Von Wolfram Schrems*
Im Zusammenhang mit von mir bereits 2014 und später veröffentlichten Stellungnahmen und Artikelserien zur Botschaft von Fatima und deren schlechte Behandlung durch die Kirchenhierarchie:
- Der Schlüssel zum Verständnis der Glaubenskrise
- Das Unbehagen mit aktuellen Heiligsprechungen
- Die Ungereimtheiten von Benedikt XVI. in Bezug auf Fatima
- Kardinal Oddi über das dritte Geheimnis
- Zur Identität von Sr. Lucia dos Santos
- Erzbischof Viganò und die Lügen des Vatikans
- Das Schweigen Benedikts
- Die Weihe Rußlands
seien einige kurze und unvollständige Bemerkungen zum Weiheakt durch Papst Franziskus am 25. März gemacht.
Diese müssen leider kritisch ausfallen:
Um es bezüglich des Weihetextes gleich zu sagen: In diesen langatmigen und unpräzisen Text sind Schlüsselwörter des öko-globalistischen Zeitgeistes („gemeinsames Haus“, „Garten der Erde“, „Geschwisterlichkeit“), des Konzilsjargons („Dir also weihen wir die Zukunft der ganzen Menschheitsfamilie, die Nöte und Erwartungen der Völker, die Ängste und Hoffnungen der Welt“), des Bergoglio-Pontifikats („Zärtlichkeit“) und möglicherweise der Freimaurerei („o mach auch uns zu Handwerkern der Gemeinschaft“) eingebaut.
Es scheint dem Beobachter, daß nicht der nötige religiöse Ernst sichtbar war, was auch am völligen Fehlen des Bezugs zu Fatima sichtbar wurde.1
Daher zunächst zur Vorgeschichte:
Appell der lateinischen Bischöfe der Ukraine – ausdrücklicher Bezug zu Fatima
Anfang März richteten die katholischen Bischöfe der Ukraine, allerdings nur die des Lateinischen Ritus (zumeist ethnische Polen), einen Appell an Papst Franziskus, die Ukraine und Rußland dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen. Dabei wurde ausdrücklich auf den Auftrag der „Allheiligen Jungfrau“ von Fatima hingewiesen (як це просила Пресвята Діва у Фатімі).
Wie oben gesagt: Der Konnex zu Fatima kam dann im Weiheakt selbst nicht zum Ausdruck.
Vielleicht hat es auch damit zu tun:
Kirchenamtliche Proklamation der Sühnesamstage – niemals geschehen
Bei der dritten Erscheinung der Muttergottes von Fatima am 13. Juli 1917 sagte die Muttergottes zu den Seherkindern, sie werde wiederkommen, um die Weihe Rußlands an Ihr Unbeflecktes Herz und die (kirchenamtliche) Verkündigung der Sühnesamstage zu verlangen. Das geschah am 13. Juni 1929 in einer Botschaft der Muttergottes an Sr. Lucia, die damals Dorotheerin in Tuy (Galizien/Spanien) war.
Dort gab die Muttergottes eine kaum überbietbare Verheißung: Demjenigen, der in der Absicht, der Muttergottes Sühne zu leisten, an fünf aufeinanderfolgenden ersten Monatssamstagen beichtet, die hl. Kommunion empfängt, fünf Gesätze des Rosenkranzes betet und fünfzehn Minuten die Rosenkranzgeheimnisse betrachtet, verspricht die Muttergottes alle zum Heil notwendigen Gnaden in der Sterbestunde. Das ist eine großartige Verheißung. In einer Zeit allerdings, da man fälschlich glaubt, daß ohnehin jeder automatisch in den Himmel kommt, verfängt diese Botschaft freilich nicht im großen Maßstab.
Zumal die Päpste diese Übung eben niemals autoritativ den Gläubigen vorgelegt haben. Auch jetzt wurde wiederum diese Chance vertan.
Vielleicht war der Unwille, diese Sühneandacht zu promulgieren, der Grund für das Ausbleiben der ausdrücklichen Bezugnahme auf Fatima.
