Der Bahnhof Brenner am Sonntagabend

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In einer der abgeriegelten Städte in Norditalien gehen die Menschen mit Schutzmasken einkaufen.

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In der stark betroffenen Stadt Codogno waren viele Straßen am Wochenende menschenleer, die Stadt wirkte wie eine italienische Miniaturausgabe der abgeriegelten chinesischen Millionenstadt Wuhan.

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Ein einsamer Radfahrer wagte sich am Sonntag in Codogno – die Stadt liegt in der Nähe von Mailand – dennoch auf die Straße.

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Straßensperre bei Casalpusterlengo.

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Rom/Wien – Wegen dem Verdacht auf zwei Fälle von Coronavirus in einem Zug von Venedig nach München ist der Personenverkehr zwischen Österreich und Italien über die Brennergrenze einige Stunden eingestellt worden. 500 Passagiere saßen am späten Sonntagabend auf dem italienischen Grenzbahnhof am Brenner in zwei Personenzügen zeitweilig fest. Um 23.30 ging die Reise weiter, teilte die italienische Bahn mit.

Kurz davor hatte das österreichische Innenministerium Entwarnung gegeben. "Die beiden coronaverdächtigen Personen wurden negativ getestet. Der Zug fährt daher in Kürze weiter", teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in einer Stellungnahme mit. Bei allen Passagieren, die in Österreich aussteigen, werden Identitätsfeststellungen vorgenommen, hieß es.

Ein Zug aus Italien war am Brenner vor der Staatsgrenze angehalten worden, weil gemeldet worden war, dass sich zwei Personen mit Verdacht auf den Coronavirus im Zug befänden. Nach der Meldung von zwei Personen mit Fiebersymptomen durch die italienische Bahn informierte die ÖBB das Einsatz- und Koordinierungscenter des Innenministeriums. Der zuständige Bezirkshauptmann aus dem Bezirk Innsbruck-Land stoppte daraufhin den Zug per Bescheid.

An Bord des Zuges, der auf dem Weg von Venedig nach München war, befanden sich rund 300 Personen, mehrheitlich Österreicher und Deutsche. Der Südtiroler Zivilschutz sei eingeschaltet worden, um den Passagieren – zum Großteil Österreicher und Deutsche – Unterstützung zu leisten, berichtete die Polizei in Bozen der APA.

Zwei deutsche Fahrgäste mit Fiebersymptomen

Der Eurocity 86 war am Sonntagnachmittag von Venedig abgefahren und hatte in Verona gehalten, nachdem zwei deutsche Fahrgäste mit Fiebersymptomen und schwerem Husten aufgefallen waren. Die beiden Frauen wurden daraufhin in einem Krankenhaus in Verona auf den Coronavirus untersucht, das Testergebnis war jedoch negativ. Der Zug fuhr daraufhin weiter, wurde jedoch am Brenner erneut gestoppt.

Daraufhin stellte die Tiroler Landeswarnzentrale den Personenzugverkehr von Italien über den Brenner vorerst ein, wie die ÖBB mitteilten. Betroffen waren am Sonntagabend laut ÖBB die Züge EC86, EC1288, den REX1828 sowie den Express Nizza-Moskau D408. "Die für solche Situationen vorgesehene Prozess- und Einsatzkette ist voll angelaufen", teilten die ÖBB mit. "Wir stehen mit den zuständigen Behörden in Kontakt und warten die weiteren Schritte und Anweisungen ab". Regionalzüge zwischen Innsbruck und Brenner blieben eine Station vorher stehen und kehrten um, erklärte ÖBB-Sprecher Robert Lechner gegenüber der APA.

Laut italienischer Polizei in Bozen saßen am späten Abend insgesamt rund 500 Passagiere in zwei Zügen am Bahnhof Brenner fest. Die Passagiere konnten aussteigen, da keine Bewegungsbeschränkung seitens der italienischen Gesundheitsbehörden erteilt worden sei, berichtete die Polizei.

Anschober: Grenzkontrollen derzeit nicht erforderlich

Grenzkontrollen gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus seien "derzeit nicht erforderlich", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der ORF-Sendung "Zeit im Bild 2". "Aber wir sind sehr, sehr in Sorge, wir sind vorsichtig und aufmerksam und werden morgen den Sachverhalt noch einmal mit allen Experten überprüfen", verwies er auf den für Montag angesetzten Einsatzstab.

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Man könne derzeit nicht prognostizieren, wie sich die Lage bei der vom Virus SARS-CoV-2 ausgelösten Epidemie entwickeln werde, in etwa drei Wochen werde man womöglich wissen, ob es zu einer globalen Ausbreitung kommt. "Die Gesundheitsbehörden tun alles, damit das nicht der Fall ist", betonte Anschober. Er verwies auf den "hervorragend" aufgestellten österreichischen Gesundheitsbereich und die gute internationale Vernetzung der Behörden. Sollte es bei Verdachtsfällen Spuren nach Österreich geben, werde dies umgehend gemeldet und untersucht.

Direktmaschinen aus China, die fallweise am Flughafen Wien in Schwechat ankommen, würden "extrem gut überprüft", betonte der Ressortchef. Es kämen dabei keine Menschen aus der Krisenregion, die Passagiere müssten direkt im Flugzeug Fragebögen beantworten, das Flugpersonal sei spezifisch geschult, um auf Verdachtsfälle sofort reagieren zu können, und am Airport in Schwechat erfolgten weiterhin Fieberkontrollen, erläuterte Anschober.

