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Geld N26-Gründer

„Die Menschen werden nicht zum Bargeld zurückkehren“

ARCHIV - 21.02.2018, Deutschland, Berlin: Der Gründer der N26 Bank, der Wiener Valentin Stalf, steht in den Geschäftsräumen des Unternehmens. Die Finanzaufsicht Bafin hat bei der App-Bank N26 Mängel bei Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung entdeckt. So müsse N26 einige Bestandskunden neu identifizieren, teilte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht am 22.05.2019 nach einer Prüfung mit. Foto: Wolfgang Kumm/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit ARCHIV - 21.02.2018, Deutschland, Berlin: Der Gründer der N26 Bank, der Wiener Valentin Stalf, steht in den Geschäftsräumen des Unternehmens. Die Finanzaufsicht Bafin hat bei der App-Bank N26 Mängel bei Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung entdeckt. So müsse N26 einige Bestandskunden neu identifizieren, teilte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht am 22.05.2019 nach einer Prüfung mit. Foto: Wolfgang Kumm/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit
Der Gründer der N26 Bank, der Wiener Valentin Stalf, in den Geschäftsräumen des Unternehmens
Quelle: picture alliance/dpa
Valentin Stalf, Gründer der Smartphone-Bank N26, sieht in der Corona-Krise einen Schub für digitale Firmen. Homeoffice, Online-Shopping und bargeldloses Bezahlen würden danach weiter zum Alltag gehören. Besonders eine Veränderung hält er für radikal.

Der Chef des wertvollsten deutschen Start-ups, der Smartphone-Bank N26, arbeitet in der Corona-Krise komplett im Homeoffice. Inzwischen bleibt Valentin Stalf auch nichts anderes übrig: Der gebürtige Österreicher hat sich aufs Land ins Salzkammergut zurückgezogen. In Krisensituationen sei es nicht schlecht, auf dem Land zu sein, meint er.

WELT: Herr Stalf, wie führt man ein Unternehmen aus dem Homeoffice?

Valentin Stalf: Deutschland erlebt gerade das größte Homeoffice-Experiment der Geschichte. Für uns war die Umstellung nicht ganz so groß. Wir haben weltweit fünf Standorte. Die digitale Zusammenarbeit ist für uns also Normalität. Aber es ist sicherlich eine Herausforderung, im Arbeitsalltag komplett auf soziale Kontakte verzichten zu müssen. Das versuchen wir aufzufangen, zum Beispiel mit einem gemeinsamen digitalen Frühstück oder Virtual Coffees. Es gibt sicherlich Nachteile bei der Arbeit von zu Hause, aber auch Vorteile.

WELT: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Stalf: Jeden Morgen bespreche ich mich mit meinem Führungsteam, und wir bringen uns gegenseitig auf den neuesten Stand. Wir sind meistens acht Personen. Ausschließlich per Video zu diskutieren, ist manchmal langwieriger. Bei einem persönlichen Treffen im selben Raum einigen wir uns viel schneller, das fällt momentan weg. Dafür laufen die digitalen Konferenzen jetzt disziplinierter ab. Wir bereiten uns gut vor und überlegen genau, welche Punkte uns wirklich wichtig sind, was wir einbringen wollen und was wir fallen lassen können. Ich finde, wir sind dadurch noch strukturierter geworden.

WELT: Hatten Sie bisher eine starke Präsenzkultur in der Bank?

Stalf: Wir arbeiten in einem sehr schnellen Umfeld, und gerade deswegen sind persönliche Beziehungen wichtig. Damit ähneln wir großen IT-Unternehmen wie Google oder Facebook. Da werden Menschen um die halbe Welt geflogen, nur um an persönlichen Treffen teilzunehmen. So extrem sind wir zwar nicht, aber unsere Büros sind so gestaltet, dass sich die Menschen dort wohlfühlen.

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WELT: Das klingt sehr traditionell.

Stalf: Verglichen mit einem durchschnittlichen deutschen Unternehmen legen wir großen Wert auf die Einbindung digitaler Tools. Die Zusammenarbeit über diverse Chatprogramme und Online-Anwendungen gehört für uns zum Alltag. Durch die Corona-Krise läuft die Zusammenarbeit nun aber ausschließlich digital ab. Das kann bedeuten, dass man mehrere Stunden pro Tag in Videokonferenzen verbringt. Gerade in den ersten Tagen war das deutlich anstrengender als die persönlichen Meetings im Büro.

