[Update]Ungarn erklärt als erstes EU-Land Corona-Krise für beendet

Am 20. Juni: Rückkehr zur Normalität ohne Überwachungs-App und ohne Impfstoff


Ungarn erklärt als erstes EU-Land mit klarem Datum die Corona-Krise für beendet.
Ungarn erklärt als erstes EU-Land mit klarem Datum die Corona-Krise für beendet.

(Buda­pest) Das in der EU viel­ge­schol­te­ne Ungarn erklärt als erster EU-Mit­glieds­staat die Coro­na-Kri­se für been­det und nennt dafür auch einen kon­kre­ten Ter­min, den 20. Juni. Und das geschieht, ohne Abwür­gen der Wirt­schaft, ohne Impf­stoff und ohne Ein­füh­rung einer Über­wa­chungs-App, son­dern ein­fach, weil die Kri­se vor­bei ist.

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Die unga­ri­sche Regie­rung kün­dig­te an, daß die Aus­nah­me­be­stim­mun­gen wegen des Coro­na­vi­rus am 20. Juni enden. Laut den Aus­sa­gen hoher EU-Ver­tre­ter, zahl­rei­cher poli­ti­scher Kom­men­ta­to­ren und vie­ler Medi­en gera­de auch im deut­schen Sprach­raum sei Ungarn so etwas wie der Vor­hof zur Dik­ta­tur. Der Volks­mund weiß, daß man an ande­ren leich­ter erkennt, was man an sich selbst nicht sehen will. Das gilt offen­sicht­lich auch für die EU, so man­che Staats­kanz­lei und Medi­en­re­dak­ti­on. Ungarn ist kei­ne Dik­ta­tur gewor­den, im Gegen­teil. Es hebt als erstes EU-Land die Coro­na-Son­der­be­stim­mun­gen auf, mit denen vie­le Regie­run­gen seit März weit­rei­chend und radi­kal in das öffent­li­che und pri­va­te Leben der Men­schen ein­ge­grif­fen haben. Nichts der­glei­chen ist hin­ge­gen der­zeit aus Wien, Ber­lin oder Mün­chen zu hören. Die Schweiz ging immer­hin nicht ganz so radi­ka­le Wege.

In den ver­gan­ge­nen zwei­ein­halb Mona­ten wur­de von so man­chem Main­stream-Jour­na­li­sten mit dem Fin­ger auf Ungarn gezeigt, wäh­rend zur Beschnei­dung der Grund- und Frei­heits­rech­te im eige­nen Land geschwie­gen wur­de. Das grenz­te nicht nur an Heu­che­lei, son­dern ist Heuchelei.

Ungarn war­tet mit der Wie­der­her­stel­lung der Nor­ma­li­tät – kei­ner „neu­en“ Nor­ma­li­tät – nicht, bis die Impf­lob­by einen Impf­stoff hat (und teu­er ver­kau­fen kann), wie Bay­erns Mini­ster­prä­si­dent erst heu­te erklär­te. Mar­kus Söder sag­te es noch nicht ein­mal in Rich­tung Buda­pest, son­dern in Rich­tung Wien. Dort redet in der schwarz-grü­nen Bun­des­re­gie­rung noch nie­mand vom Ende der Coro­na-Kri­se, zu sehr schei­nen sich man­che dar­in zu gefal­len, aber immer­hin vom weit­ge­hen­den Ende der Mas­ken­pflicht. Für Söder unfaßbar.

Die unga­ri­sche Regie­rung erklärt die Coro­na-Kri­se auch ganz ohne Über­wa­chungs-App für been­det, die soeben von Apple unge­fragt auf IPho­nes instal­liert und akti­viert wur­de. Alles ille­gal. Wenn man VW wegen des soge­nann­ten „Die­sel­skan­dals“ kla­gen konn­te, der in Wirk­lich­keit ein ver­deck­ter Han­dels­krieg der USA gegen die Kon­kur­renz der deut­schen Kern­in­du­strie war, bleibt zu hof­fen, daß vie­le IPho­ne-Nut­zer in der weit wich­ti­ge­ren Fra­ge der demo­kra­ti­schen Grund­rech­te Apple ver­kla­gen, um dem sich aus­brei­ten­den Big-Brot­her-Unwe­sen einen Rie­gel vorzuschieben.

