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Geschichtsschreibung im Islam
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ilya


Siedler
22 Beiträge

Geschichtsschreibung im Islam, 30 Jun. 2007 03:20


Die sehr berechtigte Frage ist aufgeworfen worden, wieso die islamische Geschichtschreibung so gut mit der christlichen übereinstimmt, und ob eine gross angelegte Fälschungsaktion tatsächlich über die religiösen und sprachlichen Grenzen hinweg hätte koordiniert werden können. Das ist tatsächlich sehr unwahrscheinlich.

Aber stimmt die islamische Geschichtschreibung wirklich mit der christlichen überein?

Sie werden überrascht sein: es gibt keine islamische Geschichtsschreibung.

Das ist jetzt natürlich übertrieben und grob vereinfacht. Ich meine: es gibt so wenige halbwegs vertrauenswürdige arabische Chronisten über die Zeit vor 1400 AD, dass man daraus kein irgendwie definiertes chronologisches Gerüst ableiten kann. Ich zeige das mal an dem eigentlich einfachsten Beispiel, der Eroberung Spaniens im –konventionell – 8. Jh AD.

Spanien müsste besonders gut belegt sein, da es dort schon eine schriftkundige Kultur gab, die auch weiterhin existierte (die Goten wurden nicht ausgerottet, die Klöster bestanden weiter), da die islamische Kultur dort sehr bald zu hoher Blüte gelangte, und sogar den gesamten Rest des islamischen Kulturbereiches überflügelte, und weil dort im 12-13 Jh auch unter Christen die arabische Kultur in hohen Ehren stand, so dass man sehr viel arabische (islamische und jüdische) Autoren las und übersetzte, abschrieb usw. Es muss sich also eine Menge erhalten haben.

Die islamische “Eroberung” Spaniens (ich neige heute dazu, ‘Mission’ zu sagen) ist von christlicher Seite aus durch lateinische Kloster-Chroniken überliefert. Und von arabischer Seite aus?

Ein ganz offizielles spanisches Werk (Luis G. de Valdeavellano, Historia de España, 1952), sagt folgendes: "Es gibt keine einzige vetrauenswürdige arabische Chronik, die direkt die Eroberung Al-Andalus‘ (Spaniens) berichtet, alle sind sehr viel später geschrieben". Und zwar Ende des 10-Anfang 11 Jh. Was nicht schlecht wäre... aber auch da gibt es nur drei wichtige Werke. Das erste ist Achbar Madschmu‘a (Gesammelte Nachrichten): eine Sammlung verschiedenster Legenden aus dem Rif (Nordmarokko), die um 1007 AD von einem ‘Folkloreforscher‘ auf arabisch niedergeschrieben wurden; manche beziehen sich auf die Eroberung Spaniens, oft vermischt mit ägyptischen Legenden... jedenfalls nichts sehr vertrauenswürdiges.

Die zweite Quelle, von Ibn Alcotiya ("Sohn des Goten") berichtet zwar über das islamische Spanien, aber weiss nichts vom Gotenreich zu berichten, dessen Nachfahre der Autor doch sein soll... schon eigenartig. Denn die Schlachten gegen die Goten sind ja gerade der Kernpunkt der “Eroberung”.

Das dritte Werk, das des Ahmed Razi Al-Tarichi (Razi der Historiker), das so ziemlich die Grundlage für unsere Kenntnisse der arabischen Eroberung Spaniens bildet... das ist verlorengegangen, aber der arabische Text wurde "im 14. oder 15 Jh AD" von einem ungebildeten Moslem auf portugiesisch (sozusagen simultanübersetzend) einem Priester namens Gil Perez vorgelesen, der kein arabisch konnte, aber nach Gehör auf spanisch den Text niederschrieb... so die offizielle Überlieferungsgeschichte. Nun streiten sich die Wissenschaftler, wieviel davon wohl echt sein könnte... aber Tatsache bleibt: es handelt sich um ein spanisches (christliches) Manuskript aus dem 15 Jahrhundert.

Und das ist alles.

Vor einigen Monaten hatte ein Forum-Teilnehmer gemeint, die Schlacht von Tours und Poitiers müsse sich doch auch in arabischen Quellen finden. Da kann ich nun versichern: keine Spur findet sich. Der Teilnehmer hatte über Wikipedia nachweisen wollen, dass dem doch so sei, ich habe die Quellen untergesucht und es gibt keine (demnächst den Eintrag in Wiki verbessern; was dort steht ist ungenau oder falsch). Wen die genaue Untersuchung von “Tour und Poitier in arab. Quellen” interessiert, der teile es mit, es sind immerhin anderthalb Seiten... kann ich aber hier posten.

Mfg.

ilya



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Tebrizi


Siedler
1 Beiträge

RE: Geschichtsschreibung im Islam, 25 Dec. 2011 00:41


Hallo Ilya,

ich beschäftige mich zur Zeit mit dem Schlacht von Poitiers in arabischen Quellen und wundere mich seit einiger Zeit auch, dass es gar keine (zeitgenössische) Überlieferung seitens der Araber gibt, aber eine genaue zeitgenössische Darstellung aus Sicht eines Christen, der auf Arabisch schreibt! gibt es schon (die sog. mozarabische Chronik von 741).

Du sprichst von einer einandhalbseitigen Darstellung, das würde mich jetzt interessieren. Es würde mich freuen noch andere Tipps von dir zu hören über arabische Quellen zum Schlacht von Poitiers.

Liebe Grüße
Tebrizi
 
 
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