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WELT: Wie lange hält eine Organisation das durch?

Stalf: Ich glaube, sehr lange. Es ist aber eine große Herausforderung für uns, in der Krise neue Mitarbeiter einzustellen und ihnen unsere Unternehmenskultur zu vermitteln. Wir rekrutieren weltweit, oftmals aus den USA, China oder Australien, doch diese Menschen können aktuell noch nicht einmal umziehen. Es ist auch schwieriger, einen Draht zueinander aufzubauen. Manchen Menschen liegt die digitale Kommunikation nicht, das ist ja auch immer eine Frage der persönlichen Präferenz. Generell hindert uns das aber nicht daran, die wichtigsten offenen Jobpositionen auch in diesen Zeiten zu besetzen.

WELT: Wie wird die Krise das Bankgeschäft verändern?

Stalf: Wir sehen jetzt einen radikalen Wechsel – weg vom Bargeld, hin zum kontaktlosen Bezahlen. Für mich war ohnehin nie nachvollziehbar, warum Menschen noch immer mit Bargeld zahlen. Doch der plötzliche Bruch durch die Krise hat mich selbst überrascht.

WELT: Woran machen Sie das fest?

Stalf: Ich bin zurzeit in Österreich. In fast jedem Geschäft bittet man darum, nicht mit Bargeld zu zahlen. Ich bin sicher: Das wird nachhaltig Wirkung zeigen. Die Menschen werden auch nach der Krise nicht zum Bargeld zurückkehren, und das fördern wir aktiv. Wir klären über Apple Pay und kontaktloses Bezahlen auf. Die Menschen dürften die Scheu davor ablegen.

WELT: Die Deutschen werden also durch die Krise digitaler?

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Stalf: Absolut. Ich habe erst vor wenigen Tagen mit anderen digitalen Gründern gesprochen, die mir sagten, dass sie nun ganz neue Kundengruppen erreichen. Menschen, die es früher vermieden haben, Kleidung, Schuhe oder Lebensmittel online zu bestellen, zählen jetzt plötzlich zu ihren Kunden. Durch die Krise probieren viele Menschen digitale Angebote aus. Das sehen wir auch in unseren Zahlen: Aktuell geben die Menschen in Deutschland mehr Geld für Streamingdienste wie Netflix und Spotify aus als noch vor einem Monat. Und unsere Kunden haben in den vergangenen zwei Wochen häufiger bei Lieferando bestellt als bei Amazon. Insbesondere ältere Menschen lernen dadurch die Vorteile des Online-Handels kennen, auf die sie sicher nach der Krise nicht mehr verzichten wollen werden.

WELT: Sehen Sie sich als Gewinner der Krise?

Stalf: Die Krise ist eine große Herausforderung für alle Unternehmen in Deutschland und weltweit. Auch N26 spürt die Auswirkungen der Krise. Ich erwarte aber, dass sich der Trend weg vom Bargeld und weg von der Filiale auch unabhängig von der Krise ungebremst fortsetzt. Die Menschen wollen ihre Bankgeschäfte von zu Hause aus erledigen, am liebsten per App und in Echtzeit. Wir können ihnen das bieten und sind daher auch in der Krise gut aufgestellt.

WELT: Die meisten Menschen dürften aktuell etwas anderes im Sinn haben als ein neues Bankkonto zu eröffnen.

Stalf: Natürlich müssen die meisten Menschen in dieser Krise erst einmal in ihren neuen Alltag finden – das gilt auch für mich. Unsere Wachstumszahlen sind daher einige Prozentpunkte unter dem normalen Niveau. In den vergangenen Tagen konnten wir aber schon wieder eine Erholung beobachten.

WELT: Erreichen Sie nun verstärkt auch ältere Kunden?

Stalf: Ja, das ändert sich Schritt für Schritt. Als wir an den Markt gegangen sind, waren unsere Kunden im Durchschnitt Mitte 20, jetzt sind sie Anfang 30.

WELT: Bei Ihnen klingt es so, als wäre die Krise für Start-ups eine riesige Chance. Tatsächlich könnte es aber viele die Existenz kosten, weil ihnen das Geld ausgeht.

