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Wirtschaft Seltsame Sondergenehmigungen

Risikogebiet Großbritannien – doch hunderte Flieger kommen trotzdem zu uns

So gefährlich sind die Flüge aus Dublin

Irland ist seit dem 1. Januar wieder im Lockdown. Schuld am starken Anstieg der Corona-Zahlen könnte das mutierte Virus sein. Dennoch landen Flugzeuge aus Dublin in Berlin. Wie sieht es da mit der Sicherheit aus?

Quelle: WELT/Sabrina Bracklow

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Virus-Mutationen machen Großbritannien zum Hochrisikogebiet. Deshalb wurden die Flugverbindungen Anfang Januar offiziell eingestellt. Dennoch landeten viele Maschinen in Deutschland. Jetzt ist das Verbot zwar offiziell aufgehoben. Doch die Nachverfolgung der Passagiere bleibt fragwürdig.

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Ein mulmiges Gefühl fahre mit, sagt Hasan Bozkurt, wenn er seine Gäste nach Hause bringt. Seit zehn Jahren arbeitet der Berliner als Taxifahrer. Aktuell holt er vor allem Reisende am Berliner Flughafen BER ab.

„Die Gefahr ist groß“, sagt Bozkurt mit Blick auf die Infektionsgefahr durch Rückkehrer, die in sein Taxi steigen. Für ihn selbst, aber auch für seine Familie und Kinder. „Andererseits müssen wir arbeiten“, sagt er. Sonst verdiene er kein Geld.

Sorgen macht Bozkurt vor allem, dass auch Einreisende aus Großbritannien und Irland unter seinen Fahrgästen sind – also aus jenen Ländern, in denen Infektionen mit einer deutlich ansteckenderen Mutation des Coronavirus zuletzt drastisch gestiegen sind. Und nahezu täglich landen Maschinen aus London oder Dublin in der deutschen Hauptstadt.

Dreifach höhere Inzidenz

Galt bis zum vergangenen Mittwoch noch ein generelles Einreiseverbot aus dem Vereinigten Königreich, aber auch aus Südafrika, so sind Flüge nach Deutschland mittlerweile wieder möglich. Denn eine Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums regelt die Einreise seit dem 14. Januar neu. Wer aus einem Risikogebiet einreist, in dem besonders viele Infektionen stattfinden (Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 pro 100.000 Einwohner) oder besonders ansteckende Virusvarianten verbreitet sind, muss nun schon vor der Einreise einen negativen Corona-Test vorweisen können. Darunter sind neben Großbritannien und Nordirland auch Irland und Brasilien gelistet, das Robert-Koch-Institut (RKI) aktualisiert die Liste laufend.

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Daneben müssen sich Einreisende spätestens 48 Stunden nach ihrer Ankunft einem weiteren Test unterziehen. Außerdem gilt für sie weiterhin eine zehntägige Quarantänepflicht, die frühestens nach fünf Tagen bei einem negativen Testergebnis aufgehoben werden kann.

Dabei hat sich die Situation in Großbritannien und auf der irischen Insel längst nicht entspannt. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Vereinigten Königreich am Sonntag bei 488 Fällen pro 100.000 Einwohner, in Irland sogar bei 517 Fällen – und damit gut dreieinhalb Mal so hoch wie in Deutschland. Die sich dort ausbreitende Corona-Mutation B.1.1.7 soll außerdem um 50 bis 70 Prozent ansteckender sein.

Mit Bahn und Bus in die Qurantäne

Und so mehren sich Zweifel, ob die neuen Regeln die gewünschte Sicherheit bringen. „Die Einreisequarantäne besteht in Deutschland ja nicht daraus, dass man am Flughafen oder der Grenze in Hotels untergebracht wird“, schreibt etwa Andrea Kießling, Infektionsschutzrechtlerin an der Ruhr-Universität Bochum, beim Kurznachrichtendienst Twitter. Tatsächlich sehen Landesverordnungen lediglich vor, sich „unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg“, in die eigene Wohnung zu begeben, so etwa in Berlin.

Konkrete Vorgaben zum Transportmittel oder zur Fahrtzeit macht die Verordnung nicht. Und so dürften zahlreiche Flugpassagiere aus Hochrisikogebieten nach ihrer Ankunft mit der Bahn, dem Bus oder eben dem Taxi nach Hause fahren.

Hinzu kommt: Ein Corona-Test ist immer nur eine Momentaufnahme. Darauf verweisen auch das Bundesgesundheitsministerium und das Robert-Koch-Institut regelmäßig. Zwar darf die Probeentnahme des Tests bei Einreise nicht länger als 48 Stunden her sein. Dennoch können sich Reisende in der Zwischenzeit noch mit dem Coronavirus infizieren – und so noch eine Gefahr für andere Fluggäste oder am Ankunftsort darstellen.

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Vor der jüngsten Verordnung, die eine doppelte Testpflicht für Rückkehrer aus Hochrisiko- und Mutationsgebieten vorsieht, galt zeitweise ein generelles Beförderungsverbot für das Vereinigte Königreich und Südafrika.

Doch schon da hat es offenbar großzügige Ausnahmen gegeben, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf WELT-Nachfrage hervorgeht. In der Zeit vom 1. bis 13. Januar hat das Bundespolizeipräsidium insgesamt 215 Flüge aus dem Vereinigten Königreich und Südafrika – trotz generellen Verbots – nach Deutschland genehmigt. Davon kamen 192 aus Großbritannien und Nordirland sowie 23 aus Südafrika. In den ersten beiden Januarwochen durfte das Bundesinnenministerium nämlich Ausnahmen für Personen mit Wohnsitz und Aufenthaltsrecht in Deutschland erlauben.