Es herrscht ein eigenartiger Widerstand gegen eine – an sich kirchenamtlich anerkannte – Botschaft:
Die Päpste sind über die Anforderungen im Bild – dennoch werden sie nicht umgesetzt
Die Päpste Pius XI. und Pius XII. wurden mit dem Auftrag der Weihe und der Verkündigung der Sühnesamstage erreicht. Die Forderungen (feierlicher Weiheakt, also nicht bloß eine private Zeremonie oder ein Verwaltungsakt, wie etwa die Veröffentlichung eines Schreibens; autoritative Einbindung aller mit Rom verbundenen Bischöfe; ausdrückliche Nennung Rußlands und zwar nur Rußlands; Durchführung eines Aktes der Sühne; Verkündigung der Sühnesamstage) wurden bei keinem der verschiedenen Weiheakte (von Pius XII. bis Franziskus2) vollständig erfüllt.
Giuseppe Nardi schreibt dazu präzise auf dieser Seite (28.03.22):
„Geht es dabei nur um Haarspalterei, wie schon in der Vergangenheit Fatima-Verehrern zum Vorwurf gemacht wurde? Keineswegs. Die Frage, ob ein Bezug zu Fatima gegeben ist oder nicht, ist von besonderer Bedeutung. Ein Weiheakt erhofft vertrauensvoll himmlische Gnaden, ohne dafür eine Garantie zu haben. Mit ihrer Bitte, Rußland ihrem Unbefleckten Herzen zu weihen, verknüpfte die Gottesmutter in Fatima hingegen ganz konkrete Verheißungen. Das unterscheidet Fatima von anderen Marienerscheinungen der vergangenen beiden Jahrhunderte, die Bedeutung erlangten.
Eine gültig vollzogene Weihe in Erfüllung ihrer Bitte in Fatima werde das Eintreten der Verheißungen zur Folge haben, so Maria: Rußland werde sich bekehren, was nicht nur das Ende gottloser und glaubensfeindlicher Ideologien wie des atheistischen Kommunismus zur Folge hätte, sondern die Wiederherstellung der Kircheneinheit mit Rom meint, und es werde eine Zeit des Friedens für die Welt bedeuten.“
Mit den konkreten Forderungen ist auch impliziert, daß durch den öffentlichen und feierlichen Charakter der Weihe der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Weiheakt und der Bekehrung Rußlands und der Friedensperiode für jedermann sichtbar werden soll. Damit soll auch das Wirken der Gottesmutter für jeden erkennbar werden. Damit soll weiterhin der Gottesmutter die schuldige Ehrerbietung erwiesen werden.
Die Bekehrung Rußlands – aus ideologischen Gründen nicht am Radarschirm
Hätte Papst Franziskus die Weihe Rußlands im Geist des Auftrags von Fatima durchgeführt, dann hätte selbstverständlich die Bekehrung Rußlands eine seiner Absichten sein müssen. „Bekehrung“ heißt in diesem Fall ein in großer Mehrheit vollzogener kollektiver Übertritt des Landes und seiner politischen und geistlichen Führer zur Katholischen Kirche (wobei natürlich keine Übernahme des Lateinischen Ritus impliziert sein muß)3. Genau das ist aber nach der unglückseligen Erklärung Dignitatis humanae des II. Vaticanums nicht mehr am Radar der Kirchenführer und Theologen, wie die Patres Mura und Huber in Fatima Rom Moskau richtig feststellten:
„[Die Weihe] steht im Gegensatz zur modernen Religionsfreiheit und stützt die traditionelle katholische Lehre vom sozialen Christkönigtum. Man beachte, dass nicht die Russen geweiht werden, sondern Russland. Das beinhaltet aber den Wunsch und die Bitte an den Himmel, dass das Land selber offiziell christlich werden möge. Eine solche Bitte ist mit der Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanums nicht vereinbar“ (137).
Die Frage lautet nun: Wer hat recht, die Muttergottes oder Dignitatis humanae?
Angesichts der dogmatischen Unklarheit und des desaströsen Wirkens von Papst Franziskus seit 2013 wird man kaum annehmen können, daß die Bekehrung Rußlands qua Rußland eine seiner Absichten gewesen sein wird.
Ohne diese Bekehrung werden Nöte und Kriegsgefahren aber immer größer:
Rußland als Geißel Gottes: die Sowjetunion und – möglicherweise – das derzeitige Rußland
Ich zitiere aus meinem Beitrag aus dem Jahr 2014 mit dem Titel Fatima – Welche Rolle spielt Rußland derzeit?:
„[Rußland hat nach 1917] ‚seine Irrtümer‘ über die ganze Welt verbreitet – bis in die Katholische Kirche hinein. Das II. Vaticanum hat sich als kolossaler Fehlgriff erwiesen, die Weigerung, den Kommunismus am Konzil ausdrücklich zu verurteilen, als schändlicher Verrat.