Noch kein endgültiges Ergebnis gibt es zu den seit dem Jahr 2006 im Zuge der Vogelgrippe-Hysterie angeschafften und seither eingelagerten Grippeschutzmasken, deren Haltbarkeitsdatum mittlerweile abgelaufen ist. Anschober erwartet im Lauf der kommenden Woche ein Detailergebnis, "ob die Vorratshaltung als eiserne Reserve Sinn macht". Grundsätzlich bestehe in den Bundesländern Versorgungssicherheit, etwaige Mängel würden bei einem Treffen mit den Gesundheitslandesräten am Montag besprochen.

Drei Tote in Italien

Italien ist inzwischen das Land mit den meisten Coronavirus-Infizierten (Sars-CoV-2) in Europa: Am Sonntagnachmittag waren es bereits über 152 registrierte Fälle. 26 der Erkrankten befanden sich am Sonntag in einem kritischen Zustand. Am Freitag war ein 78-Jähriger an dem Virus gestorben. Am Samstag starb eine 77-jährige Frau, die post mortem positiv auf das Virus getestet wurde. Sonntagabend wurde ein dritter Todesfall bestätigt: Laut Behörden handelt es sich um eine ältere Frau aus der Stadt Crema östlich von Mailand, die auch an Krebs erkrankt war.

Italien: Orte wegen Corona-Virus abgeriegelt
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Nach dem dritten Todesfall hat die Regierung drastische Maßnahmen gesetzt: Schulen, Universitäten, Museen, Kinos und Bibliotheken, sowie das Mailänder Opernhaus La Scala wurden geschlossen. Öffentliche Lokale, darunter Diskotheken, werden von 18.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr morgens gesperrt bleiben müssen. Auch der Mailänder Dom bleibt mindestens bis Dienstag geschlossen, Geschäfte dagegen öffnen normal.

Reiseverbot

Über 50.000 Personen in elf norditalienischen Gemeinden wurden vorerst unter Isolation gestellt um die weitere Verbreitung der Krankheit zu verhindern. "Das Betreten und Verlassen dieser Gebiete ist verboten", sagte Regierungschef Giuseppe Conte bereits am Samstag.

Ziel sei es, "die Gesundheit der italienischen Bevölkerung zu schützen", erklärte Conte und führte aus: Zunächst sollten die Sicherheitskräfte die betroffenen Regionen abriegeln. "Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein", fügte Conte hinzu. Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe "strafrechtliche Verfolgung". Er setze dennoch auf Verständnis der Bevölkerung.

Betten in Kasernen

Italiens Heer stellt Militärstützpunkte und Kasernen für die Isolierung von Coronavirus-Verdachtsfällen zur Verfügung. Tausende Betten seien organisiert worden, teilte Italiens Zivilschutzchef Angelo Borrelli mit.

Inzwischen breitet sich die Epidemie auf andere Regionen außerhalb der Lombardei und Venetien aus. In der Emilia Romagna wurden neun Erkrankte gemeldet, einen Fall gab es im Piemont. Alle Universitäten in der Emilia Romagna wurden geschlossen. Das Bildungsministerium in Rom rief alle Schulen des Landes auf, auf Schulausflüge zu verzichten.

Italien: Die Bevölkerung deckt sich mit Vorräten ein.

Als Vorbeugungsmaßnahme gegen die Epidemie hat die Region Friaul Julisch Venetien zudem die Schließung der Universitäten von Udine und Triest bis zum 2. März beschlossen. Auch in Südtirol bereiteten sich die Behörden auf einen Notfall vor. Unter anderem empfahlen die Gesundheitsbehörden am Samstagabend dem Südtiroler Landesrat für Sanität, Thomas Widmann, die Universität Bozen sowie Kindergärten für die kommende Woche zu schließen. Zudem sei ein medizinischer Notfallplan erstellt worden, berichtete die Website des Rundfunksenders Südtirol.

Karneval in Venedig abgesagt

Die Regierung weigert sich jedoch, die terrestrischen Landesgrenzen zu schließen, wie es einige Oppositionsparteien forderten. "Italien darf kein Lazarett werden", sagte Premier Conte. Er erklärte, dass Italien das Schengen-Abkommen nicht außer Kraft setzen werde. Conte kündigte jedoch die Schließung von Betrieben und Schulen sowie die Absage von öffentlichen Veranstaltungen an. Am Sonntag kam dann auch das Aus für den Karneval in Venedig, nachdem zwei Coronavirus-Fälle in der Lagunenstadt bestätigt wurden. Dabei handelt es sich um zwei Pensionisten im Alter von 88 Jahren, die sich auf der Intensivstation des Krankenhauses von Venedig befinden.

Wie das Virus überhaupt nach Norditalien gelangte, ist noch unklar. Fest steht nur, dass man den italienischen Behörden dafür einmal kaum Schlamperei wird vorwerfen können: Italien hatte als erstes Land der EU schon im Jänner alle Flüge aus China gestrichen und sich damit den Zorn der chinesischen Führung zugezogen: Die Reaktion sei überzogen, fördere die Hysterie und schade den Wirtschaftsbeziehungen, tönte es damals aus Peking. (APA, Reuters, red, 23.02.2020)