Die Sondergenehmigungen galten stets für ganze Flüge und wurden nicht für einzelne Reisende erteilt, betont das Bundesinnenministerium. Auch habe es keine Ausnahmen für Personen ohne ein negatives Corona-Test-Ergebnis gegeben. Das generelle Beförderungsverbot galt für das Vereinigte Königreich und Südafrika seit dem 22. Dezember und zunächst bis zum 6. Januar, ehe es bis zum 20. Januar verlängert worden ist. Mit der neuen Corona-Einreiseverordnung der Bundesregierung vom 14. Januar war die jüngste Verlängerung des Verbots jedoch wieder hinfällig.

Die Passagiere selbst machen sich um ihre Einreise wenig Sorgen. „Ich denke, es war schon sicher“, sagt etwa Siabhra Feeney, die am vergangenen Donnerstag mit einem Ryanair-Flug aus der irischen Hauptstadt Dublin nach Berlin reiste. In den Sitzreihen habe es genügend Platz zu anderen Passagieren gegeben, außerdem habe die Airline kontrolliert, ob Fluggäste ein negatives Corona-Test-Ergebnis vorweisen konnten.

Mit der verpflichtenden Quarantäne scheinen sich viele zudem abgefunden zu haben. „Da muss ich dann durch“, sagt etwa Thyssen Mohrin, die ebenfalls aus Dublin einreiste. Sie habe sich so gut es geht schon auf die Isolation in ihrer Berliner Wohnung vorbereitet.

Ämter machen nur Stichproben

Allerdings scheint unklar, wie strikt die Gesundheitsämter die Einhaltung der Quarantänepflicht tatsächlich prüfen. „Die Gesundheitsämter kontrollieren bei den Einreisenden aus Risikogebieten stichprobenartig“, heißt es etwa von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit. Für das konkrete Vorgehen verweise man auf die einzelnen Gesundheitsämter. Die Behörden in den beiden Flughafenstädten Frankfurt und Düsseldorf ließen Nachfragen zum konkreten Vorgehen bei Einreisenden jedoch zunächst unbeantwortet.

Die Airlines wollen sich ihrer Verantwortung hingegen bewusst sein. „Easyjet überprüft vor Abflug alle erforderlichen Nachweise für die Einreise in das jeweilige Zielland“, erklärt das Unternehmen auf Nachfrage. Dazu zählen neben Visumbestimmungen auch negative Corona-Test-Ergebnisse, die im Rahmen des Infektionsschutzes angeordnet wurden. „Sollten Fluggäste verpflichtende Einreisedokumente nicht vorweisen können, können sie leider nicht befördert werden“, heißt es.

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Zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland biete die Airline derzeit aber ohnehin keine Flüge an. Diese sollen zum jetzigen Stand erst ab Februar wieder aufgenommen werden. Konkurrent Ryanair fliegt derzeit noch Gäste aus Großbritannien nach Deutschland. Auch die irische Billig-Airline erklärt, bei der Gepäckabgabe oder am Gate ein negatives Testergebnis von Fluggästen aus Hochrisikogebieten wie Irland zu verlangen.

Test-Firmen wie Centogene dürften sich jedenfalls über eine höheren Nachfrage freuen. Das Rostocker Unternehmen hat die Kapazitäten an den Flughäfen Berlin, Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg erhöht und längere Öffnungszeiten beschlossen. „Wir rechnen damit, dass die Zahl der zu Testenden signifikant ansteigt und die Nachfrage gerade nach Test-Ergebnissen innerhalb von 90 Minuten deutlich zunimmt“, sagt Vorstandsmitglied Volkmar Weckesser. „Test-Maßnahmen werden uns noch lange begleiten und haben mit den neuen Virus-Mutanten erneut an Bedeutung gewonnen.

Nur wenige positive Tests

Am Samstag wurden allein am Frankfurter Flughafen 2356 Passagiere getestet. Bei 19 davon war der Test positiv – was knapp 0,8 Prozent entspricht. Die meisten positiv Getesteten hätten keine Symptome, betonte Centogene in der Vergangenheit oft. Allerdings erfasst das Unternehmen nicht den Abreiseort der Flugpassagiere. Wie viele positiv Getestete aus den Gebieten einreisen, in denen Corona-Mutationen grassieren, wissen nur die Gesundheitsämter – wenn überhaupt.

Während auf politischer Ebene über eine mögliche bundesweite Einführung von FFP2-Masken im öffentlichen Nahverkehr diskutiert wird, sind die in Flugzeugen noch nicht verpflichtend. Die Lufthansa sieht hierfür auch keine Notwendigkeit. „Wir planen derzeit keine FFP2-Masken-Pflicht an Bord“, sagte ein Sprecher der Airline.

In einem Frage-Antwort-Katalog im Internet begründet die Airline ihre FFP2-Masken-Absage mit dem „relativ hohen Atemwegswiderstand, der Menschen mit Vorerkrankungen gesundheitliche Probleme bereiten kann“. Wörtlich: „Außerdem haben selbst gesunde Personen häufig Probleme, diese Maske einen ganzen Flug zu tragen.“

Die Fluggesellschaft, an der sich der Bund beteiligt hat, hält ihr aktuelles Konzept mit der Pflicht zum Tragen von Alltags- oder Stoffmasken sowie dem Verbot von Masken mit Ventil für ausreichend. Bei Flügen von und nach Italien sei jedoch zu berücksichtigen, dass die dortigen Behörden keine Stoffmasken erlauben. Der Lufthansa-Bordbesatzung werden auf allen Flügen FFP2-Masken zur Verfügung gestellt, die sie nutzen können, aber nicht müssen.

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