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Kurioses „Gibt's gar nicht“

Der Mann hinter der großen Bielefeld-Verschwörung

Es ist Achim Helds Idee zu verdanken, dass inzwischen einige Menschen mehr oder weniger ernsthaft an der Existenz Bielefelds zweifeln Es ist Achim Helds Idee zu verdanken, dass inzwischen einige Menschen mehr oder weniger ernsthaft an der Existenz Bielefelds zweifeln
„Das gibt's doch gar nicht“: Es ist Achim Helds Idee zu verdanken, dass inzwischen einige Menschen mehr oder weniger ernsthaft an der Existenz Bielefelds zweifeln
Quelle: dapd
Vor 20 Jahren entstand die Bielefeld-Verschwörung. Die Theorie, dass die Stadt gar nicht existiert, hat seitdem weite Kreise gezogen. Ein Zufall, sagt der Mann, der das Gerücht in Gang gesetzt hat.

Der Raum gleicht einer Mischung aus Videothek und Spielzimmer. Durch schwarze Jalousien von der Außenwelt abgetrennt, reihen sich in mehreren Wandregalen schätzungsweise 600 bis 700 DVDs aneinander. Dazu kommen mehrere Stapel Konsolen- und Brettspiele. Fiktive Figuren wie Bernd, das Brot und Mickey Mouse im Star-Wars-Dress mit braunem Kapuzenumhang und Laserschwert sagen sich hier täglich gute Nacht.

Hoch oben auf einem der Regale meditiert Rafiki aus „Der König der Löwen“ vor sich hin. Dort, in dieser eigenen kleinen Fantasiewelt mitten in der Kieler Innenstadt, lebt Achim Held – der Schöpfer der legendären Bielefeld-Verschwörung.

20 Jahre ist es her, dass die wohl bekannteste deutsche Verschwörungstheorie in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt ihren Ursprung fand. 1993 auf einer Studentenparty in einem Wohnheim rutschte einem Freund von Held der Satz „Das gibt's doch gar nicht“ heraus, als ihnen jemand aus Bielefeld gegenüberstand.

Dass es Bielefeld erwischte, war Zufall

Später sponnen sie den Gedanken auf dem Weg zu einer Spielemesse in Essen weiter, als ihnen die gesperrten Autobahnabfahrten Richtung Bielefeld auffielen. Im Jahr darauf verfasste Held in einem Internetforum einen Beitrag, in dem er die Existenz der ostwestfälischen Stadt anzweifelte. Ohne es zu ahnen, setzte er damals einen riesigen Hype in Gang.

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Das Ganze klingt verrückt, doch auf Achim Held trifft das Adjektiv nicht zu. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass es Bielefeld wirklich gibt“, sagt der promovierte Informatiker. Seine Absicht sei es damals gewesen, sich über ernst gemeinte Verschwörungstheorien lustig zu machen. Dass es dabei Bielefeld erwischt habe, sei Zufall gewesen. Die Stadt sei aber ein willkommenes Opfer gewesen, sagt der 43-Jährige.

Seit ihrer Entstehung erfreut sich die Bielefeld-Verschwörung größter Beliebtheit unter ihren Kennern. Sie hat weite Kreise gezogen, auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist sie längst angekommen. Als Merkel im November 2012 bei der Verleihung des Deutschen Sozialpreises von ihren Bürgergesprächen erzählte, erinnerte sie sich auch an eine Veranstaltung in Bielefeld und fügte an: „... so es denn existiert“.

Dieselbe Ausbreitung wie bei einem Virus

Wie aber konnte sich das Gerücht im Steinzeitalter des Internets in dem Ausmaß verbreiten? Jürgen Fohrmann, Rektor der Universität Bonn und Mitherausgeber des Buches „Die Kommunikation der Gerüchte“, sieht das Prinzip der Mundpropaganda als Ursache. „Man darf die Schnelligkeit mündlichen Weitersagens nicht unterschätzen“, gibt der 59-Jährige zu bedenken.

Diese Art von Kommunikation organisiere sich nicht wie eine Kette, sondern bilde die Struktur eines anwachsenden Netzes, das an beliebig vielen Stellen erweiterbar sei. „Es ist dieselbe Ausbreitung, die ein Virus erlangen kann: dezentral verteilt anwachsend“, sagt der gebürtige Bielefelder.

Viele dürften Achim Held wegen seiner skurrilen Idee einen „Nerd“ nennen. Er selbst sieht diesen Begriff aber als eher negativ belastet. „Nerds“ seien fixiert auf Computer und hätten eine eingeschränkte Weltsicht, sagt er. Sie könnten sich stundenlang darüber streiten, ob Kirk oder Picard der bessere Kapitän der Enterprise sei. Held selbst hält sich eher für einen „Geek“, der offen dazu steht, dass der Computer sein Hobby ist. Bei „Nerds“ liege die Realität dort, wo der Pizzabote herkomme, verspottet Held den in Mode gekommen Begriff.

„800 Jahre Bielefeld – Das gibt's doch gar nicht“

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Der Informatiker wagte vor vier Jahren erstmals einen Besuch in der Stadt, die es eigentlich gar nicht geben soll. Damals wurde dort der Spielfilm über die Verschwörungstheorie gedreht. Er habe Angst gehabt, dass ihn eine wütende Menschenmenge mit Fackeln und Mistgabeln erwarte, scherzt Held heute.

Dazu kam es aber nicht. Er sei sehr freundlich empfangen worden, erinnert er sich an seinen Aufenthalt in Bielefeld zurück. Die Stadt habe sehr viele nette Ecken. Allein der Zugang zum Meer, den Held in seiner Geburtsstadt Kiel hat, fehle ihm in Ostwestfalen.

Dort steht im nächsten Jahr ein rundes Jubiläum an. Bielefeld feiert 2014 seinen 800. Geburtstag. Die Verschwörungstheorie von Achim Held hat auch das Motto der Feier geprägt: „800 Jahre Bielefeld – Das gibt's doch gar nicht“. Eine offizielle Einladung habe er bislang noch nicht erhalten, verrät er. Er werde sich aber überlegen, ob er der Stadt, die ihm einen gewissen Grad an Bekanntheit eingebracht hat, besuchen wird. Dort würde man sich über seinen Besuch freuen. „Herr Held ist immer sehr willkommen in Bielefeld“, sagt Sabine Moka vom Marketing der 800-Jahr-Feier.

dapd/jds

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