Diese Verwirrung war die bedingungsweise Warnung von Fatima. Sie ist eingetreten. Insofern haben die geschichtlichen Ereignisse die Prophezeiungen Fatimas eindrucksvoll bestätigt.
Die Weihe Rußlands an das Unbefleckte Herz der Gottesmutter wurde 1929 und danach eben nicht durchgeführt. Andererseits hat der Weiheakt von Johannes Paul II. 1984 zweifellos gewisse Segnungen hervorgebracht. Immerhin ist das Sowjetsystem mit seinem ganzen Terror verschwunden. Alte Dämonen sind aber noch immer aktiv, wie im immer noch existierenden kultischen Grabmal Lenins sinnbildlich symbolisiert.
Die jetzige spirituelle Situation Rußlands ist eben alles andere als klar, es gibt Licht und Schatten. Es ist auch denkbar, daß Rußland noch einmal eine Geißel für die apostasierten europäischen Völker wird. Ein dementsprechendes Szenario ist, daß sich die umnachteten Europäer unter amerikanischer Hegemonie zu einem Angriffskrieg auf Rußland hinreißen lassen – oder zu feindseligen Provokationen – und Rußland siegreich zurückschlägt.
Die Lage ist also nicht nur verworren, sondern auch dramatisch. Ein Funke kann ungeheure Katastrophen nach sich ziehen.“
Die Situation acht Jahre später hat sich evidenterweise dramatisch verschlechtert. Menschlich gesehen ist sie aussichtslos.
Und wir sehen es selbst: Auch ein Rußland, das kein offiziell kommunistischer Staat mehr ist, kann eine Geißel Gottes für die Menschheit sein. Nicht weil die russische Führung per se moralisch verwerflicher wäre als die der westlichen Mächte und ihrer Verbündeten, sondern weil es die göttliche Vorsehung eben so eingerichtet hat.
Resümee
Es scheint mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig zu sein, darauf hinzuweisen, daß Wladimir Putin weder der Retter des Abendlandes und der Christenheit ist noch der dämonische Verbrecher, als den ihn westliche Kräfte, die selbst Blut an den Händen haben, hinstellen wollen. Vor Glorifizierung und Dämonisierung Putins sei hier gleichermaßen gewarnt.4
Die Lösung der jetzigen Situation kann also nur übernatürlich sein.
Da die Päpste seit Pius XI. zögern, den Weiheakt ohne Wenn und Aber mit der richtigen Absicht und mit allen Anforderungen durchzuführen, sind wir in der gegenwärtigen schlimmen Situation.
Gott hat beschlossen, Rußland eine bestimmte Rolle in der Weltgeschichte zu geben. Er hat beschlossen, das Schicksal dieses Landes auf besondere Weise mit der Gottesmutter zu verbinden. Die Päpste wissen seit etwa achtzig Jahren darum.
Aber sie gehorchen nicht.
Und Papst emeritus hüllt sich in Schweigen.
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., kirchlich gesendeter Katechist, Pro Lifer
Bild: Wikicommons/Porro
1 Schließlich sei noch das keineswegs unwesentliche Detail in Erinnerung gerufen, daß sich Papst Franziskus beim Weiheakt vor der Fatima-Statue hinsetzte. Wenn das Knien dem Papst aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, wird es ja wohl möglich sein, wenigstens zu stehen. Das Sitzen war aus meiner Sicht ebenso unpassend wie die im Petersdom allgegenwärtigen, lächerlichen Masken, die dem ganzen Ritual etwas Voodoohaftes verliehen.
2 Der erste Adressat dieser Forderung, Pius XI., machte keinen Weiheakt, unterstützte aber die Anerkennung der Erscheinungen durch den Ortsbischof und gewährte Ablässe für Fatima-Pilger (gemäß Fatima-Center).
3 Siehe dazu die Ausführungen von Dr. Taylor Marshall zu dieser Frage am 28. März (Zitat des offiziellen Fatima-Historikers P. Joaquin Alonso, ab Min. 02:47).
4 Die Debatte über die mutmaßlichen weltanschaulichen Motive Putins ist uferlos. Sie ist aber nicht Gegenstand dieses Beitrags. Um sich jedoch eine Ahnung von der Komplexität des Themas zu verschaffen, sei auf zwei sehr lange, ganz aktuelle Beiträge auf der von mir überaus geschätzten kanadischen Pro-Life-Netzseite Lifesitenews verwiesen, die man möglicherweise als konträr zueinander verstehen können wird: Beitrag 1 und Beitrag 2.