Stalf: Wir sind sehr gut durchfinanziert und haben ausreichend finanzielle Polster. Aber Sie haben recht: Gerade junge Start-ups könnten Probleme bekommen. Die Politik setzt derzeit viele Hebel in Bewegung, um Unternehmen in dieser Situation zu helfen. Viele Fintechs setzen auf Transparenz, niedrige Gebühren und eine gute Bedienbarkeit auf dem Smartphone. Das sind alles Themen, die durch die Krise sogar noch wichtiger geworden sind. Es bleibt aber abzuwarten, wie Kunden von Fintechs, die im Wertpapierhandel tätig sind, reagieren. Diese Kunden sind gerade zum ersten Mal mit Verlusten konfrontiert.

WELT: Wenn die Wirtschaft in eine schwere Rezession rutscht, geht es nicht nur darum, eine Übergangsphase zu überbrücken.

Stalf: Ich will die Situation nicht beschönigen. Natürlich stecken einige Start-ups in größeren Krisen. Reisen sind derzeit nur eingeschränkt möglich, und viele Restaurants sind geschlossen. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich die Situation irgendwann wieder normalisieren wird. Wir haben in der Digitalwirtschaft die Geschäftsmodelle der Zukunft. Wenn wir nun durch eine Krise gehen, verdoppelt sich die Kundenzahl vielleicht nicht, sondern sie wächst nur um 40 oder 50 Prozent.

WELT: Neue Kunden sind wertlos, wenn Sie an ihnen nichts verdienen. Sie leben davon, dass die Menschen Geld ausgeben – in der Krise werden sie sich aber zurückhalten.

Stalf: Natürlich. Wenn die Leute in der Krise 30 Prozent weniger Geld ausgeben, hat das auch Auswirkungen auf unser Geschäft.

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Mathias Döpfner ist Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, zu der auch WELT gehört
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WELT: Erhebliche sogar. Eine hohe Zahl an Transaktionen ist überlebenswichtig für Sie. Wenn Deutschland und die Welt in eine Rezession rutschen, trifft das auch Sie schwer.

Stalf: Natürlich leiden wir darunter, wenn die Wirtschaft nicht wächst. Trotzdem glaube ich, dass wir als Digitalunternehmen schneller darauf reagieren können als traditionelle Wettbewerber. Unser Bankgeschäft wird nicht so stark betroffen sein, weil wir sehr wenig Kreditgeschäft machen. Wir sehen zwar einen Rückgang bei den Umsätzen im Zahlungsverkehr – aber selbst in Italien, wo die Krise schreckliche Ausmaße angenommen hat, liegt der Rückgang bei lediglich 30 Prozent. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Kunden weltweit plötzlich 50 Prozent weniger ausgeben werden. In Deutschland beispielsweise sind die Umsätze bei Online- und Kartenzahlungen aktuell noch sehr stabil.

WELT: In der Krise werden Menschen ihre Arbeit verlieren. Sie werden ihren Konsum drastisch zurückfahren.

Stalf: Das ist für mich nahe an Panikmache. Die Lage ist ernst, aber ich bin zuversichtlich, dass Politiker weltweit die richtigen Entscheidungen treffen werden, um einerseits die Menschen zu schützen und andererseits die Wirtschaft zu stabilisieren. Dadurch, dass Deutschland und auch Österreich in den vergangenen Jahren eine sehr auf Sparsamkeit bedachte Politik betrieben haben, sind die Länder gut aufgestellt. Aber natürlich ist die Krise eine Herausforderung, auch für unser Unternehmen. Ich gehe nicht davon aus, dass sie in vier Wochen zu Ende sein wird, aber ich hoffe, dass wir sie in den nächsten Monaten bewältigen werden.

WELT: Sie haben im vergangenen Jahr 500 Millionen US-Dollar eingesammelt. Wie viel ist davon noch vorhanden und wie lange reicht dieses Polster noch?

Stalf: Wir sind sehr gut aufgestellt. Wir fragen uns heute: Wie viel investieren wir in Expansion und wie viel in den Ausbau unserer Kernmärkte? Wir sehen deutliche Verschiebungen im Markt und beim Verhalten der Kunden. Studien zufolge wollen in den kommenden Jahren etwa 85 Millionen Europäer auf ein digitales Konto umsteigen. Da wollen wir eine große Rolle spielen.

