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Technik

Vom Gehirn direkt in die Cloud

Neuartige Schnittstellen könnten eine drahtlose Verbindung vom Gehirn ins Internet ermöglichen

Braincloud
Vom Gehirn direkt ins Internet – eine drahtlose Schnittstelle zwischen Gehirn und Cloud könnte schon in naher Zukunft möglich werden, prognostizieren Forscher. © lagereek/ iStock.com

Horrorvision oder fantastische Zukunft? Forscher prognostizieren, dass es schon in 30 Jahren erste Schnittstellen vom Gehirn direkt in die Cloud geben könnte. Winzige Nanopartikel im Gehirn sollen dabei die Hirnsignale auslesen, verstärken und drahtlos an Computer senden. Dieses „Internet der Gedanken“ könnte einen Datenaustausch mittels technischer Telepathie ermöglichen, aber auch ganz neue Formen der virtuellen Realität ermöglichen.

Schon jetzt existieren Technologien, die das menschliche Gehirn und seine Signale mit Computern verbinden. Über solche Mensch-Maschine-Schnittstellen können Gelähmte beispielsweise Roboterarme und Prothesen steuern, aber auch Autos, Drohnen und sogar Flugzeuge. Und sogar eine Art von technischer Telepathie ist bereits möglich: Hirnsignale werden dabei mittels Elektroden ausgelesen, über das Internet verschickt und beim Empfänger mittels Magnetstimulation ans Gehirn übermittelt.

HIrnzelen
Nanopartikel oder Nanoroboter sollen sich an die Gehirnzellen setzen und deren Signale auslesen und nach außen senden. © Eraxion/ iStock.com

Nanoroboter im Gehirn

Doch in Zukunft könnte die Entwicklung sogar noch einen Schritt weiter gehen – mit einer direkten Verbindung zwischen dem menschlichen Gehirn und der Cloud. Ohne Kabel oder Elektrodenkappen könnte dann jeder Mensch quasi per Gedankenkraft Ideen ins Internet schicken oder aber Informationen abrufen. Wie das verwirklicht werden könnte, haben nun Nuno Martins von der University of California in Berkeley und seine Kollegen näher untersucht.

Das Konzept dahinter: Statt die Hirnsignale von außen mittels Elektroden abzurufen, könnten spezielle Nanoroboter im Gehirn als Verstärker und Sender dienen. Die Idee zu solchen Neurorobotern als Schnittstelle zu einem Maschinengehirn in der Cloud hatte bereits der Futurist und Erfinder Ray Kurzweil. Doch Martins und sein Team haben nun die Methode und auch den Zeitplan konkretisiert.

Vom Gehirn ins Netz

Doch wie soll eine solche Gehirn-Cloud-Schnittstelle funktionieren? „Die Nanoroboter könnten über die Blutgefäße und die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn vordringen und sich dort zwischen oder sogar in den Gehirnzellen platzieren“, erklärt Martins. Diese neuralen Nanobots würden dann selektiv die elektrischen Signale der Neuronen und Synapsen registrieren, verstärken und nach außen senden. „Sie senden die kodierte Information kabellos zu einem Supercomputer-basierten Cloudnetzwerk“, so Martins.

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Als neurale Nanosender könnten anfangs magnetoelektrische Nanopartikel dienen. „Solche Nanopartikel wurden schon eingesetzt, um bei lebenden Mäusen äußere Magnetsignale in neuronale elektrische Felder umzuwandeln“, berichtet der Forscher. Das könnte auch umgekehrt funktionieren: Elektrische Signale von Neuronen könnten durch solche Nanopartikel so verstärkt werden, dass sie leicht außerhalb des Schädels detektiert werden können.“

Erst Nanopartikel dann Nanoroboter

Voraussetzung ist allerdings, dass diese neuralen Nanopartikel an ihre Wirkungsorte im Gehirn gelangen und keinen Schaden anrichten, wie die Forscher einräumen. Denn die meisten Fremdkörper und Biomoleküle werden von der Blut-Hirn-Schranke abgefangen. Würde man die Nanopartikel einfach in den Blutkreislauf injizieren, müsste man daher sicherstellen, dass sie diese Barriere passieren können und zudem auch in ausreichend großer Menge im Gehirn ankommen.

Wenn diese Hürde genommen ist, könnten im nächsten Schritt statt der einfachen Nanopartikel drei verschiedene Typen von Nanorobotern als hirninterne Schnittstelle dienen. „Sie würden die auf Aktionspotenzialen basierende elektrische Information mithilfe von Nanosensoren in ihrer Oberfläche wahrnehmen und sie dann kabellos an einen cloudbasierten Supercomputer übertragen“, erklären die Forscher.

Austausch – und Manipulation – von Gedanken

Solche Direktverbindungen vom Gehirn in die Cloud würden dann ganz neue Wege des Datenaustauschs ermöglichen. „Ein solches System könnte Menschen dazu befähigen, instantan auf das gesamte in der Cloud verfügbare menschliche Wissen zuzugreifen“, sagt Martins. „Das würde die menschliche Intelligenz und Lernfähigkeit signifikant verbessern.“

Umgekehrt jedoch könnten die im Gehirn sitzenden Nanoroboter auch ganz neue Formen der virtuellen Realität erzeugen – indem sie Daten aus der Cloud direkt in Hirnsignale übersetzen. „Solche von neuralen Nanorobotern erzeugten künstlichen Signale wären von echten Sinnesreizen nicht mehr unterscheidbar“, erklären Martins und seine Kollegen. Auch die Einblendung von Zusatzinformationen wie bei Augmented-Reality-Apps wäre denkbar.

Auch Verbindungen von Gehirn zu Gehirn wären durch diese cloudbasierte Schnittstelle in ferner Zukunft möglich. „Dabei würden spezielle ‚Gastgeber‘ gestatten, dass sich Teilnehmer bei ihnen einklinken und so Teile ihres Lebens oder bestimmte Erfahrungen miterleben“, so die Forscher. Das könnte unter anderem ganz neue Formen des Lernens ermöglichen.

Erste Systeme schon in 30 Jahren?

Nach Ansicht der Forscher könnten erste Gehirn-Cloud-Schnittstellen noch vor Ende dieses Jahrhunderts Wirklichkeit werden. „Es ist durchaus denkbar, dass schon in den nächsten 20 bis 30 Jahren neurale Nanoroboter entwickelt werden, die ein sicheres und instantanes Interface zwischen dem menschlichen Gehirn und nichtbiologischen Computersystemen erlauben“, so die Wissenschaftler.

Doch was von den Forschern in eher rosigem Licht dargestellt wird, ist für viele andere Menschen eher eine Horrorvision. Denn wer bestimmt dann, wer auf meine Gedanken zugreifen darf? Und wie verhindert man Manipulationen und Missbrauch in großem Stil? Schon aktuelle Neurotechnologien in Form von implantierten Elektroden im Gehirn oder Systemen, die Gedanken lesen, werfen ethische Fragen auf. Ein noch weitergehender Eingriff in unsere Gedankenwelt erscheint daher erst recht fragwürdig. (Frontiers in Neuroscience, 2019; doi: 10.3389/fnins.2019.00112)

Quelle: Frontiers

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