Wirtschaft von oben #155 – Lockdown in Shanghai Hier legt Pekings strenge Corona-Politik Shanghai komplett lahm

Die Nord-Süd-Hochstraße über den Suzhou-Fluss gilt als eine der am stärksten befahrenen Straßen Shanghais. Seit dem Corona-Lockdown ist die Straße gespenstisch leer. Quelle: LiveEO/Skywatch

Die Null-Corona-Politik der chinesischen Zentralregierung ist gnadenlos. Neueste Satellitenbilder verdeutlichen die massiven Auswirkungen auf Leben und Wirtschaft der Millionenmetropole am Jangtsekiang. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Die umstrittene Null-Corona-Strategie der chinesischen Regierung hat die Wirtschaftsmetropole Shanghai in den vergangenen Wochen praktisch zum Stillstand gebracht. Selbst Pressefotografen konnten sich in der Zeit kaum noch in der Stadt bewegen, um das Geschehen zu dokumentieren. Neueste Satellitenaufnahmen von LiveEO zeigen nun, wie sehr Leben und Wirtschaft in und um Shanghai im April unter den von Peking angeordneten Maßnahmen gelitten haben.

Ursprünglich war der große Lockdown in Shanghai im März als Teil der strengen Null-Corona-Politik verhängt worden. Zunächst sollte die Bevölkerung im Ostteil der Stadt für wenige Tage nicht mehr vor die Tür gehen dürfen, danach war der Westteil dran. Die Behörden hofften, mit Massentests die Infektionsketten durchbrechen zu können – doch die Fallzahlen stiegen weiter. Aus einigen Tagen Ausgangssperre wurde ein Monat, in dem ein Großteil der 26-Millionen-Stadt stillstand.

Die in den 1990ern gebaute Nord-Süd-Hochstraße über den Suzhou-Fluss etwa gilt als eine der zwei am stärksten befahrenen Straßen Shanghais. Satellitenaufnahmen aus den vergangenen Jahren zeigten fast immer Blechkolonnen oder sich stauende Autos. Als die Behörden jedoch Ende März einen nahezu kompletten Lockdown über Shanghai verhängten, ging der Verkehr den Satellitenbildern zufolge drastisch zurück. Aufnahmen vom 7. und vom 17. April zeigen nur eine Handvoll Fahrzeuge auf dem fotografierten Abschnitt, wo sonst Hunderte, wenn nicht Tausende unterwegs sind.


Die Menschen dürfen in der Regel ihre Wohnung entweder komplett nicht verlassen oder sind auf wenige Straßenzüge in ihrer Nachbarschaft beschränkt. Die sozialen Medien sind voll von Beschwerden über unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln. Auch werden immer wieder Videos von brutalen Übergriffen gezeigt, in denen Sicherheitspersonal und Polizisten Menschen auf der Straße jagen, falls sie ihre Häuser verlassen. Andere, die positiv getestet wurden, werden gegen ihren Willen aus ihren Wohnungen getragen und trotz keiner oder nur milder Symptome in zentrale Quarantäne-Lager verfrachtet, wo die Betten dicht an dicht stehen und 24 Stunden am Tag das Licht brennt.

Die zur Inneren Ringstraße gehörende Nanpu-Brücke mit ihrer markanten Kreiselauffahrt gilt als eine der wichtigsten Verbindungen in den neuen Shanghaier Stadtteil Pudong, wo in den vergangenen Jahrzehnten riesige Wolkenkratzer entstanden sind. Auch sie ist eigentlich ein Ort, an dem der Verkehr dicht an dicht verläuft, sich häufig staut. Und auch hier zeigen Satellitenbilder aus den vergangenen Tagen und Wochen nahezu kein Auto.


Der Unmut vieler Menschen ist inzwischen so groß, dass die Zensoren kaum damit hinterherkommen, Kritik an der Regierung aus dem Netz zu löschen.

Auf dem Kurznachrichtendienst Weibo wurde zuletzt sogar ein sich rasant verbreitender Hashtag zensiert, der aus den ersten Worten der chinesischen Nationalhymne bestand: „Steht auf! Alle, die keine Sklaven mehr sein wollen!“ Shanghaier hatten den Hashtag genutzt, um auf die chaotischen Zustände aufmerksam zu machen.


Während die Regierung durch ihre Null-Covid-Strategie in der Stadt für leere Straßen sorgt, ist auf dem Meer ein riesiger Stau entstanden. Transponderdaten des Trackingportals MarineTraffic zeigen, dass vor der Metropole am Jangtsekiang zurzeit Hunderte Schiffe parken. Ein Schnappschuss davon machte in den vergangenen Tagen im sozialen Netzwerk Twitter die Runde.

Eine genauere Analyse der Daten zeigt allerdings, dass eine so große Anzahl Schiffe an dieser Stelle relativ normal ist. Anders ist das jedoch rund 100 Kilometer südlich vor der Stadt Ningbo. Hier zeigen Transponderdaten und Satellitenaufnahmen, dass die Zahl der wartenden Schiffe zuletzt massiv zugenommen hat. So musste der Hafen von Shanghai aufgrund des Lockdowns seine Abfertigungskapazitäten in den vergangenen Wochen deutlich runterfahren. Ningbo dient derweil offenbar als Ausweichhafen für viele Frachtschiffe.


Laut Jochum Reuter vom Lieferkettenanalysten FourKites lag das umgeschlagene Warenvolumen im Hafen von Shanghai Mitte April rund 23 Prozent unter dem von Mitte März. In Ningbo dagegen stieg das Volumen um 15 Prozent. Auch die Zeit, die Schiffe vor Shanghai auf eine Abfertigung im Hafen warten mussten, nahm massiv zu – bei Importen von 3,4 auf 8,3 Tage. Andere Analysten warnen bereits, dass die Folgen monatelang rund um die Welt zu spüren sein würden.

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Dank eines starken Januars und Februars wuchs die chinesische Wirtschaft im ersten Quartal zwar mit 4,8 Prozent noch unerwartet stark, doch kühlte sich die Konjunktur schon im März wegen der zunehmenden Lockdowns deutlich ab. Das ambitionierte jährliche Wachstumsziel der Regierung von 5,5 Prozent kann, wenn überhaupt, nur noch mit massiven Konjunkturhilfen erreicht werden, sind Ökonomen überzeugt. Dass China seine Strategie ändert und seine strengen Maßnahmen aufgibt, gilt mittelfristig als so gut wie ausgeschlossen.

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