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Fernsehen Late Night "Maischberger"

Henkel, Sarrazin und die "typische German Angst"

Euro-Zone spalten, Migrationsdebatte anheizen: Thilo Sarrazin und Hans-Olaf Henkel provozieren gern. Vor allem, um ihre Bücher zu verkaufen.

Um starke Worte ist Hans-Olaf Henkel selten verlegen. Auch nicht, wenn es um den eigenen Fernsehauftritt geht: „Ich habe jetzt drei Talkshows mit Thilo Sarrazin gesehen. Die Mehrheit der Leute wurde jeweils eingeladen, um ihn fertig zu machen. Und dann sitzt da immer noch eine gut integrierte, meist hübsche Türkin“, polterte der ehemalige Industrie-funktionär und Talkshow-Dauergast. Thilo und Hans-Olaf gegen den Rest der Welt – das ist das Bild, dass die beiden Provokateure in der Sendung von Sandra Maischberger zum Thema „Die Sarrazin-Debatte: Ist Deutschland wirklich in Gefahr?" von sich selber zeichnen wollten. Doch gezeigt haben sie nur, dass die Integrationsdebatte schon längst viel weiter ist als Sarrazins Thesen.

Hans-Olaf Henkel hat derzeit ein Buch zu verkaufen. Deswegen ist er gefühlt noch öfter im Fernsehen zu sehen als sonst schon üblich. Sein Buch heißt „Rettet unser Geld!“. Darin fordert Henkel, verkürzt gesagt, die Aufspaltung der Euro-Zone in einen harten „Nord-Euro“ mit Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Schweden und Dänemark sowie einen weichen „Süd-Euro“. Dort könnten sich Spanien, Portugal, Italien und Griechenland ausleben, die es ja bekanntlich mit der deutschen Haushaltsdisziplin nicht so genau nehmen. Währungs-Darwinismus also? Das kommt einem irgendwie bekannt vor – denn Henkels Argumentation in der Sendung lag ganz auf der Linie von Thilo Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“. Dessen Verkaufszahlen dürften auch den ehemaligen IBM-Manager beeindruckt haben.

Mit rotem Kopf und erhobener Stimme trat Henkel auch bei Sandra Maischberger für die Thesen seines Mitstreiters Sarrazin ein: „Das kann doch kein Zufall sein, dass in allen muslimischen Ländern die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden“. Zwischen der europäischen Kultur und dem Islam herrschten Unterschiede, die eine Integration muslimischer Migranten schwer möglich machen würden. Dabei verstieg Henkel sich sogar zu der Behauptung, dass „von 57 muslimischen Ländern kein einziges demokratisch sei“ – eine Meinung, die nicht nur die türkischstämmige RTL-Moderatorin Nazan Eckes absurd fand.

Von seinem Kurs ließ sich Thilo Sarrazin jedoch nicht abbringen. Korrekturen an seinem Buch empfindet er als rein kosmetisch, auch wenn es um viel kritisierte Themen wie den Zusammenhang von Intelligenz und Religionszugehörigkeit geht: „Ich habe die Zahlen dazu ab der elften Auflage rausgenommen. Aber nur, weil sie von meinem Hauptargument ablenken“. Wie in seinen bisherigen Fernsehauftritten zitierte Sarrazin wieder massenhaft Statistiken und dozierte über die „Nettoreproduktionsraten“ bestimmter Volksgruppen in den nächsten 300 Jahren, ohne jedoch sich über Lösungsmöglichkeiten aktueller Probleme länger auszulassen.

„Sarrazins Erfolg hat nichts mit seinen Themen zu tun“, analysierte daher WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn: „Er ist lediglich eine Projektionsfläche für die Angst vor dem sozialen Abstieg“. Sarrazin sei, ähnlich wie Stuttgart 21, nur ein Ventil für diese aufgestaute Furcht. Tarek Al-Wazir, Vorsitzender der hessischen Grünen, sah das genauso: „Das ist typische ‚German Angst‘. Die gab es schon in den 1890ern, als viele Deutsche nach Amerika auswanderten und gleichzeitig die Polen ins Ruhrgebiet kamen.“

Dritter in der Liga der außergewöhnlich medienwirksamen Provokateure war Professor Christian Pfeiffer. Der umtriebige Kriminologe aus Hannover ist an sich um keine steile These verlegen, wenn es um die Zusammenhänge von Computerspielen, Migrationshintergrund, Gewalt und Kriminalität geht. Doch Pfeiffer ging in der Sendung überraschend auf Distanz zu Sarrazin und Henkel – und mahnte, nicht ganze Bevölkerungsgruppen über einen Kamm zu scheren: „Wenn man beispielsweise die Abiturquoten türkischer Jugendlicher in den Bundesländern vergleicht, ist das sehr unterschiedlich. Im Norden sind die deutlich höher, das liegt an Unterschieden in den Bildungssystemen“. Auch hätten die meisten Jugendlichen, die sich selbst als religiös bezeichneten, kaum einen wirklichen Bezug zum Islam.

Nazan Eckes, die übrigens momentan ebenfalls ein Buch zu verkaufen hat, gab zu bedenken, dass Migration auch Chancen eröffnet: „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Geben wir Migrantenkinder auf und geben sie in die Hände der Islamisten oder wollen wir ihr Potenzial nutzen?“ Pfeiffer „Wir haben ein Imam-Problem, kein Islam-Problem“. Die universitäre Islamausbildung könne da den Einfluss fundamentalistischer „Gast-Imame“ eindämmen. Lösungsansätze seien jedoch ein Punkt, an dem Thilo Sarrazin noch nicht angekommen ist. Er wollte auf Maischbergers Frage, was ihn eigentlich von Rechtspopulisten wie dem Niederländer Geert Wilders unterscheidet, lieber nicht antworten.

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