Und noch ein Aspekt besticht am Bei­spiel Ungarns: Im Gegen­satz zu west­li­chen Nach­bar­staa­ten wur­de von Buda­pest weder die Wirt­schaft noch das pri­va­te Leben radi­kal abge­würgt. Die Zah­len zei­gen es. Sie stam­men nicht von der Regie­rung, son­dern von Goog­le: Die Gesamt­mo­bi­li­tät ging in Ungarn wäh­rend der Coro­na­kri­se nur um 29 Pro­zent zurück. Wäh­rend in Ita­li­en oder Öster­reich Park­an­la­gen gesperrt wur­den, nah­men in Ungarn die Park­be­su­che um 38 Pro­zent zu. Der öffent­li­che Nah­ver­kehr, der west­lich von Ungarn zeit­wei­se ganz ein­ge­stellt oder fast auf null gefah­ren wur­de, ging nur um 24 Pro­zent zurück, der Berufs­ver­kehr gar nur um 10 Prozent.

Am 30. März, drei­ein­halb Wochen nach Ita­li­en, zwei Wochen nach Öster­reich und immer­hin noch eine Woche nach der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, hat das unga­ri­sche Par­la­ment mit 137 gegen 53 Stim­men der unga­ri­schen Regie­rung beson­de­re Befug­nis­se zur Bekämp­fung des Coro­na­vi­rus erteilt, aber kei­nen „Blan­ko­scheck“, wie es als Ankla­ge aus Brüs­sel und ande­ren EU-Staa­ten zu hören war. Was an der Ent­schei­dung stör­te, in Ungarn wie anders­wo, war das Feh­len eines Datums, wann die Son­der­maß­nah­men wie­der enden wür­den. Auch ande­re Staa­ten erspar­ten dies­be­züg­lich ihren Bür­gern wenig bis gar nichts. In Öster­reich ersuch­ten Kri­ti­ker der Regie­rungs­maß­nah­men Bun­des­prä­si­dent Alex­an­der van der Bel­len eine ent­spre­chen­de Garan­tie­er­klä­rung abzu­ge­ben, was er aber nicht getan hat. Gera­de bun­des­deut­sche Medi­en erei­fer­ten sich, von befreun­de­ter poli­ti­scher Sei­te ange­feu­ert, die Gefahr einer bevor­ste­hen­den Dik­ta­tur in Ungarn an die Wand zu malen. Ungarns Regie­rung unter Vik­tor Orbán wol­le „die Demo­kra­tie zer­stö­ren“, hieß es. Im Gegen­satz zu ande­ren EU-Staa­ten hat­te Orbán mit dem Wort „Not­stands­ge­setz“ nur die Din­ge beim Namen genannt. Genau das mach­te man ihm aber zum Vorwurf.