WELT: Trotzdem ziehen Sie sich aus Großbritannien zurück. Dort schließen Sie Mitte April alle Konten. Waren die Geschäftsaussichten wirklich so schlecht, dass es sich nicht gelohnt hätte, eine Banklizenz zu beantragen?

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Stalf: Wir hatten bis zuletzt gehofft, dass es nicht zu einem harten Brexit kommen würde. Dann hätten wir dort mit unserer europäischen Banklizenz weitermachen können. Das geht nun nicht mehr. Eine neue Lizenz würde uns einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Aber dieses Investment wäre nur der kleinere Teil: Zusätzlich hätten wir in Großbritannien ein neues Kernbanksystem aufbauen müssen. Daran hätte unser Produktteam ein oder zwei Jahre lang arbeiten müssen, und das für einen Markt, in dem maximal 60 Millionen Kunden leben. Stattdessen konzentrieren wir uns jetzt auf unsere europäischen Kernmärkte, die USA und später auf Brasilien, mit deutlich mehr potenziellen Kunden.

WELT: Investieren Sie die in Großbritannien eingesparte Summe jetzt in den USA?

Stalf: Ganz so ist es nicht. Aber in den USA haben wir noch viel vor. Ähnlich wie in Europa wollen wir Banking für Kunden in den Vereinigten Staaten von Grund auf verändern. Und der Start lief gut: Nach fünf Monaten haben wir dort bereits mehr als 250.000 Kunden.

WELT: Sie brauchen dort auch einen neuen Chef, weil Nicolas Kopp N26 verlässt. Haben Sie schon einen gefunden?

Stalf: Nicolas hat unser Geschäft in den USA sehr erfolgreich gestartet und wird uns noch bis in den Sommer begleiten. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren zusammengearbeitet, kennen uns aus dem Studium in St. Gallen und sind befreundet. Nun hat er sich entschlossen, ein eigenes Start-up zu gründen. Das finden wir toll. Für meinen Co-Gründer Maximilian Tayenthal und mich war es immer auch ein Ziel, Unternehmertum zu unterstützen. Wir planen die Nachfolge schon länger. Ich habe in den vergangenen Wochen schon einige Kandidaten treffen können. Zuletzt war ich kurz vor dem Einreisestopp noch einmal in New York. Jetzt kann ich die Kandidaten nicht mehr persönlich treffen, sondern führe die Gespräche per Videochat. Unabhängig davon hat Nic ein sehr gutes Führungsteam aufgebaut und hinterlässt daher gute Strukturen.

WELT: Den Aufwand mit den Regulatoren, den Sie sich in Großbritannien nun sparen, kennen Sie aus Deutschland. Hier hatte sich die Finanzaufsicht Bafin N26 vor einiger Zeit wegen unzureichender Vorkehrungen gegen Geldwäsche zu Brust genommen.

Stalf: Das Thema liegt schon anderthalb Jahre zurück. Unsere Prozesse sind inzwischen mindestens genauso gut wie bei anderen Banken und teilweise deutlich besser. Wir halten uns an alle regulatorischen Vorgaben – auch in Bezug auf Maßnahmen gegen Geldwäsche. Mit Thomas Grosse haben wir auch einen sehr erfahrenen Manager, der diese Themen verantwortet und vorantreibt.

WELT: Wie ist denn Ihr Verhältnis zur Bafin?

Stalf: Unsere Bank hat ein gutes Verhältnis zu den Aufsehern. Als Unternehmen handeln wir eigenverantwortlich und halten uns selbstverständlich an alle Vorgaben. Es gibt immer wieder Termine mit der Bafin, aber das ist Teil des laufenden Geschäfts.

WELT: Kann man sich mit der Bafin auch per Videochat treffen?

Stalf: Die meisten Termine, die ich hatte, waren persönlich oder am Telefon. Videocalls mit der Bafin habe ich bislang noch nicht erlebt – aber auch das kann sich ja noch ändern.

Hinweis: Axel Springer (WELT, „Bild“) ist an dem Unternehmen N26 beteiligt.

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