte damals, die Russen hätten die Freilassung gewünscht und dem sei man nachgekommen.

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