Am 31. März erklär­te die libe­ra­le Frak­ti­on im EU-Par­la­ment, die sich nun Renew Euro­pe nennt, daß das unga­ri­sche Not­stands­ge­setz „mit der EU-Mit­glied­schaft unver­ein­bar“ sei. Die nie­der­län­di­sche EU-Abge­ord­ne­te Sophie in’t Veld behaup­te­te: „Vik­tor Orbán hat sein Pro­jekt zur Tötung von Demo­kra­tie und Rechts­staat­lich­keit gestar­tet.“ Daci­an Çio­los, ehe­ma­li­ger rumä­ni­scher Pre­mier­mi­ni­ster, EU-Kom­mis­sar und nun Vor­sit­zen­der von Renew Euro­pe, tön­te: „Es ist eine Schan­de, daß das erschrecken­de Coro­na­vi­rus auf die­se Wei­se aus­ge­nutzt wird“. Die tsche­chi­sche Vize­prä­si­den­tin der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on, Vera Jou­ro­va, eben­falls Renew Euro­pe,   warn­te vor einer „wach­sen­den Gefahr für die Demo­kra­tie“ – natür­lich nur in Ungarn. Glei­che Töne kamen auch von Über­see, wo der demo­kra­ti­sche Abge­ord­ne­te Eli­ot Engel, Vor­sit­zen­der des außen­po­li­ti­schen Aus­schus­ses des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses der USA, von einer „offen­sicht­li­chen Macht­er­grei­fung ange­sichts der schlimm­sten glo­ba­len Kri­se der jün­ge­ren Geschich­te“ sprach. Orbán kön­ne nun „wie ein Dik­ta­tor regie­ren“, mein­te Engel.

Der Cor­rie­re del­la Sera schrieb: Orbán “will Ungarn bei der Hand neh­men und weit über die illi­be­ra­le Demo­kra­tie hin­aus hin zur voll­stän­di­gen Dik­ta­tur füh­ren. Das ist kei­ne Übertreibung.“

Nun setz­te Orbán einen Schritt, der nicht nur alle die­se Stim­men, son­dern alle euro­päi­schen Staats­kanz­lei­en mit weni­gen Aus­nah­men auf dem fal­schen Fuß erwischt. Ungarn kann auf eine erfolg­rei­che Ein­däm­mung des Coro­na­vi­rus ver­wei­sen. Die Zahl der Todes­fäl­le, die letzt­lich ein­zig rele­van­te Zahl, blieb über­schau­bar. Öster­reich hat um 40 Pro­zent mehr Coro­na-Tote als Ungarn. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land fast dop­pelt so vie­le. Von der Schweiz, Frank­reich, Ita­li­en oder Bel­gi­en erst gar nicht zu spre­chen. Es gibt also kei­nen Grund, daß sich Poli­ti­ker aus die­sen oder ande­ren EU-Staa­ten oder Brüs­se­ler EU-Ver­tre­ter über Ungarn echauffieren.

Die Ent­wick­lung des Brut­to­ein­land­pro­dukts hängt natür­lich nicht allein von Ungarn selbst ab, den­noch darf das Land zumin­dest posi­ti­ver in die Zukunft blicken als ande­re EU-Staaten.

[Update 30.05.2020] Nicht Ungarn ist der erste EU-Mit­glieds­staat, der die Coro­na-Epi­de­mie für been­det erklärt, wie uns ein auf­merk­sa­mer Leser mit­teil­te, son­dern das benach­bar­te Slo­we­ni­en. Wir bit­ten den obi­gen Arti­kel mit die­ser Kor­rek­tur zu lesen. Slo­we­ni­en hat­te einen Coro­na-Ver­lauf, der exakt jenem Ungarns ent­spricht. Die im Arti­kel genann­ten Ver­gleichs­zah­len zu ande­ren EU-Staa­ten gel­ten daher auch für Slo­we­ni­en. Bedau­er­li­cher­wei­se wer­den die­se posi­ti­ven Fak­ten in den öst­li­chen und süd­öst­li­chen Nach­bar­staa­ten bei uns tot­ge­schwie­gen.
Obwohl Slo­we­ni­en, was die Zahl der Coro­na-Toten betrifft, deut­lich bes­ser dasteht als Öster­reich, blockiert die schwarz-grü­ne öster­rei­chi­sche Bun­des­re­gie­rung seit zwei Wochen die Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät, indem sie sei­ner­seits die Gren­ze zum Nach­barn nicht öff­net, wäh­rend sie gleich­zei­tig die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, die schlech­te­re Zah­len auf­weist als Öster­reich, um die Grenz­öff­nung anbettelte.

Text: Andre­as Becker
Bild: NBQ

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