Eine ältere Frau spaziert in einem Park an besetzten Parkbänken vorbei
APA/Herbert Pfarrhofer
Erste Altersstatistiken

Experten fordern besseren Schutz für Ältere

Das Gesundheitsministerium hat erstmals Altersangaben zu jenen Personen veröffentlicht, die bisher am Coronavirus erkrankt und verstorben sind. Die Zahlen zeigen, dass auch hierzulande Ältere besonders geschützt werden müssen. Experten fordern strengere Maßnahmen – vor allem in den Pflegeheimen.

Bis Dienstag (Stand 9.30 Uhr) gab es in Österreich offiziell 128 Todesfälle, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus stehen. Ö1 erhielt vom Gesundheitsministerium Altersangaben zu den ersten 89 Toten. Laut diesen liegt das Durchschnittsalter der Verstorbenen bei 80 Jahren – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Bei Frauen liegt das mittlere Sterbealter nach einer Coronavirus-Infektion bei 81 Jahren, bei Männern bei 79,5. Nur vier der österreichischen Coronavirus-Toten waren unter 60 Jahre alt. Sowohl die 27-jährige Oberösterreicherin, der 53-jähriger Oberösterreicher als auch der 57-jährige Wiener und die 48-jährige Wienerin, die am Coronavirus verstorben sind, zählten aufgrund schwerer Vorerkrankungen zur Risikogruppe.

Ab wann Coronavirus-Todesfall?

Coronavirus-Tote sind jedoch nicht gleich Coronavirus-Tote. So ist auf der Website des Gesundheitsministeriums zu lesen, unter welchen Umständen ein Todesfall in die Covid-19-Statistik aufgenommen wird: Jede verstorbene Person, die zuvor positiv auf das Coronavirus getestet wurde, werde in der Statistik als an Covid-19 verstorben geführt – unabhängig davon, ob sie direkt an den Folgen der Viruserkrankung oder „mit dem Virus“ an einer potenziell anderen Todesursache verstarb.

Der Grazer Public-Health-Experte und Mitglied der Taskforce des Ministeriums, Martin Sprenger, sagte gegenüber Ö1, dass es in Österreich durchschnittlich 230 Todesfälle pro Tag gebe – seit einigen Wochen würden eben alle Covid-19-Todesfälle akribisch gezählt und veröffentlicht werden. Doch „wir wissen nicht, welche Grunderkrankungen die Verstorbenen hatten, ob sie geraucht haben, ob sie übergewichtig waren, ob sie Medikamente eingenommen haben“, so Sprenger. Er forderte daher einheitliche EU-weite Regeln für die Definition eines Coronavirus-Todesfalls.

Eine Betreuerin in einem Pflegeheim stützt eine mit einem Rollator gehende alte Frau
ORF.at/Christian Öser
Ältere Personen zählen zu den besonders Schutzbedürftigen – doch Schutz kommt laut Experten gerade in Pflegeheimen zu kurz

Experte: Infektionen im Pflegeheim verhindern

Laut dem Direktor der MedUni Innsbruck, Günter Weiss, ist allerdings schon davon auszugehen, dass es sich bei den meisten Fällen sehr wohl um Coronavirus als Todesursache handelt, „weil es zu einer schweren Lungenerkrankung kommt“. Da gerade ältere Personen eine Risikogruppe darstellen, sei es entscheidend, zu verhindern, dass es zu Infektionen in Pflegeheimen komme und das Virus sich dort verbreite. Auch Personen, die zu Hause oder mittels mobiler Pflege gepflegt werden, bedürften besonderer Schutzmaßnahmen, so Weiss gegenüber Ö1.

Zwar sind in Österreich in so gut wie allen Senioren- bzw. Pflegeheimen Besuche mit nur wenigen Ausnahmen (Palliativbereich, Kinder) verboten, dennoch kam es etwa in Tirol bereits zu zahlreichen Infektionen in drei Altersheimen, wie vergangene Woche bekanntwurde – mehr dazu in tirol.ORF.at. Am Wochenende wurden zudem auch in einem Pflegeheim in Vorarlberg positive Testungen festgestellt – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Auch Sprenger plädiert dafür, Pflegeheime besser zu schützen: „Es ist natürlich aus Sicht von Pflegeberufen etwas befremdlich, wenn in Supermärkten Masken zur Verfügung gestellt werden, es aber in vielen Pflegebereichen noch an Schutzausrüstung mangelt. Also man muss zuerst, glaube ich, den Bedarf auch der Gesundheits- und Sozialberufe decken“, so Sprenger gegenüber Ö1. Auch hier fordert er genauere Daten, etwa wie viele der insgesamt 460.000 Pflegegeldbezieher mit dem Coronavirus infiziert sind und wie viele davon in den Spitälern landen.

Großbritannien erwägt Isolation für über 70-Jährige

Doch auch ältere Personen, die sich nicht in Heimen befinden, zählen zu den Schutzbedürftigen. Politiker und Politikerinnen rund um die Welt betonen, dass diese Gruppe besonders – und auch besonders lange – geschützt werden müsse, Details zu geplanten Maßnahmen gibt es, zumindest in Österreich, allerdings noch nicht.

In Großbritannien wird indes etwa darüber nachgedacht, Menschen über 70 dazu aufzurufen, sich bis zu vier Monate in Isolation zu begeben. Eine entsprechende Empfehlung will die Regierung demnächst veröffentlichen.

Dramatische Lage in Frankreich

Welche dramatischen Auswirkungen das Virus bei Älteren haben kann, zeigt sich dieser Tage etwa auch in Frankreich. Da das Gesundheitssystem völlig überlastet ist, werden ältere Coronavirus-Patienten und -Patientinnen gar nicht mehr beatmet. „Einerseits, weil sie ohnehin schlechte Überlebenschancen haben, aber auch, weil wir nicht genug Intensivbetten haben. Vielfach machen wir nur noch Sterbebegleitung“, so eine Ärztin aus dem Elsass, dem Coronavirus-Hotspot Frankreichs.

Frankreichs Gesundheitssystem am Limit

In Frankreich treibt die fortschreitende Coronavirus-Krise Mediziner und Pflegepersonal ans Limit. Es fehlen Intensivbetten, im ganzen Land stehen derzeit nur 5.000 zur Verfügung. Die leidtragenden sind ältere Coronavirus-Patienten.

Laut einem Bericht der ZIB werden ältere Infizierte auch nicht mehr auf den Intensivstationen aufgenommen, sondern müssen in den Pflegeheimen bleiben, wo sie lediglich mit Schmerzmitteln versorgt werden. „Es findet ein Aussortieren der Patienten statt, man entledigt sich der Älteren. Der Staat lässt sie völlig im Stich“, so eine Betroffene. Ein Altersheim habe sich daher freiwillig in Isolation begeben, wie es in dem Beitrag heißt, „ohne auf Hilfe von außen angewiesen zu sein. Hilfe, die womöglich ohnehin nicht geleistet wird.“